Zukunft im E‑Commerce: Künstliche Intelligenz kommt an entscheidender Stelle an ihre Grenzen
Haben wir bald alle einen digitalen Zwilling zum Shoppen? Zumindest kann sich das Rajat Taneja, Präsident beim Zahlungsdienstleister Visa, vorstellen. Er und weitere Expert:innen teilten bei der Viva Technology 2024 in Paris einige Erwartungen für die Zukunft des E‑Commerce.
Der digitale Zwilling beim Shopping
Für Taneja ist die Idee des digitalen Zwillings – wie er in der Industrie bereits für Maschinen bekannt ist – eine Möglichkeit, Kund:innendaten geschützt zu nutzen. Der digitale Zwilling soll die Personen mit ihren für den:die Händler:in wichtigen Interessen nachbilden. Für Kund:innen wäre das Teilen der Daten transparent.
Mit Blick auf die Entwicklungen bei Google – im Mai 2024 wurde der Test von Avataren zum Anprobieren digitaler Mode angekündigt – und Pinterest, das eine solche Funktion 2024 in Europa launcht, könnte der Onlinekauf für Kund:innen deutlich persönlicher werden. Außerdem würden Händler:innen noch mehr Daten bekommen, sofern Kund:innen sich selbst als Avatar anlegen.
Daten für mehr Planbarkeit
Generell wird für Händler:innen der Umgang mit Daten mit KI-Unterstützung eine noch wichtigere Rolle einnehmen. Amazon-CTO Werner Vogels erwartet dazu genauere Voraussagen, wann und was Menschen kaufen.
Das würde nicht nur eine bessere Planbarkeit bringen, sondern Unternehmen auch ermöglichen, Kund:innen noch besser mit passenden Angeboten zu erreichen.
Zusammenspiel nutzen: Online und offline bleiben bedeutsam
Dieses Erreichen war ein großes Thema von Shopify-Präsident Harley Finkelstein und Nicolas Santi-Weil, CEO der Marke Ami Paris. Sie sprachen unter anderem über das Verhältnis von Online- zu Offlineverkaufskanälen. Der Shopify-CEO Finkelstein hält das Bild von „Entweder-oder“ für „Quatsch“. Er setze auf die Relevanz beider Kanäle für Händler:innen.
Für Santi-Weil stehen beide in einem Wettbewerb zueinander, dabei würden sie sich gegenseitig brauchen. Grob sollten sich Händler:innen so orientieren: Die online gewonnenen Daten würden immer mehr beim Finetuning helfen, die gewonnenen Informationen können auch für lokale Geschäfte genutzt werden.
Gerade im Offlineangebot sieht Santi-Weil dabei eine wichtige Position, um Vertrauen aufzubauen. Die Verfügbarkeit vor Ort ist so also noch immer wichtig.
Die Bindung zur Marke ist entscheidend
Dabei habe sich das Verständnis des:der Kund:in bezüglich des Kaufs merklich verändert. Der Kauf als solcher sei nicht mehr das Wichtige, vielmehr ist er nur ein Teil auf dem Weg, eine Bindung zur Marke zu schaffen. Kund:innen wollen sich mit Unternehmen verbunden fühlen – wer also seine Angebote verkaufen möchte, muss gerade auf das emotionale Erreichen Wert legen.
Seine Erfahrung zeigt auch, wie wichtig eine gewisse Verlässlichkeit und Erwartbarkeit für Händler:innen und Marken ist. Auch wenn immer mehr zu Überraschungen geraten wird und Kund:innen Wert auf Unterhaltung legen, braucht es dennoch eine gewisse Erwartbarkeit.
Diese lässt sich mit einem verlässlichen Angebot herstellen. Dazu sollte auch beim Marketing stets darauf geachtet werden, dass einzelne Aktionen zur Marke passen. In dem Bereich sollten sich Händler:innen außerdem darauf einstellen, dass die Erwartungen der Kund:innen eine immer höhere Personalisierung fordern.
KI-Tools für schnellen und angepassten Content
Gelöst werden könne das langfristig mit KI-Tools, die kostengünstig massenhaften Content liefern sollen, der schnell angepasst werden kann. Diese Entwicklung wurde an vielen Stellen der Viva Technology thematisiert: Mehr Content, der sich aber gleichzeitig besser und schneller anpassen lässt, soll die Arbeit von Marketer:innen erleichtern.
Deutlich wurde allerdings auch: KI kann gerade bei operativen Aufgaben unterstützen, also beim Auswerten von Daten und um schnell viel Content zu erzeugen. Jedoch wird mit der technischen Entwicklung die Bedeutung der Persönlichkeit immer wichtiger.
So wird auch im E‑Commerce der Verkauf von einer menschlich-ansprechenden Positionierung der Brand abhängen. Die große Herausforderung ist es, die Emotionen der Kund:innen zu erreichen. „Wenn du jemanden nicht zu deinem Kunden machen kannst, mach ihn zu deinem Freund“, so Santi-Weil.