Mehr Wachstumskapital, weniger Bürokratie: Was Gründer jetzt von der Politik erwarten

Erfolgreiche Gründer:innen sind vom Standort Deutschland enttäuscht. Laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom würden nur 47 Prozent der besonders erfolgreichen Gründer:innen ihr Geschäft nochmal in Deutschland aufbauen. Knapp ein Viertel (24 Prozent) würde sich stattdessen für die Gründung in den USA entscheiden. Zwölf Prozent gäben einem anderen EU-Land den Vorzug, und weitere zwölf Prozent würden anderswo auf der Welt gründen.
Ein Großteil glaubt auch nicht daran, dass sich die Standortbedingungen in Deutschland in den kommenden zwölf Monaten eklatant verbessern werden. Nur etwa ein Drittel (29 Prozent) denkt, Deutschland werde dann ein attraktiverer Standort für Tech-Unternehmen sein.
Befragt wurden 17 Gründer:innen deutscher Unicorns, also Jungunternehmen mit einer Bewertung von über einer Milliarde Euro, die noch im Management aktiv sind. Dabei sind Gründer:innen doch eigentlich Berufsoptimisten; ihre kritischen Einschätzungen zum Startup-Standort Deutschland „müssen daher aufhorchen lassen“, meint Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst.
Mehr Startups, mehr Risikokapital
Dabei war 2024 im Vergleich zum Vorjahr endlich mal wieder ein positives Jahr für die Gründerszene – zumindest beim Blick auf die Zahlen. So stieg die Anzahl der Gründungen um elf Prozent. Besonders im Bereich DeepTech – darunter KI, Hardware, Biotech und ClimateTech – gab es mehr neue Unternehmen. Mit 618 Neugründungen boomte vor allem der Software-Sektor: Jedes fünfte neue Startup entstand in diesem Bereich.
Auch das Finanzierungsumfeld hat sich leicht entspannt. So konnten sich Startups 2024 wieder mehr Risikokapital sichern, wie Daten der Beratungsgesellschaft EY zeigen: Mit rund sieben Milliarden Euro stiegen die Risikokapital-Finanzierungen im Jahr 2024 um 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Allerdings folgt dieser Anstieg einem starken Abwärtstrend der letzten zwei Jahre und geht vor allem auf die steigende Zahl großer Investitionsrunden zurück.
Die größten Deals sicherten sich Tech-Startups wie das KI-Startup Helsing aus Bayern (450 Millionen Euro), das Online-Übersetzungs-Tool DeepL aus Köln (277 Millionen Euro) und die Chipfirma Black Semiconductor aus Aachen (250 Millionen Euro). Insgesamt rund 2,2 Milliarden Euro (200 Millionen mehr als im Vorjahr) gingen an Jungunternehmen aus dem Bereich Software und Analytics.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die durchschnittliche Mitarbeiterzahl in Startups 2024 gesunken ist, von 18,9 auf 16,7. Das deutet darauf hin, dass die wirtschaftliche Lage vieler Gründer immer noch angespannt ist. Laut dem Startup-Monitor fokussieren sich die meisten deutschen Startups gerade verstärkt auf Profitabilität (78,8 Prozent) statt auf schnelles Wachstum (54 Prozent). Immerhin blickt aber ein Großteil positiv ins neue Jahr und erwartet bis Ende 2025 eine Verbesserung der Geschäftslage.
Startup-Verband fordert Strategie 2.0
Branchenvertreter sehen trotzdem noch viele Baustellen, wenn es um den Standort Deutschland geht. Die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP hatte in ihrer Legislaturperiode zwar schon Erleichterungen für Jungunternehmen auf den Weg gebracht. So wurde etwa die Einwanderung von Fachkräften sowie die Kapitalbeteiligungen von Mitarbeiter:innen erleichtert.
Mit der sogenannten WIN-Initiative gibt es bereits einen Zusammenschluss von Banken, Versicherungen, Vermögensverwaltern, Börsen, Wirtschaftsverbänden und der Bundesregierung, die bis 2030 rund zwölf Milliarden Euro in den Start-up-Sektor investieren soll. Das Geld wird vor allem für „Scale-ups“ locker gemacht, also Startups, die bereits über ein funktionierendes Geschäftsmodell verfügen, beim Wachstum helfen. So soll das Venture-Capital-Umfeld mehr dem entsprechen, was Startups in den USA oder Frankreich vorfinden, indem etwa Privatpersonen sowie große Versicherer und Pensionskassen leichter investieren können. Das große Ziel: Die Finanzierungslücken im Startup-Ökosystem stopfen.
