Zu 98,7 Prozent stimmen das Erbgut von Schimpanse und Mensch überein. Aus diesem Grund sind die Menschenaffen beliebte Probanden in der Forschung. Forscher der University of Saint Andrews in Großbritannien und der University of Michigan-Dearborn in den USA haben jetzt getestet, wie Schimpansen in virtuellen Umgebungen navigieren. So wollen die Wissenschaftler nachvollziehen, warum die Affen in freier Wildbahn bestimmte Routen anderen vorziehen.
Für das Experiment wurden sechs Schimpansen aus dem Zoo in Leipzig vor einen Touchscreen gesetzt, über den sie durch eine virtuelle Welt navigieren und nach Objekten suchen konnten. Die Studie soll dabei helfen, mehr darüber zu erfahren, wie sich unsere nahen Verwandten im Dschungel zurechtfinden.
Schimpansen schlagen sich gut
„Aufgrund räumlicher Einschränkungen in Zoos ist es natürlich schwierig, das Navigationsvermögen nicht menschlicher Primaten experimentell zu untersuchen. Mithilfe der virtuellen Realität können die Tiere nun weitläufige, kontrollierbare Landschaften interaktiv erkunden – darunter auch neue, unbekannte Landschaften“, sagt Matthias Allritz, Postdoc-Wissenschaftler an der University of Saint Andrews und am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, in einer Veröffentlichung des Instituts.
Über mehrere Wochen brachten Allritz und seine Kollegen den Schimpansen bei, einen Touchscreen zu bedienen und ein extra konzipiertes Videospiel zu spielen, bei dem sie zu einem Baum navigieren mussten, um eine Frucht zu finden. Fanden sie diese, wurden sie mit einer echten Frucht belohnt. Im ersten Durchlauf des Experiments versuchten die Primaten mehrmals, ein und denselben Baum vom selben Ausgangspunkt aus zu finden. Im zweiten Durchgang starteten sie dann von einem anderen Punkt in der virtuellen Umgebung.
Das Team wollte so herausfinden, ob die Affen trotzdem in der Lage waren, zum Baum zu navigieren, um die Frucht einzusammeln. Nach ein paar Versuchen erreichten alle Schimpansen auch vom ungewohnten Ausgangspunkt aus das Ziel. Die Hälfte von ihnen verbesserte dabei auch die Effizienz der Laufwege. Laut Allritz kann es dafür verschiedene Gründe geben. Manche Tiere merkten sich offenbar bestimmte Landschaftsmerkmale besser als ihre Artgenossen, aber auch Probleme beim Bedienen das Touchscreens können ein Punkt sein.
Interaktion mit VR kein Problem
Spannend für die Wissenschaftler ist auch die Interaktion der Primaten mit der modernen Technik. „Unsere Studie zeigt, dass nicht invasive Studien in offenen virtuellen Landschaften ein großes Potenzial für die Erforschung des räumlichen Denkvermögens von Primaten haben. Die Schimpansen, die an unserer Studie teilgenommen haben, erlernten grundlegende Spielmechanismen schnell und zeigten schon bald Lern- und Entscheidungsmuster, die der Navigation im wirklichen Leben ähneln“, sagte Josep Call, ebenfalls Projektleiter und Professor an der University of Saint Andrews.