Tiktok als Google-Alternative: Wie sich die Plattform als Suchmaschine schlägt – und welche Probleme es gibt
Laut einer im April 2024 veröffentlichten Studie des US-amerikanischen Marktforschungsunternehmen YPulse beginnen 21 Prozent der 18- bis 24-Jährigen ihre Suche nicht auf Google, sondern auf der Videoplattform Tiktok. Eine im März desselben Jahres von Adobe veröffentlichte Studie kam zu dem Ergebnis, dass jeder zehnte Angehörige der Generation Z – als der Geburtenjahre 1995 bis 2010 – häufiger Tiktok als Google für die Internet-Suche verwenden.
Die Vorstellung, ein soziales Netzwerk anstelle einer Suchmaschine zu verwenden, – erst recht eine für Videoinhalte – verwirrt mich. Aber vielleicht bin ich einfach zu alt. Millennial wie ich machen auf der vorwiegend von Gen Z frequentierten Plattform Tiktok nur eine Minderheit aus.
Statt mich aber von vorgefertigten Meinungen über eine chinesische Kontrolle der Plattform und tanzende Hinterbänkler davon abbringen zu lassen, und als Digitalrentner davon zu berichten, wie wir früher Altavista benutzt haben, versuche ich es einfach selbst. Wer weiß, vielleicht lässt sich Tiktok doch als sinnvolle Quelle zur Informationsgewinnung nutzen.
Tiktok statt Suchmaschine: In wenigen Suchen zur ersten Fake News
Der US-Präsidentschaftswahlkampf ist in vollem Gange. Also beginne ich mein Suchexperiment mit dem Begriff „US-Wahlkampf“. Über den Ergebnissen weist mich ein Schriftzug an, Informationen zur Wahl doch bitte selbst anhand zuverlässiger Quellen zu verifizieren.
Mir schwant Böses, die oberen Videoergebnisse sind dann aber alles in allem doch ganz okay. Ein CSU-Landtagsabgeordneter nimmt die US-Wahlen als Negativbeispiel, ein mir unbekannter Tiktoker erklärt, welchen Einfluss die Fans von Popsängerin Taylor Swift auf das Wahlergebnis haben könnten, und zwei Tagesschau-Moderatorinnen geben in einem offenbar eigens für Tiktok produzierten Clip Informationen zur Wahl. Eine Vergleichssuche bei Google bleibt zwar informativer, aber alles in allem hatte ich Schlimmeres erwartet.
Bei der Suche nach den Präsidentschaftsanwärter:innen selbst kommt die Social-Media-Logik vollends zum Tragen: Weil beide Kampagnen Tiktok-Accounts für den Wahlkampf betreiben, führen Suchen nach Donald Trump und Kamala Harris erst mal zu selbst geteilten Clips der beiden Kandidat:innen. Das erscheint mir grundsätzlich okay, steht aber in einem krassen Unterschied zu der Google-Suche, die auf beide Namen vor allem Nachrichtenbeiträge und den jeweiligen Wikipedia-Eintrag ausspuckt.
Wirklich schwierig wird es erst, als ich mich von Tiktok leiten lassen und unter „Andere suchten nach“ auf breaking news today 2024 klicke. Ein Video zeigt mir den brennenden Big Ben und für einen kurzen Moment glaube ich, eine wichtige Meldung aus London verpasst zu haben. Eine schnelle Google-Recherche verrät mir dann allerdings, dass es sich um ein KI-generiertes Fake-Video handelt, das bereits Anfang 2024 für Verwirrung gesorgt hat.
Ich bin erleichtert. Als Nachrichtenquelle ist Tiktok damit für mich jedoch disqualifiziert. Aber vielleicht nutzen die in den Studien erwähnten jungen Leute gar nicht für solche Suchanfragen. Wer weiß, vielleicht überzeugt mich die Tiktok-Suche abseits von Politik und Nachrichtengeschehen doch noch.
Jetzt weiß ich immerhin, wie viel öffentliche Toiletten in Tiflis kosten
Wenn ich eine Reise plane, dann führt der Weg über die Google-Suche meist zunächst auf Wikipedia, dann zu Landschaftsbildern und Reiseberichten. Als visuelles Medium sollte Tiktok in dem Fall eigentlich ganz gut funktionieren und weil ich mich seit geraumer Zeit mit dem Gedanken trage, Georgien zu bereisen, suche ich nach der Hauptstadt Tiflis.
Die Ergebnisse bestehen aus kurzen Reiseberichten, Tipps für Touristen und Landschaftsaufnahmen. Damit habe endlich etwas gefunden, für das die Tiktok-Suche etwas taugt. Dass mich nicht jeder Clip überzeugt, mir etwa egal ist, wie viel ein Tiktoker an einem Tag in Tiflis für Getränke, Essen und öffentliche Toilette bezahlt hat, geschenkt. Auch auf Google dürfte mich nicht ansatzweise jeder Suchtreffer interessieren.
Ich probiere es im Anschluss mit ein paar Tech-Begriffen: KI, iPhone, Windows 11. Hier gibt es Tipps und Meinungsbeiträge. Keines der gesichteten Videos geht übermäßig in die Tiefe, die oberen Videos scheinen aber allesamt solide.
Bei der Suche nach Rezepten zeigt sich ein ähnliches Bild und ich versöhne mich ein wenig mit der Vorstellung, dass Menschen auf der Videoplattform nach Informationen suchen, statt das weltweite Web anzuzapfen.
Im Gegensatz zum Web bleibt Tiktok aber eine geschlossene Plattform, die zudem erst seit 2016 existiert. Das zeigt sich auch bei einigen Suchergebnissen. Eine Suche nach dem vorwiegend in den 1960er und 70er Jahren aktiven Regisseur Damiano Damiani findet sich nur ein Clip in den oberen Ergebnissen, der tatsächlich etwas mit ihm zu tun hat. Eine Websuche wäre deutlich ergiebiger.
Schon alleine deshalb hat sich meine Meinung nicht geändert. Tiktok ist – wie jede andere Social-Media-Plattform – schlicht keine wirklich gute Anlaufstelle für eine Suche. Solltet ihr das anders sehen, auch okay. Vielleicht bin ich am Ende doch einfach zu alt.