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Analyse

Twitter-Brand-Safety: Werbekunden können auf Musks Drohungen nicht anders reagieren

Einige große Unternehmen setzen Werbung bei Twitter aus, weil sie sich darüber sorgen, in welchem Umfeld ihre Marken vorkommen werden. Das ist kein Aktivismus, sondern die pure Notwendigkeit. Elon Musk zerstört mit seinen Drohungen binnen Tagen das Vertrauen, für das das Team jahrelang gearbeitet hat.

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Die Twitter-Zentrale in San Francisco. (Foto: Shutterstock)

Es war einmal mehr eine dieser Drohungen, für die Elon Musk berühmt ist: Der Twitter-Eigentümer wetterte am Wochenende gegen „Aktivisten“, die dem Dienst Werbekunden abspenstig machen würden. Musk drohte, die Werbekunden öffentlich bloßzustellen, die keine Anzeigen mehr auf der Plattform schalten.

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Der Techmilliardär reagierte damit auf den Vorschlag eines rechten Lobbyisten, er solle solche Firmen nennen, damit seine Anhänger sie mit einem „Gegenboykott“ belegen könnten. „Ein thermonukleares Benennen und Beschämen ist exakt das, was passieren wird, wenn das nicht aufhört“, so der Tweet des neuen Twitter-Eigentümers.

In den Marketingabteilungen vieler Werbekunden dürften in den letzten Tagen tatsächlich Krisensitzungen stattgefunden haben. Gehen oder bleiben, das sei für viele Brands und Markenverantwortliche die Frage der Stunde, wie durchaus auch aus Medienagenturkreisen in Deutschland zu hören ist. Vergangene Woche hatten unter anderem der Volkswagen-Konzern, der Pharmariese Pfizer sowie der Lebensmittelkonzern Mondelez angekündigt, Werbung bei Twitter aussetzen zu wollen. Das hat nicht unbedingt wie bei General Motors in den USA damit zu tun, dass die Konkurrenz zum Autobauer Musk und zu Tesla besteht, sondern bedeutet weit mehr.

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Das bringt Twitter und seinen neuen Eigentümer in Zugzwang. Denn der Verlust des Unternehmens beläuft sich schon jetzt laut Elon Musk auf rund 4 Millionen Dollar täglich – und das Zurückschrecken großer Werbekunden könnte dem Konzern noch deutlich stärkere Umsatzverluste einbringen. Anders als andere Digitalkonzerne hat Twitter es in der Vergangenheit kaum geschafft, weitere Standbeine neben der Werbung aufzubauen – rund 90 Prozent der Einnahmen resultieren (noch) aus der Werbung.

Social Media und User-generated Content als Pulverfass

Doch es sind nicht die von Musk heraufbeschworenen Aktivistengruppen, die dem Unternehmen mutwillig schaden, sondern es sind vielmehr die Werbekunden selbst, die gar nicht anders können, als ihr Engagement zu überdenken. Das Problem bei allen sozialen Medien, also genauso bei Facebook, Linkedin und Co.: Es ist noch deutlich schwieriger einzuschätzen, in welchem Werbeumfeld eine Anzeige erscheint – und es ist bei jedem Nutzer anders.

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Hatespeech und extreme politische Meinungsäußerungen, all das, was der neue Herrscher über das Twitter-Reich als Erweiterung der Meinungsfreiheit bezeichnet, ist zugleich eine Erweiterung des Risikos für die Brand-Safety der Unternehmen.

User-generated Content aller Art, aber noch mehr meinungsstarker Social-Media-Content, so formulieren es regelmäßig Markenverantwortliche auf Podien und Konferenzen, seien ein großes Risiko für Marken, ein regelrechtes Pulverfass. Die Teams der sozialen Netzwerke tun daher viel, um das Vertrauen der Unternehmen zu gewinnen – und die Entwicklungen der letzten Tage haben sicher nicht dazu beigetragen, dieses Vertrauen im Falle Twitters zu stärken.

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Elon Musk hat es vielmehr geschafft, binnen Tagen all das einzureißen, worum die Teams bei Twitter jahrelang gekämpft haben. Dass im Rahmen der großen Kündigungswelle – Medien hatten über rund 3.700 abgebaute Stellen und selbst für US-Verhältnisse ungewöhnlich rüde Formen der Kündigung berichtet – fast alle Experten für Menschenrechte und Ethik bei Twitter gefeuert worden sein sollen, ist da nur ein unerfreuliches Puzzleteil unter vielen.

Auch der offene Brief, den Musk in der vergangenen Woche an die Werbewirtschaft richtete, dürfte eher nicht zu deren Beruhigung beigetragen haben. Darin hieß es, Twitter werde kein Ort sein, an dem man sich ohne Konsequenzen alles erlauben könne. Auch am Wochenende betonte Musk, dass sich an den Inhalteregeln der Plattform bislang nichts verändert habe – über Veränderungen bei der Ausspielung und Visibility von Tweets, die viele größere Accounts zu erkennen glauben, äußerte er sich dagegen nicht.

Twitters konfuse Monetarisierungs­politik

Ändern wird sich auch der Umgang mit den Verifizierungshäkchen. Der Start des Abomodells mit den Häkchen, die in Zukunft nicht mehr wie bisher die Echtheit der Profile etwa von Prominenten, Politikern oder Unternehmen dokumentieren, wurde zwar für einige Tage wegen der US-Midterm-Wahlen ausgesetzt. Doch in einigen Tagen soll es sie für acht Dollar im Monat für Kunden des Abodienstes Twitter Blue geben.

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In welchem Umfang sich daraus Erlöse generieren lassen werden, ist unklar. Zwar hatte Twitter Ende Juni täglich knapp 238 Millionen aktive Nutzer. Wie groß der Anteil der Nutzer ist, die für ein solches Abo zu zahlen bereit sind, bleibt aber unklar. Unterdessen sorgte auch die Änderung eines Passus in der App, der offenbar aber noch nicht flächendeckend ausgerollt ist, für Aufregung: „Die Kontrolle, die du darüber hast, welche Informationen Twitter mit seinen Geschäftspartnern teilt, hat sich geändert“, heißt es da.

„Insbesondere wurde die Möglichkeit der Kontrolle über die Messungen der mobilen App-Werbung entfernt.“ Noch lässt sich nicht verifizieren, ob das auch für deutsche und EU-Konten vorgesehen ist und ausgerollt werden soll.

So oder so bleiben zahlreiche Baustellen, die sowohl die Werbetreibenden als auch viele Nutzer beunruhigen dürften und die den Charakter der Plattform verändern werden. Elon Musk lässt kaum einen Stein auf dem anderen. Ob er mit dieser Aktionswut allerdings mittelfristig für mehr Geschäftserfolg sorgt oder das soziale Netzwerk mit einem Zickzackkurs im Laufe der nächsten Monate nachhaltig schädigt, bleibt abzuwarten.

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Doch die Geschichte könnte noch deutlich weiter reichende Auswirkungen haben – dann nämlich, wenn die besagten Verluste (vier Millionen Dollar am Tag, wir erinnern uns) und die rund 44 Milliarden Dollar teure Übernahme, für die eine Vielzahl großer Banken Kredite gewährt haben, nicht in Einklang zu bringen sein sollten.

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