Das Institut für Handelsforschung in Köln (IFH Köln) hat die aktuellen Handelszahlen im E-Commerce analysiert und ermittelt, dass mehr als zwei Drittel des Onlineumsatzwachstums von knapp 15 Milliarden Euro im vergangenen Jahr auf Amazon entfallen sind. Fast alle Onlineshopper in Deutschland kaufen mehr oder weniger regelmäßig auch bei Amazon ein. Insgesamt landet jeder zehnte Euro im Nonfood-Handel bei Amazon – und mehr als ein Drittel der Nonfood-Umsätze im Handel ist vom Onlineriesen abhängig.
Heute vor 27 Jahren ging Amazon in den USA an den Start – und wenn Jeff Bezos am heutigen Tag seinen Chefposten an Andy Jassy übergibt, zeigen die aktuellen Bilanzzahlen eindrücklich, was Amazon gerade in den letzten anderthalb Jahren im deutschen Handel und weltweit bewegt hat.
E-Commerce bricht in der Pandemie Rekorde
Von Rekord zu Rekord steuert der Onlinehandel gerade angesichts der Pandemie und vor allem Amazon konnte von Covid-19 profitieren. Während der Onlinehandel in Deutschland 2020 insgesamt um rund 15 Milliarden Euro wachsen konnte – statt wie zuvor um rund 5,6 Milliarden Euro jährlich – entfielen hiervon rund 11,4 Milliarden Euro auf Amazon. Das betrifft freilich nicht alleine die Umsätze, die Amazon selbst generiert, sondern auch jene, die über unabhängige Verkaufspartner (also die Marketplace-Verkäufer) erfolgen. Allerdings ist das in diesem Zusammenhang schwierig aufzuschlüsseln, weil hier wiederum die Provisionen Amazon zugeschrieben werden müssen.
Insgesamt lag 2020 der Gesamtumsatz des Onlinehandels bei 84,7 Milliarden Euro, wobei der Handel insgesamt um 21,3 Prozent wuchs, der von Amazon dagegen um 36 Prozent. Amazon hat somit im Vergleich zum Vorjahr durchschnittlich jeden Tag um 31 Millionen Euro zugelegt. Der Anteil Amazons am deutschen Onlineumsatz lag 2020 bei 53 Prozent. Und noch eine Zahl ist interessant: Während Amazon im Schnitt in den vergangenen Jahren um 3,7 Milliarden Euro zugelegt hat, waren es im vergangenen Jahr fast drei Mal so viel.
Klar war, dass Amazon von der Krise besonders stark profitiert hat. Das hat zum einen damit zu tun, dass Amazon ohnehin als zuverlässig und schnell bekannt ist – zwei Elemente, die gerade in den Monaten der Lockdowns entscheidender waren als der Preis für eine Ware. Es hängt aber auch damit zusammen, dass Amazon mit seiner weitgehenden Unabhängigkeit der gesamten Lieferkette und der Logistik besser als jeder andere E-Commerce-Player auf die Sondersituation vorbereitet war. So war es zwar auch für den Konzern sicher kein Kinderspiel, in der Pandemie zuverlässig zu liefern, es war aber mit deutlich weniger Unwägbarkeiten verbunden als bei anderen Onlineshops.
An Amazon kommt fast keiner vorbei
Wirft man einen genaueren Blick auf den Umsatz, wird deutlich: Wer im Internet einkauft, tut das in fast allen Fällen auch bei Amazon. Rund 94 Prozent der Onlineshopper in Deutschland sind Kunden bei Amazon. Rund 70 Prozent des Amazon-Umsatzes wird von Prime-Mitgliedern realisiert, ein Zeichen dafür, dass die Rechnung hier für Amazon aufgeht, die Kunden durch zusätzliche Services im besten Fall täglich zu adressieren. Mehr als jeder Dritte ist Heavy-Amazon-Shopper, nutzt also für mindestens die Hälfte der Einkäufe im Netz das Angebot der Onlineplattform aus Seattle.
Bereits jeder zehnte umgesetzte Euro im gesamten Nonfood-Handel wandert in die digitale Ladenkasse Amazons. Weitere 25 Prozent der Nonfood-Umsätze werden über Informationsrecherchen oder Preisvergleiche durch Amazon beeinflusst. Der Detailblick zeigt die Amazon-Durchdringung der einzelnen Branchen: So sind beispielsweise in der Kategorie Unterhaltungselektronik & Elektro weniger als 30 Prozent der Umsätze von Amazon unabhängig. In der Kategorie Wohnen & Einrichten entfallen zwar „nur“ sieben Prozent der Umsätze auf Amazon – weitere 28 Prozent werden jedoch zumindest von Amazon beeinflusst. Bemerkenswert auch der Onlineanteil am Einzelhandelsumsatz, der overall bei 12,8 Prozent liegt – bei der Topbranche Fashion, bei der man früher dachte, dass sie nur schwerlich per Onlinebestellung und Versand funktioniert, heute schon bei 39,8 Prozent. Ob das eine Sondersituation angesichts geschlossener Geschäfte ist, bleibt abzuwarten.
Lebensmittel und Drogerieartikel online gefragt wie nie
Sicher ist, dass in fast allen Handelssegmenten der Umsatz oder der beeinflusste Umsatz von Amazon im letzten Jahr zugelegt hat. Selbst in Branchen, die bislang noch nicht so stark vom Handelskonzern aus Seattle beeinflusst waren, ist das so. Die genannten Trends unterstreichen auch die Handelszahlen, die der E-Commerce-Verband (BEVH) aktuell veröffentlicht hat: Demnach wuchs der Onlinehandel mit Waren im ersten Halbjahr um stolze 23,2 Prozent, wobei Waren des täglichen Bedarfs (Lebensmittel und Drogerieartikel) und DIY-Artikel die größten Wachstumstreiber waren. Gerade beim Lebensmittelhandel ist Amazon neben regionalen und überregionalen Anbietern gut dabei und strukturiert gerade um. Dabei haben sich auch die Versendertypen speziell im letzten Quartal teils deutlich unterschiedlich entwickelt. Mit 22,5 Prozent am stärksten gewachsen ist der Umsatz im Handel auf Online-Marktplätzen, die aktuell auf einen Marktanteil von 50,7 Prozent kommen. Hieran dürfte Amazon (neben Ebay) einen entscheidenden Anteil haben.