Wechat als Wunderwaffe: So begeistert die populäre App deutsche B2B-Unternehmen

Wer als B2B-Unternehmen auf sich aufmerksam machen möchte, benötigt außergewöhnliche Ideen und muss in der Lage sein, einen Bezug zur Lebenswirklichkeit der Menschen herzustellen. Der Roboterhersteller KUKA macht das, indem er betont: Ohne uns rollt kein VW vom Band. KRONES stellt klar: Ohne uns kommt die Cola nicht in die Flasche.
Facebook und Twitter spielen in China keine Rolle
Den meisten, der in Deutschland aktiven B2B-Unternehmen ist längst klar: Wer qualifiziertes Personal sucht, Zulieferer auf sich aufmerksam machen oder die Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung für bestimmte Produktionsprozesse erhöhen möchte, kommt um den Aufbau einer wirkungsvollen Online-Reputation nicht herum.
Während der Großteil der deutschen Unternehmen die Bedeutung westlicher Social-Media-Kanäle wie Facebook, Twitter oder Youtube einzuschätzen weiß, tut man sich mit chinesischen Netzwerken nach wie vor schwer. So kennen viele in Deutschland ansässige Marketing-Mitarbeiter Wechat nur vom Hörensagen − selbst wenn deren Unternehmen bereits seit Jahren auf dem chinesischen Markt vertreten sind. Dabei lohnt sich hier ein genauerer Blick: 768 Millionen Nutzer verwenden die App täglich – und das im Schnitt etwa 40 Minuten. Mehr als 200 Millionen User nutzen das Payment-System „Wechat-Wallet“.

Offizielle Accounts auf Wechat. (Screenshot: Wechat)
Wechat ist wie ein digitales Schweizer Taschenmesser
Wechat bietet Unternehmen die Möglichkeit, sich über „offizielle Accounts“ zu präsentieren. „Offiziell“ bedeutet dabei: Der Antragsteller benötigt eine chinesische Business-Lizenz, mit der er sich bei Tencent, dem Betreiber des Netzwerks, bewerben muss.
Subscription-Accounts (订阅号– ding yue hao) bieten eine geringe Anzahl an Features. Sie erlauben jedoch Firmen eine größere Zahl an Nachrichten zu veröffentlichen. Service-Accounts (服务号– fu wu hao) dagegen bieten mehr Möglichkeiten zur Selbstdarstellung und zur Interaktion – zum Beispiel mit Zulieferern, Kunden und der im Umkreis von Fabriken lebenden Wohnbevölkerung. Unter China-Experten gilt die App aufgrund ihrer zahlreichen Einsatzmöglichkeiten als „digitales Schweizer Taschenmesser“.

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Auch für B2B-Unternehmen gilt: „Wechat is everything“
Ein besonderer Vorteil beim Wechat-Marketing sind APIs. B2C-Unternehmen haben hier eine gewaltige Vielzahl an Möglichkeiten: Restaurant-Bestellungen, Flugticket-Verkauf, Wetter-Updates, Rabatt-Aktionen auf bestimmte Produkte und vieles mehr. Aber auch bei B2B-Unternehmen kommen Wechat-APIs häufig zum Einsatz – zum Beispiel als Verknüpfung zu Bewerbungsportalen, für das Promoten von spezifischen Fähigkeiten einzelner Mitarbeiter, bei der Darstellung von Herstellungsprozessen und vielem mehr.
Ein weiteres, für B2B-Unternehmen interessantes Feature sind H5-Kampagnen. Dabei handelt es sich um interaktive, in Wechat integrierte Webseiten, die häufig zur Bewerbung bestimmter Events genutzt werden. Über Kontaktformulare können sich Wechat-Nutzer anmelden, ein Tracking-System sammelt und analysiert Nutzerdaten. Durch einen QR-Code sind Unternehmen in der Lage, die H5-Kampagne über Wechat-Gruppen, private oder offizielle Accounts zu verbreiten.

