Wenn 2 Tech-Milliardäre Trump den Stecker ziehen

Donald Trump hat eine Wahl verloren. Was ihm aber wirklich wehtut: Er wurde auf Twitter und Facebook gesperrt. (Foto: dpa)
Am Ende war es nicht das Amtsenthebungsverfahren, das Trump kaltgestellt hat. Es war nicht seine Steuererklärung und die Erkenntnis, dass er eigentlich keine Steuern zahlt. Es waren nicht seine Verstrickungen mit Russland. Es waren nicht seine Aufrufe zu Gewalt während der Black-Lives-Matter-Proteste. Es war nicht einmal die Tatsache, dass er die Wahl gegen Joe Biden verloren hat.
Noch Anfang des Jahres, Wochen, nachdem die letzte Stimme der Präsidentschaftswahl ausgezählt war und Joe Biden längst als neuer Präsident der Vereinigten Staaten feststand, hatte Trump die Macht, einen randalierenden Mob ins Kapitol, den Sitz des amerikanischen Parlaments, zu schicken. Selbst nach der Besetzung des Kapitols – der ersten, seitdem die Engländer das Gebäude 1814 in Brand gesteckt hatten – sprach Trump auf Twitter von seinem vermeintlichen „Erdrutsch Sieg“ bei der Wahl.
Wenn eine Twitter-Sperre Trump härter trifft als eine Wahlniederlage
Donald Trump wurde von einer Welle aus Tweets, Facebook-Posts und Verschwörungserzählungen ins Weiße Haus gespült. Und seine eigentliche Macht brach erst, als Twitter ihm am Mittwoch dem 6. Januar eine 24-Stunden-Twitter-Sperre verpasste.
Schon am Donnerstag – einen Tag nach Verhängung der Sperre – sagte Trump in einer Videoaufnahme Dinge, die man sich vorher aus seinem Mund schlicht nicht hätte vorstellen können: Die neue Administration würde eingeschworen, er würde sich auf die „glatte, ordnungsgemäße und nahtlose Übergabe der Macht konzentrieren“, der Moment rufe nach „Heilung und Versöhnung“. Ja, tatsächlich, der Donald Trump sprach von Heilung und Versöhnung.
In anderen Worten: Impeachment hin, Wahlniederlage her, in vier Jahren als Präsident der USA hat nichts Donald Trump so getroffen, wie eine 24-Stunden-Twitter-Sperre.
Ein paar Tweets später wurde Trump komplett auf der Plattform gesperrt, ebenso auf Facebook. Donald Trump wurde deplatformt. So nennt man das, wenn Hetzer von einer Plattform geschmissen werden. Ob das in Trumps Fall gut oder schlecht ist, ist eine Frage für sich. Aber was es sehr deutlich zeigt: Zwei Männer im Silicon Valley – Twitter Chef Jack Dorsey und Facebooks Chef Mark Zuckerberg – halten mittlerweile mehr Macht in ihren Händen als der amerikanische Kongress. Ihre Entscheidung war für Trump endgültiger, als eine nach Strich und Faden verlorene Präsidentschaftswahl.
Gewissermaßen haben die Mächtigen des Silicon Valleys damit die Katze aus dem Sack gelassen. Vorerst.
Nachdem Trump von Facebook und Twitter verschwand, versammelten seine Anhänger sich auf dem neuen sozialen Netzwerk Parler. CEO John Matze verspricht seinen Nutzern, dort posten zu können, was sie wollen. Weil Parler als Plattform am rechten Rand angelegt ist, bedeutete das so viel wie: Auf Parler ist auch rechte Hetze erlaubt, wenn nicht sogar erwünscht. Kurz nach Trumps Twitter-Rauswurf schnellte die App Parler auf Platz 1 in Apples App-Store.
Parlers Erfolg war kurz. Am Wochenende schmissen Apple und Google die App aus ihren jeweiligen Stores und begründeten das damit, dass im Umfeld der Kapitol-Stürmung auf Parler zu Gewalt aufgerufen wurde. Am Montag gingen bei Parler dann ganz die Lichter aus, als Amazon das rechte Netzwerk von seinen Amazon-Web-Services-Servern (AWS) kickte. Parler sollte eine Plattform für diejenigen sein, die auf Facebook und Twitter deplatformt wurden. Jetzt wurde die Plattform der Deplatformten selbst deplatformt. (Sorry.)

