Nur mit der Hilfe von Google konnte Bundesinnenministerin Nancy Faeser im Februar 2022 erstmals direkten Kontakt zu den Betreibern des Messengers Telegram herstellen. Der Dienst ist umstritten, weil dort mitunter Gewaltaufrufe geteilt und illegale Drogen zum Kauf angeboten werden. Daher hatte Faeser von dem in Dubai ansässigen Unternehmen eine bessere Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden gefordert.
Während die Telegram-Führung bei dem Gespräch im Februar eine hohe Kooperationsbereitschaft signalisiert haben soll, werden jetzt auch die Nutzer:innen dazu befragt. Im Rahmen einer Abstimmung, die an alle deutschen Telegram-Nutzer:innen verschickt wurde, fragt das Unternehmen, wie weit die Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt ihrer Meinung nach gehen soll.
Telegram-Umfrage: 34 Prozent lehnen Herausgabe von Daten auch mit Gerichtsbeschluss ab
Telegram gibt den Nutzer:innen vier Abstimmungsmöglichkeiten – von denen eine einer Enthaltung gleichkommt. Die erste entspricht dem derzeitigen Status quo und liegt zum jetzigen Zeitpunkt mit 41 Prozent vorne. Demnach würde Telegram Telefonnummern und IP-Adressen von Terrorverdächtigen nur dann weiterleiten, wenn ein entsprechender Gerichtsbeschluss vorliegt.
Bei der zweiten Option würde Telegram auf Anfrage der deutschen Polizei auch IP-Adressen und Telefonnummern von Verdächtigen einer schweren Straftat offenlegen, wenn kein Gerichtsbeschluss vorliegt. Derzeit kommt diese Option auf 21 Prozent der Stimmen.
Die dritte Option würde bedeuten, dass Telegram in keiner Weise mit den deutschen Strafverfolgungsbehörden kooperiert. Dann würde der Dienst auch Gerichtsbeschlüsse und damit das gesamte Rechtssystem der Bundesrepublik ignorieren. Diese Option ist zum jetzigen Zeitpunkt die zweitpopulärste Auswahlmöglichkeit. 34 Prozent der bislang mehr als eine Million befragten deutschen Telegram-Nutzer:innen sprechen sich dafür aus.
Auch interessant: So könnt ihr euren Telegram-Account löschen.
Telegram-Umfrage soll bis zum 5. September laufen
Laut Telegram bleibt die Umfrage bis zum 5. September 2022 offen. Bis dahin sollen die laut Schätzungen rund acht Millionen deutschen Nutzer:innen entscheiden können, ob und in welchem Umfang der Dienst in Zukunft mit den Strafverfolgungsbehörden kooperiert.
Sollte am Ende Option 3 die meisten Stimmen erhalten und Telegram sich auch an die Abstimmung halten, würde der Dienst ganz offen deutsches Recht ignorieren. Entsprechend dürfte die Reaktion des Staates ausfallen. Theoretisch wäre eine Blockierung des Dienstes möglich. Faeser hatte allerdings schon im Januar erklärt, dass eine Abschaltung von Telegram nicht das Ziel sei.
Außerdem dürfte sich ein solches Vorhaben auch als schwierig erweisen. Nachdem die russische Regierung versucht hatte, Telegram im eigenen Land zu blockieren, wich der Dienst immer wieder auf unterschiedliche Cloud-Plattformen aus. Als die russischen Behörden darauf mit weiteren IP-Sperrungen reagierten, wurden weite Teile des Internets in Mitleidenschaft gezogen.
Zwischenzeitlich waren daher Angebote wie Spotify oder Twitch in Russland nicht mehr erreichbar. Auch einige Websites der für die Sperrung zuständigen Behörde wurden versehentlich blockiert. Nach zwei Jahren gab Russland die Blockade-Bestrebungen daher wieder auf.
Druck könnte die Bundesregierung aber auch anders aufbauen. Bundesjustizminister Marco Buschmann hatte beispielsweise schon Anfang des Jahres angekündigt, dass geprüft werde, wo das Vermögen der Telegram-Betreiberfirma liegt.