Tesla: Was wir vom Siegeszug des Smartphones für die E-Mobilität lernen können
Dass die deutsche Autoindustrie einen solchen Ballast mit sich herumträgt, hat (neben den Altlasten auf der Seite der Verbrennungsmotoren) allerdings auch mit einer ganz anderen Denkweise und mit gänzlich anderen Workflows zu tun. Denn deren Entwicklungsabteilungen sind nun mal keine Softwareschmieden und entwickeln auch in vielen Fällen alles andere als agil. Doch das gute alte Wasserfall-Modell kann bei bestimmten Herausforderungen durchaus der richtige Weg sein, auch wenn insbesondere Softwarelösungen meist in kürzeren Sprints entstehen.
Etablierte Autohersteller müssen umdenken
Bei verschiedenen deutschen Automobilherstellern hat in der Vergangenheit jede Marke für sich und vor sich hin gecoded – und wenn man sich in einigen Punkten ausgetauscht und ergänzt hat, ging es oftmals darum, welche Abteilung sich hier profilieren und ihre Lösung durchsetzen kann. Und auch bei der zentralen Softwareentwicklung rund um das VW-OS, wie sie der Volkswagen-Konzern jetzt schaffen will, kämpfen zu viele um ihre Pfründe, wie wir anhand der personellen Querelen um Software-Chef Christian Senger gesehen haben, der nach nur zwei Wochen schon wieder abberufen werden sollte. Eine Struktur, in der der Betriebsrat derartig weitreichende unternehmerische Mitbestimmungsrechte hat, die weit über das Arbeitsrechtliche und Tarifliche hinausgehen und weit in unternehmerische Entwicklungsentscheidungen hineinreichen, kann man sich bei Tesla nicht vorstellen.
Tesla dagegen hat zwar das Problem, viel Know-how, über das die klassische Automobilindustrie schon seit Jahrzehnten mehr oder weniger souverän verfügt, erst einmal schaffen zu müssen, konnte dafür aber „from scratch“ in der Gestaltung ihrer Strukturen anfangen. Hinzu kommt eine deutlich kleinere Modellvielfalt, die (wir kennen das von Apple) Vieles leichter macht, wenn es um Kompatibiltät und den Rollout von Features geht.
Tesla wird nicht der einzige erfolgreiche Hersteller bleiben
Dass Tesla im Quartal der Coronakrise Gewinn macht, während andere von der Krise hart erwischt werden, ist dennoch nicht selbstverständlich. Das US-Geschäft, namentlich im Stammwerk Fremont und in Texas, könnte von der deutlich gravierenderen Coronalage in den USA noch deutlich mehr in Mitleidenschaft gezogen werden. Ob die aktuellen Erfolgsmeldungen daher anhalten, ist unklar. Das weiß auch Musk, der nicht ausgeschlossen hat, dass man die anvisierten Jahreszahlen noch einmal revidieren muss.
Tesla als Vorzeige-Company und Musk als Lichtgestalt mag als Narrativ so gut funktionieren wie das dynamische Duo Apple und Jobs. Zu erwarten ist aber auch, dass es in den kommenden Jahren mehr als nur einen Gewinner im Geschäft mit der Elektromobilität geben wird. Auch beim Siegeszug des Smartphones gab es nach Early Adopters Liebling, dem iPhone, das viele De-facto-Trends setzte, auch die Android-Welt, die immer weiter aufgeholt hat.
Spätestens wenn sich neben den Kunden, die locker die Preise eines Teslas zu zahlen bereit sind, um das optimale Produkt zu bekommen, auch preissensiblere Schichten für Elektroautos interessieren, wird es einen Markt mit vielen erfolgreichen Teilnehmern geben. Gleichzeitig werden aber auch viele Autohersteller, die den Schritt aus der Verbrennerwelt in Richtung E-Mobilität nicht schaffen, auf der Strecke bleiben. Und deshalb sollten sie jetzt dringend dazulernen und ihre alten Strukturen auf den Prüfstand stellen. Es wird in den nächsten Jahren nicht mehr in erster Linie um den stärksten Motor und die leistungsfähigste Hardware gehen, sondern auch um Software Skills und Services. Und viele Beispiele der IT-Wirtschaft der letzten Jahrzehnte zeigen, dass Unternehmen an diesem Wandel scheitern können, auch wenn sie noch so groß und führend in ihrem Segment sind.
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