Warum die ARD/ZDF-Online-Studie die Öffentlich-Rechtlichen alarmieren sollte
Als Seismograph der (Online-) Mediennutzung hat sich die ARD/ZDF Online-Studie, die seit 1997 jährlich erhoben wird, über die Jahre entwickelt. Die 2022er Ausgabe ist jetzt erschienen und zeigt, dass das Internet in Deutschland immer intensiver und häufiger genutzt wird. 80 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren (das sind 57 Millionen Deutsche) sind täglich im Netz.
Umgekehrt ist die Gruppe der Offliner, also jener, die nicht mindestens wöchentlich im Netz unterwegs sind, auf 3,6 Prozent reduziert – es sind vor allem die Über-70-Jährigen, die hier dazugehören. Stark anwachsend ist die Audio- und Videonutzung; im Schnitt 160 Minuten pro Tag und damit 24 Minuten mehr als im Vorjahr werden in Deutschland Videostreams, Webradio und Podcasts genutzt.
Auf Videos (Youtube, Mediatheken und Streamingdienste) entfallen dabei 76 Minuten (plus zwölf Minuten). Im Bereich Audio ist es immerhin eine gute Stunde (63 Minuten, plus sechs Minuten).
Streamingdienste wie Netflix gewinnen an Bedeutung
Zunehmend genutzt werden auch die Streamingdienste wie Netflix und Amazon Video – 35 Prozent der Deutschen sind mindestens einmal die Woche bei Netflix. Das ist ein Wert, der insbesondere die TV-Verantwortlichen innerhalb der öffentlich-rechtlichen Sender alarmieren dürfte: Denn die Zuwachsraten liegen bei 9 beziehungsweise 14 Prozentpunkten für Netflix beziehungsweise Amazon Prime Video. Egal sein kann das den Anbietern des Programms nicht, auch wenn die Mediatheken von ARD und ZDF um jeweils vier Prozentpunkte zulegen.
Insgesamt haben die langen Nutzungszeiten aber vor allem auch mit den Mobilgeräten zu tun: Denn nachdem 2021 die mobile Internetnutzung nach dem Rückgang im ersten Coronajahr 2020 wieder leicht angestiegen war, wird 2022 mit 69 Prozent ein neuer Höchstwert bei der regelmäßigen Unterwegsnutzung erreicht (damit ist mindestens einmal pro Woche gemeint).
Facebook ist doch noch nicht tot, Tiktok ist im Kommen
Interessant ist auch der Blick auf die Social Media: Facebook liegt hier vor Instagram und Tiktok weiter vorn und hat im letzten Jahr noch einmal acht Prozentpunkte in der Nutzung hinzugewinnen können. Hinter Facebook und Instagram, die jeder und jede Fünfte täglich nutzt, liegen weit abgeschlagen Tiktok, Snapchat und Twitter. Die Wahrnehmung der Wichtigkeit von Facebook auf der einen Seite als schon nicht mehr relevant und Twitter auf der anderen Seite ist also vielleicht nicht ganz gerechtfertigt.
Auch wenn der Abstand zu den beiden Erstplatzierten groß ist, überrascht dagegen das Ergebnis von Tiktok: Acht Prozent sind hier täglich und weitere sechs Prozent mindestens einmal die Woche. Dabei haben andere Studien bereits nahegelegt, dass die tägliche Verweildauer hier oftmals noch höher ist als bei anderen Plattformen. Blickt man auf die Nutzung von Messengerdiensten, wird klar, dass Whatsapp von 68 Prozent der Studienteilnehmer täglich genutzt wird. Telegram, Signal und Threema landen dagegen mit fünf Prozent täglicher Nutzung weit hinten – auch wenn der Anstieg hier naturgemäß deutlich größer ist.
Audionutzung wandert immer mehr ins Netz
Ins Netz verlagert sich aber vor allem auch die Audionutzung: Immerhin zwei Drittel (67 Prozent) nutzen Audio im Netz, jeweils 30 Prozent die Radioprogramme live im Stream und 30 Prozent auch Podcasts (Doppelnennungen möglich). Doch 41 Prozent setzen auf externe Streamingdienste von Spotify bis Tidal – was den Radiomachern ebenfalls nicht egal sein dürfte.
Etabliert haben sich aber vor allem Podcasts, auch wenn diese nicht mehr ganz so stark wachsen wie in den Anfangsjahren der Pandemie. Die Gründe reichen hier von Hintergrundberichten über Lernwillen und aktuelles Zeitgeschehen bis hin zu Unterhaltung und Zeitvertreib. Interessant auch: Bestimmten Leuten wie Prominenten oder Influencern zuzuhören liegt dagegen eher hinten.
Unterm Strich zeigt all das, dass das Netz inzwischen zum wichtigsten Hub für Informationen in jeder Form geworden ist – sowohl im Hinblick auf die öffentlich-rechtlichen Inhalte, aber auch bei anderen Plattformen für Audio und Video. Für die öffentlich-rechtlichen Sender bedeutet das, dass sie sich abgesehen von jeder Gebührendiskussion, die wir hier mal außen vor lassen wollen, neu erfinden müssen.
Die aktuellen Entwicklungen rund um Reformen können da ein guter Anknüpfungspunkt sein. Zu diskutieren sein wird, was in Zukunft Sache des öffentlich-rechtlichen Systems ist und wo dieses im Hinblick auf Gebührenfinanzierung nichts zu suchen hat.