In China gibt es zwei Versionen von Steam – das hat einen bizarren Grund

Immer wieder macht die Nachricht die Runde, dass Steam in China gesperrt wurde. Auch wenn sich diese Meldungen bisher stets als Fehler herausgestellt werden: die Situation von Steam in China kann nur als fragil bezeichnet werden.
Schon seit Jahren wird die Plattform höchstens geduldet, könnte jederzeit von der chinesischen Regierung blockiert werden, die zuletzt strenger mit dem Vertrieb und Spielen von Games umgegangen ist. Das hat auch Auswirkungen auf deutsche Studios, die immer öfter Erfolg im chinesischen Markt haben.
Zwei Steams in China
Wer die Situation um Steam in China verstehen will, muss wissen, dass es dort eigentlich zwei Steams gibt – offiziell aber eben nur eines. Es gibt einen chinesischen Ableger der Plattform, dieser ist offiziell und wird staatlich reguliert. Daher sind aktuell nur rund 100 Spiele über diesen Store zu erhalten. Wer in das Programm aufgenommen werden möchte, muss einen Antrag stellen. Dann wird das jeweilige Spiel darauf überprüft, ob es in das chinesische Staatsbild passt. Spielen Gewalt, Sexualität oder Politik eine Rolle, wird äußerst schwierig einen Platz zu bekommen.
Doch auch in China ist die globale Version von Steam erreichbar – noch. Die meisten Chinesinnen und Chinesen nutzen eben diese Version, da ihnen dort eine Vielzahl an Games zur Verfügung stehen, wie dem Rest der Welt auch. Dieses globale Steam ist es, das ständig bedroht ist, da es von der Regierung nur geduldet wird. Diese Plattform ist es aber auch, auf der viele deutsche Studios inzwischen großen Erfolg haben.
Vom Versuch, in China Fuß zu fassen
„Unsere Spiele können unmöglich offiziell zugelassen werden, so die Ergebnisse mehrerer Prüfungen. Dass man im Spiel letztlich gezielt einzelne Personen um die Ecke bringen muss, ist nicht herauszubekommen und wohl nicht zulässig“ sagt Johannes Roth. Er ist Gründer von Mimimi Games, die etwa die Spiele „Shadow Tactics“ oder „Desperados 3“ entwickelt haben. Spiele, die international Erfolg gefunden haben. Auch in China – nur eben nicht über den chinesischen Steam-Store.
Welche Regularien es genau sind, die der Zulassung zu Grunde liegen, ist nicht bekannt. Die Studios können nur rätseln, ob ihre Spiele den Vorgaben entsprechen – ob es überhaupt feste Vorgaben gibt. Oftmals scheint es, wie von Roth vermutet, virtueller Mord zu sein, der zum Ausschluss führt. Dennoch gibt es etwa „Counter Strike“ im chinesischen Store zu kaufen. Den Großteil der Angebote machen aber Spiele chinesischer Studios aus. Sie scheinen es einfacher zu haben als die Games aus dem Ausland.
Sollte also der globale Steam-Store in China verboten werden, würde das effektiv bedeuten, dass internationale Studios den chinesischen Absatzmarkt verlieren – China hat gut 1,4 Milliarden Einwohner. Wer keine VPN-Verbindung nutzt, hätte dann keinen Zugriff mehr auf die über 60.000 Spiele, die Steam zur Verfügung stellt. Solang sich die strengen Zulassungsregeln des chinesischen Steam nicht ändern sollten, wäre China also abgeschnitten. Das wäre auch für viele deutsche Studios ein herber Schlag.
Die Wichtigkeit von China
„Für uns wäre die Sperrung ein großes Problem. China ist einer unserer Top 3 Märkte“, sagt Johannes Roth. Es habe ihn und seine Kolleg:innen überrascht, wie Erfolgreich „Shadow Tactics“ in China war. Ihr nächstes Spiel „Desperados 3“ hätten sie daher direkt in Chinesisch vollvertont. Die Meldung, dass Steam in China nun verboten sei, habe ihm einen großen Schrecken eingejagt. „Wir erwarten, dass das irgendwann passieren wird. Gut wäre es nicht. Tun kann man aber auch absolut gar nichts“, sagt Johannes Roth.
Auch Stefan Marcinek, CEO von Assemble Entertainment, schaut mit Sorge auf den chinesischen Markt. „Sollte China gesperrt werden, wäre das für alle Publisher ein Problem, da hohe Einnahmen verloren gehen oder geringer sein könnten“, sagt er. Sein Studio arbeite bereits mit asiatischen Partnern vor Ort zusammen, um die Spiele direkt für diesen Markt zu vertreiben. So wie Assemble Entertainment haben auch schon andere Studios Strukturen geschaffen, um Absatz in Asien und speziell in China zu schaffen. Die Strenge der chinesischen Regierung bezüglich Videospielen ist also eine echte Gefahr auch für deutsche Studios.
Gerade Indie-Studios, die nicht über gigantisches Werbe-Budget verfügen, können so einen Überraschungserfolg haben. Mitte des Jahres erst berichteten wir über das Berliner Studio Maschinen-Mensch, das mit „Curious Expedition“ einen beachtlichen Erfolg in China hatte. Grund dafür war eine Übersetzung des Spiels, die rein von chinesischen Fans vorangetrieben wurde. Durch den engen Austausch auch mit der chinesischen Community konnte das Game dort einige Käufer und Käuferinnen finden – aber nur im globalen Steam-Store. Da das Spiel auch Themen wie Kolonialismus aufgreift, politische Themen also, hätte es wohl keine Chance, Platz in chinesischen Store zu finden.
Ein entstehender Markt wird gedrosselt
Viele, die noch keinen Fuß in China fassen konnten, wissen dennoch, welches Potential in diesem Markt liegt. „Unser Steam Umsatz in China ist noch gering, etwa 2 Prozent. Wir wissen aber, dass es Publikum gibt für das Spiel. Wenn also eine offizielle Übersetzung dabei wäre, könnte es um einiges höher sein“, sagt Stephan Hövelbrinks, der in diesem Jahr „Death Trash“ im Early Access auf Steam veröffentlicht hat. Er ist sich sicher, dass es sein Spiel nie in den offiziellen Store schaffen würde. Er müsste zu viel am Inhalt ändern, das möchte er nicht. Doch die Sperrung der globalen Plattform würde für ihn dennoch bedeuten, perspektivisch ein großes Publikum zu verlieren.
Selbst Tencent, der große chinesische Publisher, kaufte sich in den letzten Jahren immer mehr in den westlichen Markt ein. Inzwischen gehören große Marken wie „League of Legends“ zu dem Unternehmen und auch in Deutschland ist etwa das Berliner Studio Yager aufgekauft worden. Ein Grund für diese Strategie dürfte sein, dass auch Tencent weiß, wie fragil die Lage in China ist. Mit aktuellen Verboten wird die Möglichkeit des Videospielens bereits stark eingeschränkt. Sollte das Aus für das globale Steam in China schlussendlich kommen, hätte das weitreichende und drastische Folgen für China und den Rest der Welt – für große und kleine Studios auch in Deutschland. Und wie Johannes Roth so passend sagte: Tun kann man absolut gar nichts.
Absurde Videospiel-Werbung, die nach hinten losging:
Eigentlich gäbe es schon eine Möglichkeit: Die Spiele nicht mehr nur über Steam anzubieten, sondern wie früher über einen einfachen Download. Jeder VPN-Anbieter macht das so, wieso sollten das nicht auch Spielanbieter tun können?