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Interview
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Managementforscher: „Für gute Entscheidungen braucht es kein Talent“

Was braucht es, um gute Entscheidungen zu treffen? Und worauf lassen sich Fehlentscheidungen zurückführen? Der Managementforscher Philip Meissner im Gespräch.

8 Min. Lesezeit
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„Gute Entscheidungen haben nichts mit Talent zu tun.“ – Philip Meissner. (Foto: PM)

Was eindeutig ist, muss nicht entschieden werden. Es gibt kein Abwägen. Nichts, das einen größeren Denk- oder Abstimmungsprozess erfordert. Eine tolle Situation. Die meisten Entscheidungen, die Führungskräfte treffen müssen, sind jedoch nicht immer eindeutig. Es gibt ein Für und Wider. Es gibt Interessen zu berücksichtigen. Und so manches Mal kochen auch die Emotionen über, wenn eine schwere Entscheidung ansteht. Richtig zu entscheiden, bedeutet auch Druck. Manager und Managerinnen brauchen ein Talent dafür – oder etwa nicht?

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Nein, meint der Managementforscher Philip Meissner. Vielmehr sei die Fähigkeit lernbar. Meissner leitet den Lehrstuhl für strategisches Management an der ESCP Europe in Berlin. In seinem Buch „Entscheiden ist einfach“ (Campus Verlag, Amazon) hat der Wissenschaftler etabliertes Forschungswissen zu einem einzigen Prozess verdichtet, der es Führungskräften möglich macht, bessere Entscheidungen zu treffen. Wir haben über gute und schlechte Entscheidungen gesprochen.

„Gute Entscheidungen sind lernbar“

„Gute Entscheidungen sind lernbar“ – Philip Meissner leitet den Lehrstuhl für strategisches Management an der ESCP Europe in Berlin. (Foto: PM)

t3n: Herr Meissner, wann haben Sie das letzte Mal eine Entscheidung so richtig bereut?

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Philip Meissner: Ich bin in Kryptowährungen eingestiegen, als die Blase platzte und der Bitcoin auf 5.000 US-Dollar fiel. Ich dachte, der Sinkflug wäre an dem Punkt beendet. Es ging jedoch noch weiter nach unten. So richtig bereut habe ich das allerdings nicht, ich sehe das eher als langfristige Anlage.

Woher nehmen Sie die Gewissheit, dass es langfristig bergauf geht?

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Sicher bin ich mir nicht. Aber zum jetzigen Zeitpunkt sehe ich mehr Chancen als Risiken. Wir können die Zukunft nicht vorhersagen, sondern nur auf Basis der Informationen entscheiden, die uns zum Zeitpunkt der Entscheidung zur Verfügung stehen.

Manager und Managerinnen müssen besonders entscheidungskräftig sein. Braucht es dafür ein Talent oder lässt sich Entscheiden lernen?

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Entscheiden kann man auf jeden Fall lernen. Gute Entscheidungen haben nämlich nichts mit Talent zu tun. Oft denken wir, dass Menschen von Natur aus entscheidungsstark sind und ihnen Entscheidungen besonders leicht fallen würden. Oder dass sie entscheidungsschwach wären, weil das Talent eben fehle. Quasi so, als könnte man nichts daran ändern. Das ist dann vor allem für Führungskräfte ein Problem, da sie denken, dass dies eine Schwäche sei, mit der sie eben leben müssten. Das stimmt aber nicht.

Lassen sich gute und schlechte Entscheidung schon im Vorfeld erkennen?

Ich denke schon. Wenn man das richtige Problem adressiert, sich kritischen Rat eingeholt und die möglichen negativen Auswirkungen ausreichend berücksichtigt hat, steht einer guten Entscheidung im Grunde nichts mehr im Wege.

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Außer vielleicht der Zufall.

Ja, leider beurteilen wir eine Entscheidung jedoch viel zu häufig erst im Nachhinein. Das ist nicht fair, denn wir können, wie gesagt, nur das beurteilen, was wir auch zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits wussten.

Sie sagen, es sei wichtig, sich kritischen Rat einzuholen. Warum?

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Das ist sogar sehr wichtig. Denn nur wenn wir mit Kritikern sprechen, haben wir die Chance unsere eigene Sichtweise anzupassen und andere Argumente zu hören. Unsere eigene Psychologie führt dazu, dass wir unbewusst nur nach Informationen suchen, die unsere vorgefasste Meinung bestätigen. In Zeiten von Social Media wird dies noch schlimmer. Stichwort: Filterblase. Das führt bei wichtigen Entscheidungen zu einer eindimensionalen Wahrnehmung der Realität. Wenn wir uns dann nicht bewusst auch für die Meinungen von Kritikern öffnen, ist es schwer eine gute und ausgewogene Entscheidung zu treffen.

