Warum die Varta-Rettung auf dem Rücken der Kleinanleger ausgetragen wird – und was du daraus lernen kannst

Varta ist einSanierungsfall. (Foto: Shutterstock)
Für Varta-Aktionäre ist die Welt gerade verdreht: Wird das Unternehmen gerettet, droht ihnen der Totalverlust. Denn der angeschlagene Batteriehersteller hat am Samstag einen Sanierungsplan vorgelegt, der zwar den Einstieg des Autobauers Porsche und die Aufnahme frischen Kapitals vorsieht. Doch Kleinanleger:innen sollen aus dem Unternehmen herausgedrängt werden.
So soll Varta gerettet werden
Der Batteriehersteller hat beim Amtsgericht Stuttgart ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren nach dem Restrukturierungsgesetz StaRUG angemeldet. Das Verfahren soll die Insolvenz verhindern, das Unternehmen muss aber einen konkreten Plan zur Sanierung vorlegen.
Konkret hat sich Varta mit Kreditgebern, einigen Schuldscheindarlehensgläubigern und Investoren auf diesen Plan geeinigt: Es wird einen Schuldenschnitt geben und Kredite werden verlängert, wodurch die Verbindlichkeiten von bislang 485 Millionen Euro auf künftig 200 Millionen Euro verringert werden. Gleichzeitig wird der Sportwagenhersteller Porsche bei Varta einsteigen. Dabei wird das Eigenkapital zunächst auf null abgesenkt, das Unternehmen verliert seine Börsennotierung und die Aktionäre ihr Geld.
Einzige Ausnahme: Varta-Mehrheitseigner Michael Tojner. Er wird sich danach gemeinsam mit Porsche weiter an Varta beteiligen. Im Zuge einer Kapitalerhöhung von 60 Millionen Euro werden Tojners Gesellschaft MT InvestCo sowie eine Beteiligungsgesellschaft von Porsche mit jeweils 30 Millionen Euro einsteigen.
Die Aktionäre können gegen diesen Plan wenig tun. Seitens der Gläubiger ist eine Zustimmung von 75 Prozent zum Sanierungsplan nötig. Laut StaRUG dürfen sie durch die Sanierung zwar nicht schlechter gestellt werden als im Insolvenzfall. Da sie als Eigentümer des Unternehmens aber auch dann alles verlieren würden, entsteht ihnen durch die Abwertung der Aktien auf null kein Nachteil im Sinne des Gesetzes. Der Sanierungsplan muss noch vom Gericht bestätigt werden – und das kann einige Monate dauern.
Die Aktionäre sollen raus
Wird der Plan umgesetzt, sind die Aktionäre raus. Denn ihr Ausschluss bei den Bezugsrechten im Rahmen der Kapitalerhöhung ist im StaRUG-Verfahren zwar nicht ausdrücklich vorgesehen – aber eben auch nicht verboten.
Mehrheitseigentümer Tojner begründete das Herausdrängen der Aktionäre damit, dass ein Prospekt nötig wäre, um frisches Kapital bei bestehenden Aktionären einzuwerben. Das sei bei Varta aber schwierig, weil das Unternehmen aufgrund eines Hackerangriffs vor einigen Monaten nicht in der Lage ist, eine Bilanz vorzulegen.
Tojner ist bei Varta nicht nur Großaktionär, sondern auch Aufsichtsratsvorsitzender. Seine Rolle im Unternehmen sehen Aktionärsschützer:innen daher auch kritisch.
Anleger:innen wollen klagen
Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DWS) hat bereits angekündigt, rechtliche Schritte gegen Varta einleiten zu wollen. Sie will den Sanierungsplan noch vereiteln. Sollte er doch in die Tat umgesetzt werden, drohen die Aktionärsschützer mit Klagen.
Sie kritisiert, dass der Plan massiv in die Eigentumsrechte der übrigen Aktionäre eingreift und stellen außerdem infrage, ob Tojner in seiner Doppelrolle ein sachgemäßes Risikomanagement im Sinne aller Aktionäre betrieben hat.
Viel Kritik gibt es jetzt auch ganz grundsätzlich am erst 2021 eingeführten StaRUG-Verfahren, da es die kalte Enteignung der Aktionäre ermöglicht.
Warum hat Varta Probleme?
Beim Börsengang im Oktober 2017 war die Aktie ein Erfolg und startete mit 24,50 Euro in den Handel, zeitweise war sie über 160 Euro wert. Doch spätestens ab 2022 schlugen sich die Probleme des Unternehmens auch im stark sinkenden Aktienkurs nieder.
So hatte man sich bei der Produktion von Lithium-Ionen-Knopfzellen für Kopfhörer zu sehr darauf verlassen, exklusiver Lieferant für Apples Airpod Pro1 zu sein, heute kämpft Varta in dem Segment mit Billig-Konkurrenz aus China sowie Problemen in den Lieferketten.
Auch die großen Hoffnungen auf ein florierendes Geschäft mit Autobatterien und Vartas schnell ladbaren Zelle V4Drive haben sich bisher nicht erfüllt – obwohl das Unternehmen Porsche als Großkunden gewinnen konnte.
Zu allem Überfluss attackierten Hacker im Februar dieses Jahres das Unternehmen und legten die Produktion wochenlang lahm. Ein Umstrukturierungskonzept, das den Batteriehersteller bis Ende 2026 wieder auf einen Wachstumskurs führen sollte, reicht nun nicht mehr aus, wie Varta im April mitteilte.
Was können Varta-Aktionäre jetzt noch tun?
Seit der Ankündigung des Sanierungsplans am Wochenende ist die Varta Aktie nur noch etwas für Zocker. Am Montag fiel der Aktienkurs, der ohnehin nur noch bei knapp 4 Euro lag, auf 86 Cent. Danach gab es aber noch mal Bewegung, wohl auch weil Daytrader sich mit der Aktie beschäftigen. Seitdem pendelt der Kurs bei knapp 2 Euro.
Varta-Anleger:innen müssen wahrscheinlich damit leben, dass ihre Aktien wertlos ausgebucht werden. Ihnen bleibt die Möglichkeit, rechtliche Schritte einzuleiten – doch Klagen in solchen Fällen ziehen sich oft lange hin. Ob die Aktionäre am Ende entschädigt werden, ist ungewiss.
Steuerlich können die Verluste bis zu einer Höhe von 20.000 Euro pro Jahr mit Aktiengewinnen verrechnet werden. Höhere Verluste können über die Folgejahre gestreckt angerechnet werden.
Der Fall Varta zeigt aber vor allem, wie schnell aus einem gehypten Börsenstar ein Reinfall werden kann: Das Versprechen auf hohe Renditen birgt immer auch ein hohes Verlustrisiko. Grundsätzlich ist eine Stock-Picking-Strategie, also das Investieren in Einzelaktien, immer risikoreicher, als das breite Investieren in den Aktienmarkt, beispielsweise über einen Exchange Traded Funds (ETF).