Das Netzwerk Parler ist nicht mehr online. (Screenshot: Redaktion)
Wie bei Trumps Twitter-Rauswurf ist die Frage weniger, ob die Versenkung eines rechten Netzwerks wie Parler gut oder schlecht ist. Die Frage ist wieder: Sollten ein paar Milliardäre im Silicon Valley die Macht haben, in 24 Stunden eine ganze Plattform zu killen?
Wenn Tech-Milliardäre eine Plattform plattmachen
Für viele mag es auf den ersten Blick befriedigend wirken, dass die Netzwerke einen rechten Hetzer wie Trump endlich rausgeworfen haben; dass Amazon einem rechten Netzwerk wie Parler keine Server mehr bietet.
Was in dieser Befriedigung aber nicht untergehen sollte: Netzwerke wie Twitter, Facebook und Youtube haben lange in Symbiose mit Trump gelebt. Twitter ist erst als Sprachrohr des amerikanischen Präsidenten zu der Nachrichtenmaschine geworden, die es jetzt ist. Nichts hat Facebook so viel Nutzerzeit, Interaktion und Werbegeld auf die Seite gespült, wie die rechten Geister, die Trump rief. Erst im Trumpismus ist Youtube zu dem Verschwörungsmythen-Sumpf geworden, das es jetzt ist.
Vier Jahre lang haben die Netzwerke nichts Entscheidendes gegen die Hassrede aus dem Weißen Haus getan. Sie waren bereit, zuzuschauen (oder unfähig zu handeln), als die amerikanische Gesellschaft immer weiter auseinanderriss, als die Gewalt auf den Straßen eskalierte. Interessanterweise stieg die Bereitschaft, Trumps Posts zu verstecken und zu labeln, erst sprunghaft an, als sich seine Wahlniederlage abzeichnete. Nur als Trump sich komplett ins politische Aus manövriert hatte (und sogar sein Coup der Internet-Trolle gescheitert war), als Trump wirklich nur noch politische Last war und Joe Biden kurz vor der Amtseinführung stand, waren sie bereit, Trump den Stecker zu ziehen.
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Man könnte jetzt sagen: Es ist ihr Hausrecht, auf ihren Services Konten zu dulden oder zu sperren – so wie ein Restaurantbesitzer randalierende Gäste auch tolerieren oder rausschmeißen kann. Der Unterschied ist nur: Facebook, Twitter, Google und Amazon sind nicht irgendwelche Restaurants, die man verlassen kann, wenn es einem dort nicht gefällt. Die Plattformen sind das Internet, so wie wir es kennen. Allein Amazons AWS kontrollieren über 40 Prozent des Cloud-Marktes und sind damit längst Infrastruktur. Ohne AWS funktioniert das Internet wie wir es kennen schlicht nicht mehr. Wo sollen Apps herkommen, wenn nicht aus Googles Play-Store oder Apples App-Store? Wie will man gefunden werden, wenn nicht über Google?
Man beachte bei all dem: Dieser Machtkampf fand in den USA statt. Dem Land, in dem die Silicon-Valley-Konzerne gewissermaßen zu Hause sind, in dem ihre Chefs für Anhörungen vorgeladen werden können, und sich zumindest geduldig anhören, was Kartellbehörden und Justizministerium ihnen vorwerfen. In den meisten anderen Ländern der Welt haben Facebook, Amazon und Co. die gleiche Macht wie in den USA – aber können kaum so vorgeladen werden.
Diese Demonstration von Macht hat naturgemäß auch Politikern einen Schrecken versetzt: Bundeskanzlerin Merkel ist sicher keine Freundin von Trump. Aber auch sie sieht es laut ihrem Sprecher als „problematisch an, dass jetzt die Konten des US-Präsidenten dauerhaft gesperrt wurden“. EU-Kommissar Thierry Breton beschrieb die Ereignisse rund um Trump und die Kapitol-Stürmung als einen 09/11-Moment in der Beziehung der sozialen Netzwerke zu unseren Demokratien. Breton nutzte die Gelegenheit gleich, um für das neue Digitale-Dienste-Gesetz der EU zu werben. In Europa ist die Frage tatsächlich noch offen, wer hier zuerst wen reguliert: Europa die Netzwerke oder die Netzwerke Europa.
