Im Test: Smart #1 ist eines der spannendsten Elektroautos des Jahres
Wenn der Name Smart fällt, denkt jeder automatisch an den zweisitzigen Fortwo, der inzwischen Kultstatus genießt. Bereits in den 1980er-Jahren beschäftigte sich Mercedes-Benz mit der Idee eines kompakten Stadtwagens, gründete 1994 das Unternehmen Smart und brachte 1998 den Fortwo auf den Markt. Zum damaligen Zeitpunkt war der farbenfrohe, heckgetriebene Kleinstwagen, der bis 2004 noch als City-Coupé bezeichnet wurde und in jede Parklücke passte, ein echter Hingucker auf Deutschlands Straßen. Es folgten eine Cabriovariante, der viersitzige Forfour sowie der Smart Roadster.
All diese Modelle erfreuten sich bei Fans der Marke großer Beliebtheit. Was viele jedoch nicht wissen: Ein Erfolg war Smart für Mercedes-Benz nie. Im Gegenteil. Der Spiegel bezeichnete den Kleinstwagen gar als „größten Flop in der jüngeren Unternehmensgeschichte“, durch den der Konzern mehrere Hundert Millionen Euro verloren habe.
Und genau das soll mit dem neuen Smart #1 eben nicht mehr passieren. Aus diesem Grund hat sich die Marke für das vollelektrische Zeitalter neu erfunden. Geblieben ist der hohe Anspruch an Design und Qualität, aber passend zum Zeitgeist ist aus dem einstigen Kleinstwagen ein alltags-, ja sogar familientaugliches Kompakt-SUV geworden.
Smart #1: Ein kompaktes Elektroauto, das kaum Wünsche offenlässt
Mit einer Länge von 4,27 Metern und einer Breite von 1,82 Metern ist der neue Smart #1 in etwa so groß wie ein VW ID 3. Der Frunk, also der vordere Kofferraum, fasst 15 Liter, der hintere Kofferraum 323 Liter. Allerdings ist die Rücksitzbank nicht nur umklappbar, sondern kann auch verschoben werden. Auf diese Weise lässt sich das Kofferraumvolumen bei Bedarf vergrößern, was in Kombination mit der teilbaren Rücksitzbank (60:40) für maximale Flexibilität bei gleichzeitig optimaler Ausnutzung des Platzangebots sorgt.
Serienmäßig kommt der Smart #1 (ab 42.490 Euro) mit Heckantrieb und 200 Kilowatt (272 PS) daher. Von 0 auf 100 km/h geht es in 6,7 Sekunden. Die 66-Kilowattstunden-Batterie ermöglicht im WLTP-Zyklus eine Reichweite von 440 Kilometern. Wer gern sportlich unterwegs ist, greift zum Smart #1 Brabus (ab 48.990 Euro). Der zweimotorige Allradantrieb mit 315 Kilowatt (428 PS) katapultiert das vollelektrische Kompakt-SUV in 3,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Zum Vergleich: Selbst ein Porsche Taycan 4S braucht dafür vier Sekunden. Bezahlt werden muss diese enorme Performance allerdings mit der Reichweite, die auf 400 Kilometer (WLTP) sinkt.
Was den Smart #1 gerade als Elektroauto so interessant macht, ist die Ladeleistung. Wer auf der Langstrecke unterwegs ist, dem stehen 150 Kilowatt Gleichstrom (DC) am Schnelllader zur Verfügung. So dauert der Ladevorgang von 10 auf 80 Prozent SoC (State of Charge) weniger als 30 Minuten. Was allerdings für ein Elektroauto, das primär für die Stadt konzipiert wurde, noch viel wichtiger ist: An AC-Ladestationen kann mit bis zu 22 Kilowatt geladen werden. Die Zeiten, in denen das Auto fünf oder sechs Stunden an der Ladesäule stehen musste, bis die Batterie geladen war, sind damit vorbei.
Auch ansonsten geizt der Smart #1 nicht mit Ausstattung: Adaptive LED-Scheinwerfer, gestengesteuerte Heckklappe, Panoramadach, Ambientebeleuchtung mit 64 Farben und 20 Beleuchtungsstufen, 10-Zoll-Head-up-Display, Wärmepumpe, automatischer Parkassistent, 360-Grad-Surround-Kamera, Beats-Soundsystem und natürlich alle gängigen Fahrassistenzsysteme sind an Bord.