In den USA, vor allem im Silicon Valley, würde man jetzt vermutlich sagen, es sei typisch Deutsch, alles ständig abzuwägen. Dort wird eine Kultur der schnellen Entscheidungen gelebt. Können die gut sein?

Es geht nicht um endloses Abwägen, nur darum, sich bei wichtigen Entscheidungen die richtigen Gedanken zu machen. Die Methoden für bessere Entscheidungen sind sehr schnell und müssen den Prozess überhaupt nicht verlangsamen. Das Gegenteil ist sogar oft der Fall. Der Einsatz von Checklisten kann beispielsweise einiges an Stunden Diskussionszeit einsparen und den Prozess um mehrere Tage beschleunigen.

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Was gehört auf so eine Checkliste?

Es gibt verschiedene Listen, die sich vor allem darin unterscheiden, ob man selbst maßgeblich an der Analyse gearbeitet hat oder ob es ein Team war, das die Entscheidung vorgeschlagen hat. Im ersten Fall sollte man sicher sein, dass verschiedene Sichtweisen in der eigenen Entscheidung berücksichtigt worden sind und man positive und negative Effekte abgewogen hat. Im zweiten Fall geht es vor allem darum, die Interessen des Teams zu verstehen und den von ihnen angewandten Prozess nachzuvollziehen.

Warum ist es wichtig, die Interessen genau zu beleuchten?

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Man muss verstehen, welche Motivation das Team oder einzelne Mitglieder des Teams haben und ob dies die vorgeschlagene Lösung möglicherweise beeinflusst. Wenn jemand zum Beispiel gerne in den USA arbeiten möchte, schlägt er dort vielleicht ein strategisches Projekt vor. Das Projekt selbst muss aber gar nicht sinnvoll sein, es geht dann eher um die individuellen Ziele der Person.

Checklisten sind also eine Methode. Welche gibt es noch?

Eine weitere Methode für bessere Entscheidungen ist beispielsweise der „Red Team Blue Team“-Ansatz, bei dem zwei Teams mit ganz unterschiedlichen Perspektiven auf eine Entscheidung blicken und dann gemeinsam diskutieren, um möglichst diverse Sichtweisen in den Entscheidungsprozess einzubringen. So kann man selbst gut lernen und andere Argumente in die eigene Bewertung aufnehmen.

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Kennen Sie ein populäres Beispiel für eine schlechte Entscheidung, von der Sie sagen, hier kam mit ziemlicher Sicherheit keine dieser Methoden zum Einsatz?

Ja, die Videothekenkette Blockbuster ist dahingehend ganz interessant. Sie hat sich dagegen entschieden, ein Abo-Modell einzuführen, weil sie circa 15 Prozent des Gewinns durch die Gebühren von zu spät abgegeben Filmen gemacht haben. Hier gab es wahrscheinlich keine offene Diskussion mit möglichen Kritikern der Idee, sondern eher einen komplett nach innen gekehrten Entscheidungsprozess.

Das Unternehmen kam Anfang der 2000er ins Straucheln. Es ging mehrmals insolvent und wechselte den Eigentümer. Ein typisches Beispiel von „Digitalisierung verpasst“. Hätte der CEO damals wissen können, dass lokale Videotheken keine Zukunft haben?

Im Grunde gibt es drei Mechanismen für schlechte Entscheidungen: In der Regel treffen wir sie überhastet. Dann denken wir nicht ausreichend über mögliche Optionen und Konsequenzen nach. Außerdem spielen Emotionen eine wichtige Rolle. Wenn wir unter großem Stress stehen, Angst haben oder euphorisch sind, betrachten wir die Entscheidung nicht objektiv. Zu guter Letzt kann es auch eine Fehlentscheidung sein, gar keine Entscheidung zu treffen. Viele Menschen schieben wichtige Beschlüsse ewig auf, weil sie Angst haben, eine schlechte Wahl zu treffen. Die Entscheidung am Status quo festzuhalten, selbst wenn er noch ganz passable Ergebnisse bringt, muss nicht zwangsläufig richtig sein. Diesen Fakt hätte man damals zumindest in Betracht ziehen müssen.

Sie haben sich in ihrer Karriere selbst einmal neu erfunden. Trotz eines guten Jobs im Bankenwesen haben Sie sich dazu entschieden, noch mal zu studieren. Wie leicht fiel die Entscheidung damals?

Diese Entscheidung habe ich mir gut überlegt und mit verschiedenen Ratgebern besprochen. Es fällt einem sicher nie leicht, einen Job und vor allem das Team zu verlassen, mit dem man gerne zusammengearbeitet hat. Trotzdem war ich damals davon überzeugt, dass dies die richtige Entscheidung war und das denke ich auch heute noch.

