Medien nehmen Zuckerberg mit ersten Veröffentlichungen aus „Facebook Papers“ unter Beschuss

Das hat Mark Zuckerberg nicht kommen sehen: das Projekt „Facebook Papers“. (Foto: Shutterstock)
Möglicherweise waren die Gerüchte über die bevorstehende Umbenennung Facebooks nur Ausweis einer Angst, die sich in Facebooks Führungsetage breitzumachen scheint. Zu diesem Zeitpunkt wussten Zuckerberg und Co bereits, dass es zwei Medienkonsortien gibt, die sich durch die sogenannten „Facebook Papers“ graben. Am heutigen Montag haben 17 US-Nachrichtendienste und -Medien, darunter Associated Press, CNN, Politico, die Washington Post und Wired, damit begonnen, Informationen daraus zu veröffentlichen – und die werfen kein gutes Licht auf den Social-Media-Riesen.
Update: Mittlerweile gibt es wesentlich mehr Infos aus den besagten Papieren. Facebook Papers: Neue Enthüllungen katastrophalen Ausmaßes
Breites Spektrum an Vorwürfen ergießt sich über Facebook
Die Dokumente sollen zeigen, dass Facebook wissentlich zu wenig gegen Hassbotschaften, Fake News und andere schädliche Inhalte auf der Plattform getan hat. Zuckerberg hatte öffentlich behauptet, dass das Social Network 94 Prozent der Hassbotschaften offline nehme. Die Washington Post, die die geleakten Dokumente gesichtet hat, resümiert, es seien maximal fünf (!) Prozent. Bei der Erstürmung des Kapitols im Januar sei sogar gar nicht gelöscht worden.
Aus den Papieren soll überdies hervorgehen, dass es im Unternehmen eine Menge an Vorschlägen und Ideen gegeben habe, wie Facebook hätte verändert werden können, um Verbesserungen vorzunehmen. Die sollen aber intern teils nicht einmal gehört worden sein. Änderungen an den Funktionen und Algorithmen hätten das Wachstum gebremst, berichtet die Washington Post. Deshalb seien sie höchstens mit groben Einschränkungen umgesetzt worden.
Besondere Wellen dürfte auch die Enthüllung schlagen, die zeigt, dass Apple wohl der Facebook-App mit dem Rauswurf gedroht hatte, weil der Social-Media-Riese nicht genug gegen Inhalte zum Thema Menschenhandel getan haben soll. Zu Facebooks Einschätzung von Kindern als gewinnbringenden Zukunftsmarkt hatten wir bereits berichtet. In Summe ergibt sich ein völlig anderes Bild des Unternehmens als jenes, das Mark Zuckerberg in der Öffentlichkeit über Jahre zu zeichnen versucht hatte.
Die Veröffentlichungen kommen für Zuckerberg zur Unzeit. Am kommenden Donnerstag soll die Connect Conference starten, auf der Facebook eigentlich neue AR- und VR-Funktionen präsentieren will. Die „Facebook Papers“ werden das Event definitiv überschatten.
Was sind die Facebook Papers?
Das Projekt „Facebook Papers“ bezeichnet zwei Kooperationen. In den USA kooperierten mehr als ein Dutzend Nachrichtenorganisationen bei der Analyse von mehr als 10.000 internen Facebook-Dokumenten. Journalisten aus einer Vielzahl von großen und kleinen Redaktionen arbeiteten sich durch interne Unternehmensdokumente, die Frances Haugen, die ehemalige Facebook-Produktmanagerin und heutige Whistleblowerin, der US-Börsenaufsicht SEC offenbart hatte.
Ebenso hatte sich ein Konsortium europäischer Nachrichtenagenturen gebildet und sich mit denselben Dokumenten befasst. Beide Gruppen hatten vereinbart, ab Montag, dem 25. Oktober, mit der Veröffentlichung von Inhalten, die sich auf ihre Analyse des Materials bezogen, zu beginnen. Vorausgegangen war dem ein Zeitraum, in dem auch Stellungnahmen Facebooks von den Konsortien eingeholt worden waren.
Jedes Mitglied des Konsortiums verfolgte seine eigene unabhängige Berichterstattung über den Inhalt der Dokumente und deren Bedeutung. Jedes Mitglied hatte außerdem die Möglichkeit, an Gruppenbriefings teilzunehmen, um Informationen und Zusammenhänge über die Dokumente zu erfahren.
Der Start des Projekts „The Facebook Papers“ ist die Fortführung eines initialen Berichts des Wall Street Journal, der sich auf dieselben Dokumente stützt. Ebenso nimmt das Projekt die Erkenntnisse aus Haugens Auftritt in der CBS-Fernsehsendung „60 Minutes“ und ihrer Aussage vor einem Unterausschuss des US-Senats am 5. Oktober auf.
Bei den Papieren selbst handelt es sich um redigierte Fassungen von Dokumenten, die Haugen über Monate hinweg bei der Börsenaufsichtsbehörde eingereicht hatte. Sie wirft Facebook vor, das eigenen Profitstreben über die Menschen zu stellen und seine eigenen Untersuchungen, die zu denselben Ergebnissen führen würden, vor Investoren und der Öffentlichkeit zu verbergen.
Dabei hatten die Medien bislang noch gar nicht die Möglichkeit, alle Dokumente einzusehen. Haugens Anwaltsteam arbeitet noch immer daran, weitere Dokumente zu redigieren. Das ist erforderlich, um die Namen von Facebook-Nutzenden und Mitarbeitenden der unteren Ebene zu entfernen, bevor die Unterlagen dem Kongress übergeben werden. Es dürften also noch einige Enthüllungen auf Facebook zukommen.