Doch von einer neuen Bundesregierung erwartet der Startup-Verband mehr. Er fordert eine Startup-Strategie 2.0. Auf der Wunschliste stehen dabei unter anderem Rahmenbedingungen, die mehr Kapital für Jungunternehmen mobilisieren, etwa durch größere Anreize für Venture Capital, den Ausbau der WIN-Initiative sowie attraktive Exit-Kanäle für Startups. Auch eine stärkere Förderung von DeepTech, der Bürokratieabbau und eine bessere Digitalisierung der Verwaltung sind dem Verband wichtig.
Wichtigste Forderung: Bürokratieabbau
Das deckt sich mit der wichtigsten Forderung der vom Bitkom befragten erfolgreichen Gründer:innen. Die erfahrenen Startup-Chef:innen wünschen sich vor allem einen Bürokratieabbau (76 Prozent), damit mehr Zeit und Ressourcen für die Weiterentwicklung des Unternehmens und der Produkte eingesetzt werden können.
Außerdem braucht es aus ihrer Sicht eine weitere Harmonisierung des EU-Binnenmarkts, um den jungen Unternehmen den Eintritt in neue Märkte zu erleichtern (41 Prozent). Weitere 35 Prozent wünschen sich zudem komplett digitalisierte Visaverfahren, um leichter ausländische Fachkräfte von außerhalb der EU gewinnen zu können, sowie einen besseren Zugang zu institutionellem Wachstumskapital.
Was versprechen die großen Parteien den Startups?
Im laufenden Bundestagswahlkampf nehmen sich die großen Parteien durchaus den Forderungen aus der Startup-Szene an. Die Schlagworte „Bürokratieabbau“ und „Innovationsförderung“ finden sich in fast allen Wahlprogrammen.
So will die CDU/CSU Startups etwa mit einer sogenannten „Gründerschutzzone“ unterstützen, in der bürokratische Vorschriften gelockert und der Gründungsprozess erleichtert werden. Auch der Zukunftsfonds soll erweitert und steuerliche Bedingungen attraktiver gestaltet werden, etwa mit höheren Freibeträgen für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen.
Auch die SPD plant für den Fall des Wahlgewinns Maßnahmen, die Startups das Leben erleichtern sollen. So soll es einen „Deutschlandfonds“ mit einem Volumen über 100 Milliarden Euro geben, in dem Staat und private Geldgeber gemeinsam „bürokratiearm“ investieren können, ob nun per Darlehen oder als Beteiligung. Auch sie plant einen Bürokratieabbau sowie die Digitalisierung von Dokumentations- und Berichtspflichten und steuerliche Entlastungen für Unternehmen, etwa wenn diese in Maschinen und Geräte investieren.
Die FDP will es vor allem Versicherern und Pensionsfonds leichter machen, in Aktien und Venture Capital zu investieren, sodass mehr privates Kapital in die Startup-Szene fließen kann, etwa indem der steuerlichen Regeln verbessert werden. Neben einem generellen Bürokratieabbau will sie sich auch für eine Finanzmarktregulierung einsetzen, die Wettbewerbsfähigkeit fördert, etwa für Fintech- und Krypto-Unternehmen.
Bündnis 90 /Die Grünen würde gerne einen „One-Stop-Shop“ für Gründer:innen als zentrale Beratungsstelle etablieren, um ihnen den Gründungsprozess zu vereinfachen. Bei der Fortsetzung der WIN-Initiative der Bundesregierung sollen zudem bessere steuerliche, rechtliche und finanzielle Bedingungen für Startups entwickelt werden. Außerdem sollen Ausgründungen aus Hochschulen über die EXIST-Hochschulförderung auf mehr Universitäten ausgeweitet und Startups bei der Vergabe öffentlicher Aufträge besser berücksichtigt werden.
Bei der AfD wird die Startup-Förderung zwar nicht explizit angesprochen. Aber auch hier gehört der Bürokratieabbau zum Wahlprogramm. Bestehende Regeln sollen besser ausgestaltet und auf ihre Notwendigkeit überprüft werden.
Verena Pausder, Vorstandsvorsitzende des Startup-Verbands, wird in den kommenden Wochen in ihrem Podcast „Fast & Curious“ mit den Spitzenkandidaten von SPD, FDP, Grünen, CDU sowie Volt über ihre Pläne für Jungunternehmer:innen sprechen. Den Anfang hat Volt-Gründer Damian Boeselager bereits gemacht.