Was für Ratgeber waren das? Ich könnte mir vorstellen, dass ein „Folge deinem Herzen“-Spruch schneller von einem Arbeitskollegen kommt als beispielsweise von dem Partner, der die Familie versorgt wissen möchte.

Ich habe die Entscheidung vor allem mit Freunden und meiner Familie besprochen, was nicht immer gut sein muss. Denn auch hier kann es eigene Interessen geben, die den Rat beeinflussen. Ein guter Freund könnte zum Beispiel eher gegen einen neuen Job in einer neuen Stadt argumentieren, damit er auch weiterhin viel Zeit mit einem verbringen kann. Darüber hinaus habe ich aber auch mit anderen Studenten der Universität gesprochen, wo ich meinen MBA gerne machen wollte. Hier habe ich sehr gute Tipps bekommen von Menschen, die vor der gleichen Entscheidung wie ich standen.

Ist das ein Ratschlag, den sie uneingeschränkt weitergeben würden: Menschen in ähnlichen Situationen und Umfeldern hinzuziehen?

Wichtig ist, dass man sich Ratschläge von Menschen einholt, die selbst schon einmal vor dem gleichen Problem standen und es im besten Fall sogar gelöst haben. Es macht keinen Sinn, jemanden zu fragen, ob man ein Unternehmen gründen sollte, der selbst kein Unternehmer ist. Sein Erfahrungsschatz ist gleich null.

Kommen wir auf ihr Buch zu sprechen, das kürzlich erschien. Sie haben entlang ihrer Forschung einen siebenstufigen Prozess ausformuliert, der zu besseren Entscheidungen führt. Wie sieht der aus?

Das Buch habe ich geschrieben, als ich festgestellt habe, dass es vielen Menschen schwerfällt, Entscheidungen zu treffen – egal ob im privaten oder beruflichen Umfeld. Gleichzeitig gibt es zu dem Thema aber etliche Forschungsergebnisse, die kaum bekannt sind. In meinem Buch habe ich die Ergebnisse dieser Forschung zu einem Prozess verdichtet, der den Lesern dabei helfen soll zu lernen, gut zu entscheiden. Die Schritte und Methoden in dem Prozess helfen dabei, das richtige Problem zu identifizieren, die richtigen Ratgeber auszuwählen, seine Idee auf die Probe zu stellen und am Ende auch tatsächlich eine Entscheidung zu treffen, ohne diese unnötig ewig aufzuschieben.

Woher weiß ein Entscheider, ob er das richtige Problem erkannt hat? In ihrem Prozess kommt dieser Schritt noch vor dem Einholen von Ratschlägen durch einen Experten und einen Kritiker.

Hierfür kann die Person eine einfache Methode anwenden, die auch Jeff Bezos nutzt. Wir sollten dreimal nach dem „Warum?“ fragen. So können wir sicherstellen, dass wir das eigentliche Problem anpacken und uns nicht mit einer zunächst offensichtlich erscheinenden Herausforderung beschäftigen. Nur wenn wir mit unserer Entscheidung unser tatsächliches Problem lösen, kann sie auch gut sein. Viel zu oft übersehen wir das eigentliche Problem. Der Harvard-Professor Max Bazerman spricht von „unbewusster Unaufmerksamkeit“. Wir fokussieren uns nur auf Symptome. Auch Emotionen spielen eine wichtige Rolle. Verschiedene Experimente haben gezeigt, dass Stress oder Angst unsere Aufmerksamkeit fokussieren. Das hat Vorteile, kann jedoch auch dazu führen, dass wir übersehen, um was es wirklich geht.

Angenommen, eine Person ist am letzten Schritt angekommen. Sie setzt sich eine Deadline und will die Entscheidung fällen, ist sich jedoch nicht zu Hundert Prozent sicher bezüglich der Folgen. Auch nach eingängiger Abwägung weiß sie nicht, wohin sich das Ergebnis entwickeln wird. Soll sie auf die Chancen oder die Risiken setzen?

Es kann niemand in die Zukunft schauen. Studien zeigen, dass selbst Volkswirte oder Top-Führungskräfte von Unternehmen, deren Spezialgebiet es ist, die wirtschaftliche Entwicklung vorherzusagen, oft daneben liegen. Wenn man auf den perfekten Moment wartet, wird man daher nie entscheiden können, da sich diese Unsicherheit nie ganz auflösen lässt. Daher würde ich persönlich einfach die Entscheidung treffen, sobald ich die vorherigen Schritte durchlaufen und die Entscheidung durchdacht habe. Am Ende sind die meisten Entscheidungen ja auch nicht endgültig, sondern man kann sie über die Zeit anpassen oder weiterentwickeln, sobald sich die Umweltbedingungen ändern.

Danke für das Gespräch.

Gerne.

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Erfolgreicher im Job: Diese Apps helfen bei der Karriere Quelle: Mockuphone
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