Youtube hat aus den monatlichen Ad-Leadboards und gemeinsam mit fünf Creator:innen die Unternehmen gekürt, die auf der Videoplattform die beste Werbung machen. Neu ist außerdem der Preis für den besten organischen Content. Gewonnen haben Lidl, Kaufland, Thomann, Johnson & Johnson und McDonalds.
Youtube wertet monatlich Anzeigen in den Formaten Lang (über 30 Sekunden), Kurz (10 bis 30 Sekunden) und Superkurz (6-Sekunden-Spots) aus. Ein Algorithmus wertet bestimmte Kennzahlen aus und generiert dadurch ein Ranking.
Zum einen wird die Reichweite bewertet: sowohl die organische als auch die bezahlte und ihr Verhältnis zueinander. Auch die Zuschauerbindung fließt in die Wertung ein, dafür wird die durchschnittliche Watchtime, wie viel Prozent des Videos angesehen werden und die relative Zuschauerbindung genutzt. Zuletzt wird das Sentiment herangezogen – wie also das Verhältnis von Likes und Dislikes ist und wie die Stimmung in den Kommentare ausfällt.
Creators Choice Award: Lidl mit True-Crime-Parodie
Fünf Creator:innen haben sich die Gewinner:innen der Langformate angeschaut: Rick Azas, Peter Smits von PietSmiet, Dani Verdari, Kilian Valentin (iKnowReview) und Robin Blase (RobBubble). Ihr Favorit: „Teuer bezahlt – Das Schicksal von Martin U.“
Dani Verdari erklärt: „Das Storytelling war on point.“ Eine klare Message wäre raffiniert indirekt mitgeteilt worden, in einer Werbung, die als solche nicht zu erkennen war. Der Hook ziehe die Zuschauer:innen direkt in die Dramaturgie – auch weil Lidl sich deutlich der Elemente einer True-Crime-Dokumentation bedient hatte. Auch die Musik empfindet sie als gut ausgewählt. Der Spot habe einen Trailer-Charakter, als würde man im Kino sitzen.
„Lidl hat es geschafft, den größten Teil des Spots damit zu füllen, wofür sie nicht stehen“, sagt sie – und schaffe es mit dem letzten Satz des Protagonisten, „Ich hätte damals einfach gleich zu Lidl gehen sollen“, all das umzukehren.
Die Spannung bleibt dank Szenenwechsel, schlauen Anspielungen beispielsweise auf Rezo, das Newsformat und 9:16-Formate erhalten. Gerade der Hinweis auf Rezo würde den Spot auch relevant für die Generation Z machen.
Rick Azas betont, wie wichtig der Hook ist: Eine Werbung sei leicht zu überspringen und wenn nicht, können sich Nutzer:innen in den Kommentaren ablenken. Werbung auf Youtube müsse besser sein als der organische Content. Authentizität und Relevanz seien enorm wichtig: „Wenn auf Trends eingegangen wird, dass das auch die Sprache der Community ist.“
Neu: Bester Markenkanal 2022
Mit dem Markenkanal sollte vor allem organischer Content und der Aufbau einer Community ausgezeichnet werden. Bewertet wurden das Wachstum der Abonnent:innenzahl, die organische Reichweite, die Watchtime, Content-Diversität und die Interaktionen in Form von Likes und Kommentaren. Thomann Music wurde als bester Markenkanal gewählt – beziehungsweise alle fünf. Sie haben insgesamt 226.000 Subscriptions.
Für Alissa Rabe, Creative Strategist bei Google Germany, ist die Vielfalt von Content-Formaten für den Erfolg verantwortlich. Laut Projektmanagerin Laura Sandjohann von Thomann kommen die meisten Ideen direkt aus der Community und dem Thomann-Team. Viele Kolleg:innen seien selbst Musiker:innen. „Wir machen Content von Musikern für Musiker und Musikliebhaber“, erklärt sie. Im Unternehmen gebe es regelmäßige Brainstorming-Sessions, dann werde überlegt, wie das inhouse umgesetzt werden könne. Sie betont, wie wichtig es ist, mit der Community über Kommentare und Livestreams zu interagieren. Zuletzt nutze Thomann Community-Formate: Dort wird die Community aktiv in den kreativen Prozess eingebunden.
