
Wenn man mit den Gegnern der Elektromobilität diskutiert, heißt es früher oder später: „Man will ja auch mal in den Urlaub fahren! Das geht mit einem Elektroauto doch gar nicht! Dafür ist die Reichweite viel zu gering und die Infrastruktur zu schlecht!“ Diese Argumentation kommt meistens von Menschen, die täglich 30 Kilometer zur Arbeit pendeln und einmal im Jahr ihren 500 Kilometer entfernt lebenden Schwippschwager besuchen.
Aber darauf wollen wir jetzt gar nicht erst eingehen. Vielmehr haben wir uns die Frage gestellt, was passiert, wenn man mit einem Elektroauto einfach mal für sechs Tage in den bayerischen Wald fährt, ohne vorher die Ladeinfrastruktur vor Ort zu überprüfen. Die Erwartungshaltung vieler: Wir bleiben irgendwo auf einer Straße mitten im Wald liegen, weil es nirgendwo Ladesäulen gibt, und müssen vom zufällig vorbeikommenden Bauern abgeschleppt werden. Die Realität: alles gar kein Problem.
Aber der Reihe nach.
Der Weg in den Urlaub: Schnellladestationen allerorten
Zu Hause laden wir den Akku des Mercedes-Benz EQC (Test) noch einmal randvoll mit Strom aus der Photovoltaikanlage, bevor wir uns auf die 400 Kilometer lange Reise in den Bayerischen Wald begeben. Unser Plan sieht vor, nach etwa 300 Kilometern eine kurze Ladepause bei Ionity einzulegen und die Batterie noch einmal vollzuladen. Da wir nicht wissen, was uns am Zielort erwartet, wollen wir nicht mit leerem Akku ankommen. Sicher ist sicher.
Entlang der Autobahnen hat sich in den vergangenen Jahren viel getan. Nahezu an jeder größeren Raststätte befinden sich inzwischen Schnellladestationen von Ionity, EnBW oder Fastnet. Hier muss sich niemand mehr Gedanken darüber machen, irgendwo mit leerem Akku liegenzubleiben. Zwar kommt es immer mal wieder vor, dass eine Ladesäule defekt ist, aber die meisten Ladeparks verfügen inzwischen mindestens über sechs bis zehn Ladeplätze. Von daher ist auch das kein Problem.
An dieser Stelle kommt von Elektroauto-Gegnern häufig das Argument, dass die Ladeplätze bald nicht mehr ausreichen, wenn immer mehr vollelektrische Fahrzeuge auf unseren Straßen unterwegs sind. Dabei wird völlig verkannt, dass die meisten Elektroautos – wie auch die meisten Verbrenner – fast ausschließlich auf Kurzstrecken bewegt werden und nur selten eine Schnellladestation entlang der Autobahn zu Gesicht bekommen. Die Wahrscheinlichkeit, dass alle zehn Schnellladesäulen an einer Raststätte zeitgleich belegt sind, ist äußerst gering. Und falls die Auslastung tatsächlich rapide zunimmt, werden eben weitere Stationen gebaut. Zumal man nicht vergessen darf, dass viele Navigationssysteme bereits heute intelligent genug sind, den Status und die Verfügbarkeit einer Ladesäule vorab zu prüfen und gegebenenfalls Alternativen vorzuschlagen.
Kurz bevor wir weiterfahren, treffen wir noch eine Familie, die mit dem Skoda Enyaq IV ebenfalls gerade auf dem Weg in den Urlaub ist. Die Ladepause von 20 bis 30 Minuten sei perfekt, erzählt uns die Mutter. Gerade genug Zeit, um die Toilette aufzusuchen und einen kurzen Snack zu sich zu nehmen. Und ohnehin sei man auch mit dem Verbrenner nie ohne Pausen in den Urlaub gefahren, ergänzt der Vater.