Smart #1: Durchdachter Innenraum mit viel Platz
Das Erste, was uns auffällt, als wir uns beim Smart #1 hinters Lenkrad setzen, ist das – für ein Fahrzeug dieser Größe – enorme Platzangebot. Das Kompakt-SUV ist ein echtes Raumwunder, vor allem auch, was die Kopf- und Beinfreiheit angeht. Selbst auf der Rücksitzbank können zwei Erwachsene ganz bequem sitzen.
Auch das mit dem Kofferraum hat Smart klug gelöst: Mit 323 Litern ist dieser zwar nicht riesig, aber wenn man beispielsweise beim Einkaufen mehr Platz braucht, schiebt man die Rücksitzbank einfach nach vorn, wodurch sich das Volumen auf 411 Liter erhöht. Das entspricht in etwa dem Kofferraumvolumen des gut 20 Zentimeter längeren Volvo XC40 Recharge Pure Electric. Übrigens: Der klassische Smart Fortwo brachte es gerade einmal auf 260 Liter.
Der Innenraum des Smart #1 wirkt sehr hochwertig, dominiert wird alles von dem 12,8 Zoll großen Touchscreen-Display, das letztendlich auch das Herzstück des Fahrzeugs ist. Das schmale 9,2-Zoll-Kombiinstrument hinter dem Lenkrad ist derweil anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, zeigt aber letztendlich alle Informationen an, die man braucht. Zumal der Blick meist ohnehin auf das großzügige Head-up-Display fällt.
Smart #1: Zuverlässiger Begleiter auf kurzen und langen Strecken
Und wie fährt er sich? Für unseren fünftägigen Test stand uns der Smart #1 Brabus zur Verfügung, der mit seinem Sportfahrwerk den Fokus vor allem auf dynamische Ausfahrten legt. Denn 428 PS und den 543 Newtonmetern Drehmoment muss man natürlich auch auf die Straße bekommen. Sobald man in den Brabus-Modus wechselt, wird sofort deutlich, wie viel Power in dem Kompakt-SUV steckt. Vor allem die Beschleunigung ist beeindruckend. Dennoch muss man sich darüber im Klaren sein, dass der Smart #1 letztendlich nicht als Sportwagen konzipiert worden ist, was man vor allem auf kurvigen Landstraßen merkt.
Wer nicht zwingend an jeder Ampel in 3,9 Sekunden auf 100 km/h beschleunigen möchte, fährt im Alltag mit Smart #1 Pro+ oder Premium günstiger und komfortabler. Zumal auch 6,7 Sekunden von 0 auf 100 km/h nicht zu verachten sind.
Vor allem fährt man damit auch weiter. In unserem Test, der unter anderem eine Fahrt nach Italien beinhaltete, belief sich der Stromverbrauch des Smart #1 Brabus im Durchschnitt auf etwa 20 Kilowattstunden pro 100 Kilometer. Daraus ergibt sich eine Alltagsreichweite von rund 330 Kilometern. Bei sommerlichen Temperaturen und zurückhaltender Fahrweise dürften auch 380 Kilometer machbar sein. Das ist ein guter Wert, macht die Performance-Version aber nicht zu einem Reichweitenwunder. Wer Wert auf Reichweite legt, greift deshalb besser zum Pro+ oder zum Premium, bei denen 400 Kilometer und mehr durchaus machbar sind.
Was das Thema Laden angeht, punktet der Smart #1 vor allem innerstädtisch – wo Schnelllader rar gesät sind – mit seinen 22 Kilowatt. Auf unserem Trip durch Italien haben wir das Kompakt-SUV einfach an einer der zahlreichen AC-Ladesäulen geparkt, während wir im Café frühstücken waren. Nach einer Stunde hatten wir bereits 33 Prozent mehr im Akku. Lässt man sich etwas mehr Zeit, kann man den Smart #1 auch bequem auf 80 Prozent laden. Gerade für diejenigen, die zu Hause keine Lademöglichkeit haben deshalb und auf die öffentliche Ladeinfrastruktur angewiesen sind, ist das ein riesiger Vorteil.