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Es steht außer Frage, dass die Macht der sozialen Netzwerke beleuchtet, diskutiert und ggf stärker geregelt werden muss. Schade nur, dass der Anfang des Artikels die Sachlage über Gebühr zuspitzt: „Correlation isn’t Causation“. Nur weil die Sperre und seine Rede in engem zeitlichen Zusammenhang standen, heißt das nicht zwingend, dass es die Sperre war, die ihn dazu brachte „Kreide zu fressen“. Wer sich die Rede angesehen und angehört hat, wird deutlich bemerkt haben, wie widerwillig Trump sie gehalten hat. Wie ein Schüler, der vom Lehrer gezwungen wird, sich vor der Klasse zu entschuldigen. Es war offensichtlich keine freie Rede und in Aufbau und Duktus so anders als nahezu alles, was man sonst von Trump gehört hat, dass man getrost vermuten kann, dass sie nicht von ihm sondern für ihn geschrieben wurde. Und politisch wesentlich einflussreichere Leute (Mitch McConnel? Mike Pence?) als das Silicon Valley ihm „die Pistole auf die Brust gesetzt haben“ und ihn gezwungen haben, zurückzurudern oder in Schimpf und Schande abgesetzt zu werden.
„Die Frage ist wieder: Sollten ein paar Milliardäre im Silicon Valley die Macht haben, in 24 Stunden eine ganze Plattform zu killen?“
Nein, das darf nicht sein.
Das kommt davon, wenn man, wie das in den anglosächsischen Ländern inzwischen üblich ist, den Marktradikalen die Dominanz über die Networks unhinterfragt überlässt.
Und es ist ein Mahnmal, dass auch in DE/EU es nicht so weit kommen darf, dass wenige Techies praktisch die Öffentlichkeitsarbeit in Sachen Content/News überlassen werden darf. Den kommerziellen Anbietern muss mindestens eine so gut aufgestellte öffentliche Alternative gegenüber stehen, die verhindert, dass sich kommerzielle Absichten einseitig durchsetzen.
Gefragt sind also Networks, die z. B. von ARD/ZDF, als auch übernationale Anbieter wie ARTE auf der Basis der Sendergesetze und regulierter journalistischer Arbeit profunde Inhalte liefern. Dazu müssen die Sender aber auch zu Contentanbietern ihr Angebotstableau entsprechend erweitern und nicht einfach diesen Teil der Öffentlichkeitsarbeit den Techies überlassen.
Eigentlich liegt doch der Ausweg aus der vermeintlichen „Zwickmühle“ doch auf der Hand: Große Plattformen dürfen ihr Geschäft nur betreiben, wenn sie eine API – am besten mit öffentlichem Standard – anbieten. Dann kann der Techie den Radikalen nicht komplett „mundtot“ machen, und das Gleichgewicht der Kräfte wäre wieder hergestellt. Das Fediverse lebt das vor, und könnte die Marktmacht eines kommerziellen Anbieters für sein Wachstum gut gebrauchen.
Neben den Blogs und Kurzmitteilungen liegt die Sache bei den Messengern recht ähnlich, oder? Und wo man letztlich die Grenze zum Journalismus zieht, darüber kann man noch diskutieren.
Der Artikel spricht den IT Giganten so viel Macht zu .. vergessen wird aber, das diese Giganten erst dazu in der Lage waren, als EIN Mann auf das Abstellgleis geraten ist. Vorher war es ihnen nicht möglich diesen einen Mann zu „deplatformen“. Sieht so betrachtet nicht so mächtig aus.
Abgesehen davon haben diese Plattformen nur die Macht, die wir als Gemeinschaft ihnen geben .. deswegen ist es ja eine Plattform.
Ich hatte es schon einmal kommentiert;
Privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen dürfen keine gesellschaftliche Verantwortung bzw. Filterfunktion in der Verbreitung von Meinungen/Informationen übernehmen bzw. zugesprochen werden.
Das ist einzig die Aufgabe der Gesellschaften und der resultierenden Willensbildung in Form von legitimierten bzw. gewählten Vertretern. Und die hieraus entstehenden Gesetze und Verordnungen.
Wenn wir privatwirtschaftlichen Unternehmen eine Gatekeeperfunktion einräumen, öffnen wir eine Tür
in eine Zukunft, welche uns in die Vergangenheit führt.
Das kann uns alle in eine unheilvolle Zukunft führen.
Man kann nicht oft genug warnen.