Schnellladesäulen sind inzwischen an allen großen Raststätten entlang deutscher Autobahnen zu finden. (Foto: Frank Feil)
Laden ist auch im ländlichen Raum kein Problem mehr
Knapp eineinhalb Stunden später kommen wir mit einer Restreichweite von 280 Kilometern an unserem Zielort an. Unser Ferienhaus verfügt leider über keine eigene Ladestation. Allerdings erklärt uns die Vermieterin, dass die Wallbox aufgrund der zunehmenden Nachfrage bereits bestellt sei und in den kommenden Wochen installiert werde. Sie bietet uns an, den EQC an der Außensteckdose ihres Restaurants zu laden. Wir wollen wegen ein paar Kilowattstunden aber keine Umstände machen und lehnen dankend ab.
Nach ein paar kürzeren Tagesausflügen wird es am vierten Tag dann doch Zeit, den EQC zu laden. Praktischerweise verfügt das Rathaus der Ortschaft, in der wir unsere Wanderung beginnen, über zwei AC-Ladeplätze. Bezahlt werden kann bequem mit EnBW Mobility Plus. Zwar stehen hier nur maximal elf Kilowatt Ladeleistung zur Verfügung, aber nach einer mehrstündigen Wanderung ist die Batterie dennoch wieder gut gefüllt.
Einen Tag vor unserer Abreise entdecken wir knapp 20 Minuten fußläufig von unserem Ferienhaus eine öffentliche „Elektro-Tankstelle“ neben der Touristeninformation. Laden kann man hier kostenlos, allerdings wurden lediglich provisorisch drei Schuko-Steckdosen montiert. Mit einer Ladeleistung von 2,1 Kilowatt dauert die Ladung natürlich ewig und lohnt sich nur, wenn man das Fahrzeug über Nacht angeschlossen lässt. Da wir das Auto an dem Tag aber ohnehin nicht mehr brauchten, taten wir genau das. Innerhalb von 24 Stunden flossen trotz der geringen Ladeleistung knapp 50 Kilowattstunden in den EQC. Das entspricht in etwa einer Ladung von 40 auf 100 Prozent.

Eine improvisierte „Elektro-Tankstelle“ im Bayerischen Wald. (Foto: Frank Feil)
Der Ausbau der Ladeinfrastruktur schreitet schnell voran
Natürlich kann man jetzt lamentieren, dass zwei Ladeplätze für einen ganzen Ort nicht genug sind und Angebote wie die „Elektro-Tankstelle“ mit drei Haushaltssteckdosen nur eine Spielerei. Tatsächlich zeigen diese Beispiele aber ganz gut, dass die Elektromobilität inzwischen überall angekommen ist und jede Gemeinde zumindest versucht, dieser Entwicklung Rechnung zu tragen.
In den nächsten Monaten werden immer mehr Hotels, Restaurants und Supermärkte in eigene Ladelösungen investieren – ganz einfach deshalb, weil es zunehmend zum Wettbewerbsvorteil wird. Selbiges gilt für die Gemeinden. Sobald die zwei Ladeplätze vor dem oben genannten Rathaus regelmäßig ausgelastet sind, werden die Verantwortlichen weitere Ladestationen installieren.
Sicherlich wäre es toll, wenn jetzt schon in jedem Dorf an jeder Ecke eine Ladestation stehen würde, aber die Entwicklung von Infrastruktur braucht eben ihre Zeit.
Danke für den Bericht.
Mitte August steht für mich auch mal die erste Urlaubsfahrt mit meinem Elektro-Twingo an. Es werden knapp 600km zu meiner Oma. Ich rechne mit 3-4 Ladestopps auf dem Weg, natürlich nehme ich auch weniger.
Bin noch am überlegen ob ich das interne Navi nutze oder einen auf Sparfuchs mache und mir eine Route nur mit kostenlosen Lademöglichkeiten raussuche.
Endlich mal eine realistische Beschreibung der Wirklichkeit. Ich erlebe seit 2013 als E-Fahrer die stetige Verbesserung life mit. Es ist inzwischen tatsächlich kein Problem mehr mit dem E-Auto Urlaub zu machen.
Seitdem das so ist funktioniert es auch (jedenfalls bei mir) gar keinen Verbrenner mehr zu haben.
Danke für diesen Artikel von euch.
Danke für das Feedback! :)