Top 3 Marken 2022: Kaufland, McDonalds und Johnson & Johnson Consumer Health
Kaufland, McDonalds und Johnson & Johnson Consumer Health waren in den Leaderboards am meisten vertreten. Kaufland punktet vor allem mit Testimonials von Promis wie Steffen Henssler, Sido und Moneyboy, die nicht nur als Gesicht verwendet, sondern aktiv eine Rolle in der Geschichte spielen. Die Produktkommunikation wird gut mit Unterhaltung verbunden.
„Wichtig ist uns die maximale Authentizität, sonst bräuchten wir keinen Influencer, sondern können uns einen Schauspieler einkaufen“, so Marc Grimm, Bereichsleiter Kampagnenmanagement & Digital bei Kaufland Deutschland. Dabei lassen sie, innerhalb eines gemeinsam festgelegten Rahmens, den Promis viel Freiraum: „Maximaler Freiraum gleich maximale Authentizität.“
McDonalds überzeugte vor allem mit Shirin David als starkes Testimonial, der „Weißt du, was jetzt geil wäre?“-Kampagne und #StayFlurry. Der „I’m lovin it“-Slogan wurde zu „Lieben wir“ gedreht, Shirin David hat eine weibliche Attitude und Musikvideos, so Rabe, funktionieren auf Youtube als Werbemittel ohnehin sehr gut. Der McFlurry-Spot zeuge von guter Zielgruppenkenntnis.
Marcus Weiß, Unternehmenssprecher für McDonalds Deutschland, sagt: Zu McDonalds habe jeder eigene Erinnerungen und damit verknüpfte Emotionen. Damit ist es einfacher, die Menschen zu berühren. Wichtig ist Social Listening: „Wir hören denen zu. Sowohl im Restaurant wie in den sozialen Medien.“ Am Puls der Zeit zu bleiben, sei ebenfalls essenziell.
Johnson & Johnson Consumer Health sei besonders mit den Marken Listerine, Bebe und Neutrogena vertreten. Auffällig sei, dass jede Marke entsprechend ihrer Zielgruppe kommuniziert. Thomas Büchel, Director Media & Digital Central Europe bei Johnson & Johnson Consumer Health, zeigt das an Bebe: Authentische Kommunikation entstehe über die Nähe zur Zielgruppe, besonders junge Menschen werden früh einbezogen. Junge Menschen seien sehr anspruchsvoll. Der diverse Cast in der Bebe-Werbung funktioniert, so Büchel, nur deswegen, weil auch der Marken-Claim modernisiert wurde und die Produkte weiterentwickelt wurden, um nachhaltiger zu sein und unterschiedlichen Bedürfnissen besser gerecht zu werden. Die Marke distanziert sich mit dem weniger „mädchenhaften“ Image ein Stück von Stereotypen. Nur so sei ein Diversitäts-Statement überhaupt glaubhaft. Zuletzt müssen Ideen und Inhalte auch schlicht getestet werden.
Fazit: Marken können Popkultur mitgestalten
Rabes Fazit: Marken müssen Popkultur aktiv mitgestalten, nicht nur auf Trends aufspringen. Das können sie durch eine eigene kreative Sprache und indem Markenbotschafter:innen in die Story und den kreativen Prozess eingebunden werden. Nur mit echten Insights kann ein Spot gut werden: „One Size does not fit all!“ Creator:innen seien in ihrer Kreativität, Flexibilität und ihrem Test-and-Learn-Mindset das richtige Vorbild für Unternehmen, wenn es um Youtube-Kampagnen geht. „Da können sich Agenturen und Unternehmen eine Scheibe abschneiden.“
Die Zeit sei vorbei, in starren Formaten zu denken. Stattdessen sollten Geschichten in einem medialen System gedacht werden – wie viel Zeit braucht die Story, und benötigt sie vielleicht mehrere Formate? Zuletzt: „Eine Community aufzubauen, erfordert viel Zeit, Liebe und Engagement – es ist aber ein gutes Investment.“ Denn Fans schenken neue Impulse, Loyalität und mehr Umsatz.