Ein Blick in die „Wechat Moments“. (Screenshot: Wechat)
Verschiedene Accounts für unterschiedliche Unternehmensbereiche
Unternehmen, wie Siemens, Bosch oder die BASF verfügen inzwischen nicht mehr nur über einen einzigen sondern gleich über eine ganze Reihe an offiziellen Wechat-Accounts. Die Idee ist dabei folgende: Große Konzerne verfügen in China über viele Niederlassungen und Tochterunternehmen – bei Siemens beispielsweise Siemens Industry, Siemens Energy, Siemens Industrial Software, Siemens Home Appliances und viele weitere – abgesehen von Home Appliances alle mit B2B-Fokus.
Jedes dieser Tochterunternehmen verfügt über einen eigenen offiziellen Wechat-Account, um die verschiedenen Nutzergruppen gezielt anzusprechen. Die verschiedenen Accounts nutzt Siemens ähnlich wie Newsletter. Verschiedene Sparten kommunizieren dabei unterschiedliche Inhalte. Der Konzern tritt so direkt mit bestimmten Zielgruppen in Interaktion, zum Beispiel im Pre- oder After-Sales-Bereich.
Evonik Industries, früher unter dem Namen Degussa bekannt, nutzt Wechat intensiv, um seinen Namen unter den Graduierten von Chinas Top-Universitäten bekannter zu machen. Dazu setzt das Unternehmen auf Studierende als Markenbotschafter. Xie Jian Chao, Gewinner eines Forschungswettbewerbs im Bereich Materialwissenschaften, ausgetragen von der Shanghaier Tongji-Unversität, schreibt auf dem offiziellen Wechat-Account von Evonik: „Mich inspiriert der junge, dynamische Unternehmensgeist, den ich während des Wettbewerbs erleben durfte.“

Ein Blick in den offiziellen Account des Goethe-Sprachlernzentrums Shanghai mit Ankündigung für den Film „Fack ju “. (Screenshot: Wechat)
Auch Mittelständler begeistern sich für Wechat
Auch klein- und mittelständische B2B-Unternehmen können sich Wechat zunutze machen: Subscription-Accounts lassen sich bereits zu niedrigen Kosten realisieren. Über H5-Kampagnen sind auch Firmen mit geringen Budgets in der Lage, auf ihre Teilnahme an bestimmten Events wie Fachkongressen und Messen aufmerksam zu machen.
Messedienstleister, wie die Messe München-Shanghai, verfügen bereits seit Jahren über sehr gut strukturierte Wechat-Accounts zur Vermarktung ihrer Veranstaltungen wie unter anderem der ISPO (Internationale Fachmesse für Sportartikel und Sportmode). Die Messe Nanjing Stuttgart entwarf im Rahmen der LogiMAT China im April 2016 eine 17-seitige H5-Kampagne, in der die verschiedenen Aussteller, Onsite-Events, Referenten sowie der Veranstaltungsort vorgestellt werden. Über ein Registrierungsformular können sich TeilnehmerInnen anmelden.

Blick auf die Wechat-Benutzeroberfläche. (Screenshot: Wechat)
Gute Planung ist Schüssel zum Erfolg
Was Wechat-Marketing angeht, stellt sich für deutsche B2B-Unternehmen in China heute nicht mehr die Frage nach dem “ob” sondern nur noch nach dem “wie”. Anfang 2017 belief sich die Zahl der offiziellen Accounts bereits auf mehr als zwölf Millionen, bis Jahresende soll sie auf mindestens 14,1 Millionen ansteigen.
Bei ausländischen Unternehmen besteht dennoch nach wie vor großer Aufklärungsbedarf. Gao Xin, General Manager des Headhunting-Unternehmens Asia Solution, das sich auf deutsche B2B-Unternehmen spezialisiert hat, schätzt, dass erst etwa 20 bis 30 Prozent der Unternehmen, mit denen er zusammenarbeitet, über offizielle Accounts verfügen.
Ebenfalls spannend:
Ich bin jetzt über 4 Monate in China (Hangzhou) und muss dem Autor recht geben, WeChat ist überall, jeder Kontakt wird per QR-Code sofort hinzugefügt, kein nerviges Nummern tauschen und alle wichtigen Infos kommen über die WeChat Kanäle rein.
Was aber definitiv noch zu erwähnen wäre, ist die gesamte Alipay Plattform, welche WeChat als Zahlungsmittel noch deutlich in den Schatten stellt und worüber Essen, Tickets, Taxi und Taobao (chinesisches Amazon) geregelt werden kann.
Es gibt hier ein richtigen Kampf zwischen den beiden Zahlungsmethoden, Alipay und WeChat. Jeder kleine 1-Mann Obsthändler am Straßenrand hat aber bereits beide QR-Codes und wirklich jeder unter 30 zahlt hier mit dem Handy.
Der Markt in beiden Plattformen ist absolut gewaltig! Wer es da verschläft, kann einpacken.
Hallo Jim.
ich kann dir nur zustimmen. Mein (kurzer) Artikel zeigt nur einige der Möglichkeiten auf, die WeChat für deutsche B2B-Unternehmen leisten kann – längst nicht alle. Viele deutsche Firmen zögern noch, weil sie die gewaltigen Chancen nicht erkennen. Aber immer mehr sind schon dabei. Was Mobile Payment angeht, ist China Deutschland meilenweit voraus.
Gruß aus Changshu