An den Schnellladern entlang der Autobahnen schaffte der Smart #1 in unserem Test zwar bei fast leerem Akku die versprochenen 150 Kilowatt, bereits ab 60 Prozent SoC waren aber nur noch um die 80 Kilowatt drin. Die angepeilte Ladezeit von unter 30 Minuten von 10 auf 80 Prozent SoC ist damit zwar machbar, aber dennoch besteht hier Optimierungsbedarf.
Smart #1: Bei der Software muss noch nachgebessert werden
Apropos Optimierungsbedarf: Die wohl größte Baustelle des Smart #1 ist derzeit noch die Software.
Die Entwickler haben sich große Mühe gegeben, ein zum Designanspruch des Fahrzeugs passendes User-Interface zu kreieren. Grundsätzlich ist ihnen das auch gelungen. Die verspielte Benutzeroberfläche ist intuitiv und der Fuchs als virtueller Assistent gibt dem Ganzen einen spielerischen Touch. Man hat unendlich viele Einstellungsmöglichkeiten und sogar ein Hundemodus, den man selbst beim zwei- bis dreimal so teuren Mercedes-Benz EQS vergebens sucht, wurde implementiert. Alles wirkt durchdacht und stimmig.
Leider hat die Software in der derzeitigen Version aber auch noch einige Macken. So wollte uns beispielsweise das Navi auf der Langstrecke nach 280 Kilometern an eine 22-Kilowatt-Ladesäule schicken, anstatt zu einem Schnelllader. Das darf nicht passieren, denn gerade in Zeiten, in denen viele Menschen dem Thema Elektromobilität noch immer skeptisch gegenüberstehen, ist eine zuverlässige Ladeplanung essenziell.
Auch die Fahrassistenzsysteme sind noch ausbaufähig. So erkannte der Smart #1 auf unserer Fahrt auf der Autobahn plötzlich Tempo 40 und begann von 130 km/h runterzubremsen. Das adaptive Fernlicht ist ebenfalls sehr „nervös“, was bei Nachtfahrten schnell irritierend sein kann.
All diese Dinge lassen sich problemlos mit einem Over-the-Air-Softwareupdate beheben – und sind Smart auch bekannt. Aber das Update sollte schnell kommen, denn die ersten Fahrzeuge werden bereits ausgeliefert, und wer zwischen 42.000 und 48.000 Euro für den Smart #1 ausgibt, hat freilich auch eine entsprechende Erwartungshaltung.
Smart #1: Eines der spannendsten Elektroautos des Jahres
Der Smart #1 zählt definitiv zu den spannendsten und vielversprechendsten Elektroautos, die in diesem Jahr auf den Markt kommen. Obwohl er recht kompakt ist, bietet der #1 durch seinen durchdachten Innenraum unglaublich viel Platz, was ihn zum perfekten Begleiter im Alltag macht, auch für Familien. Er ist eben gerade kein reines Stadtauto für Singles mehr, wie es der Fortwo war – und das ist auch gut so.
Mit 350 bis 400 Kilometern Reichweite und 22 Kilowatt AC- beziehungsweise 150 Kilowatt DC-Ladeleistung fühlt sich der Smart #1 im urbanen Raum ebenso wohl wie auf der Langstrecke. Was die Ausstattung angeht, steht das Kompakt-SUV den meisten Oberklassefahrzeugen in nichts nach, sei es in Bezug auf das Head-up-Display, das Beats-Soundsystem, das großzügige Panoramadach oder die unzähligen Assistenzsysteme.
Wenn es Smart nun noch kurzfristig gelingt, die Softwareprobleme in den Griff zu bekommen, dürfte der der Smart #1 ein echter Verkaufsschlager werden – nicht zuletzt aufgrund der vergleichsweise günstigen Leasingkonditionen. Zum Verkaufsstart jedenfalls war die erste Produktionscharge innerhalb weniger Stunden vergriffen.
42000+ für einen („dank“ Elektro) alltagsuntauglichen Wagen?
Haben die eigentlich alle einen Dachschaden?