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Geplantes Werbeverbot im Lockdown – ein naiver Vorschlag

Das Saarland plant ein Werbeverbot für alles, was nicht im Interesse der Kontaktbeschränkungen während der Pandemie steht. Doch der Vorstoß der Politik ist nicht nur naiv und wenig durchdacht, sondern auch in keiner Weise zielführend.

3 Min.
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Keine Werbung? Der Vorschlag greift zu kurz. (Foto: photodonato / Shutterstock)

Die saarländische Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) hat einen Vorschlag gemacht, der auch außerhalb des kleinen Bundeslandes aktuell hohe Wellen schlägt. Man wolle, nachdem eine Selbstverpflichtung der Händler nicht funktioniert habe, das Bewerben von allen Produkten, die nicht für die Grundversorgung oder den täglichen Bedarf essentiell sind, verbieten. Das solle ab 22. Februar gelten, Rehlinger erwarte aber, dass sich die Händler auch ab sofort schon daran hielten.

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Die Wogen angesichts solch großer Naivität schlagen innerhalb der Werbewirtschaft bundesweit und innerhalb der saarländischen Kaufmannschaft höher. Offen bleibt zunächst einmal, wie das Werbeverbot auszulegen ist – bezieht es sich nur auf die dort tatsächlich inflationär verteilten Werbezettel der Discounter oder dürfen saarländische Händler dann auch nicht mehr Onlinewerbung betreiben? Und was ist mit TV- oder Hörfunkwerbung, die sich auf bestimmte Händler, nicht aber konkrete Angebote bezieht?

Weniger Kontakte? Diese Rechnung geht nicht auf

Die Überlegung dahinter fasst die Ministerin so zusammen: „Die freiwillige Selbstverpflichtung hat nicht bei allen zu einem Umdenken geführt – viele Geschäfte und Warenhäuser, die nach dem Schwerpunktprinzip weiter öffnen dürfen, haben auch in den vergangenen Tagen nicht auf teilweise umfangreiche Werbemaßnahmen verzichtet. Das führt nicht nur zu größeren Kundenströmen, während unser drängendstes Ziel noch immer lautet, Kontakte zu vermeiden. Es ist auch unsolidarisch den Fachgeschäften gegenüber, die zurzeit geschlossen bleiben müssen.“ Letztere werden aber nicht einen Cent mehr in der Kasse haben, wenn beispielsweise Lebensmittelhändler nicht mehr für ihre Randsortimente werben dürfen. Und auch der Kontaktvermeidung dürfte nicht dienlich sein, wenn weniger netzaffine Kunden wie in früheren Jahrzehnten am Montag und Donnerstag in die Läden laufen, weil es möglicherweise was Interessantes unter der Aktionsware geben könnte.

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Doch es wird noch kurioser: Einzelhändler, die aktuell ihr Geschäft geschlossen haben, dürfen weiterhin ihr Angebot im Rahmen von Click & Collect anbieten und bewerben. Das soll vernünftigerweise ein Gleichgewicht zum ja ohnehin fleißig verkaufenden Onlinehandel gewährleisten, führt aber zu kuriosen Situationen – etwa wenn ein Kunde bei Bekleidung ein Stück umtauschen will. Dann darf er zwar per Click & Collect ein neues bestellen, nicht aber schnell im geöffneten Laden anprobieren.

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Das Werbeverbot ist ein zahnloser Tiger

Schleierhaft ist auch, wie man verhindern will, dass die Kunden sich nicht ihrerseits informieren. Denn auch wenn sich das Saarland zwar möglicherweise als Mittelpunkt der eigenen einkaufenden Welt sieht, dürften die Kunden sich beispielsweise über die Aktionswaren der Lebensmitteldiscounter informieren können, indem sie auf die Website des jeweiligen Marktes gehen. Der macht ja in den meisten Fällen bekanntermaßen seine Angebote bundesweit (oder süddeutschlandweit). Der Kontaktvermeidung dient all das nicht – da wäre es nur schlüssig, tatsächlich darauf zu dringen, dass bestimmte Sortimente, die dann gleichermaßen schwer zu definieren sein werden, eben nicht mehr verkauft werden dürfen. Bei alkoholischen Getränken, die nach einer bestimmten Uhrzeit oder an bestimmten Tagen nicht über die Ladentheke gehen dürfen, mag das noch funktionieren, bei vielen anderen Entscheidungen werden die Händler sehr schnell die Gerichte bemühen und die Landesregierung mit einstweiligen Verfügungen überziehen.

Alles in allem also ein durchweg irritierender Vorschlag – und auch wenn Anke Rehlinger erklärt, dass das Saarland das erste Bundesland mit einem solchen Schritt sei (und damit suggeriert, dass weitere folgen könnten), wird es dazu wohl nicht kommen. Denn vernünftigerweise wird der Koalitionspartner CDU mit Ministerpräsident Tobias Hans den Vorschlag diese Woche gar nicht zum Gesetz machen. Falls es doch dazu kommt, werden die Gerichte hier die übereifrige Politik in ihrem Aktionismus schnell in die Schranken weisen. Denn ein solches Gesetz wäre weder angemessen (dazu müsste der Verkauf und nicht das Bewerben solcher nicht essentiellen Warengruppen untersagt werden) noch wäre es gerecht im Sinne der Betroffenen – und reduzieren würde es dadurch die Kontakte der Verbraucher auch nicht, eher im Gegenteil.

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Kommentare (3)

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Titus von Unhold

Ein generelles Werbeverbot wäre mal was.

Klaas von Rumpold

Erschreckend, dass eine Politikerin mit einer solchen Ahnungslosigkeit und vor allem einer derart wirtschaftsfeindlichen Haltung den Posten als Wirtschaftsministerin bekleidet.

Aber gut, wenn man sieht, welches „Spitzenpersonal“ aus dem Saarland derzeit im Bundeskabinett sitzt, fügt sich diese Personalie wiederum ganz gut ein.

Micha

streiche naiv, setze dumm.

Nach Wochen des shutdowns in weiten Teilen des Einzelhandels soll dieses Verbot mal eben über das Wochenende in Kraft treten.

Dies zeigt, dass weder die verantwortlichen Politiker noch leitenden Ministerialbeamten Ahnung von der Materie habe.

Sonderprospekte für die kommende Woche sind längst gedruckt und an die Zeitungen bzw. Verteiler geliefert.

Selbst die Anzeigenvorlagen dürften bereits erstellt sein.

Schlage vor, die Sonderprospekte der verantwortlichen Landesregierung vor die Haustüre zu kippen.

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