Twitter-Alternative unter Druck: Kein Hoster will mit Parler zusammenarbeiten

Amazon hat die umstrittene Twitter-Alternative Parler abgeschaltet. Der AWS-Ableger des E-Commerce-Riesen hat den Dienst am Wochenende aus seinem Cloud-Hosting-Angebot entfernt. Alle Daten sollen dabei gesichert worden sein. Amazon hat versprochen, bei einer Migration zu einem anderen Anbieter behilflich zu sein.
Im Ergebnis ist die Twitter-Alternative Parler nach dem Verlust der Präsenz in den App-Stores komplett vom Netz getrennt, bis das Netzwerk einen neuen technischen Anbieter gefunden hat.
Amazon begründet Kündigung mit Inhalten, die Gewalt fördern
Zur Begründung für die Löschung führt Amazon an, dass das Netzwerk nicht schnell genug gegen gewalttätige Inhalte auf der Plattform vorgehe. Offenbar hatte sich der Cloud-Betreiber auf der Parler-Plattform umgesehen und dabei „98 Posts“ gefunden, die „klar zu Gewalt aufrufen“. AWS hatte Parler dann nach eigenen Angaben dazu aufgerufen, diese Posts offline zu nehmen, was aber nur bei einigen passiert sei und „nicht mit der gebotenen Eile“. Das wiederum ließ Amazon zu der Einschätzung gelangen, dass Parlers Konzept der Inhaltemoderation durch freiwillige Helfer „nicht funktioniere“.
Dabei will sich Amazon nicht in eine politische Ecke stellen lassen und betont, dass sie mit AWS durchaus „das gesamte politische Spektrum mit Dienstleistungen unterstützen“ würden und dass es Parlers Entscheidungshoheit obliege, welche Inhalte das Netzwerk erlauben will. Es sei jedoch für Amazon nicht möglich, Dienstleistungen für einen Kunden zu erbringen, der „nicht in der Lage ist, Inhalte zu entfernen, die Gewalt gegen andere fördern oder anstacheln.“ So müsse Parler als „sehr reale Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ wahrgenommen werden.
Parler sieht sich als Opfer einer politischen Kampagne
Parler-Chef John Matze hält diese Begründung für vorgeschoben und bezeichnet die Vorgehensweisen von Apple, Google und AWS als „koordinierten Angriff der Tech-Giganten“ auf einen Wettbewerber, der „zu schnell zu erfolgreich“ geworden ist. Den Tech-Riesen ginge es dabei darum, das „Monopol über die freie Rede zu behalten.“
Kurz nach der AWS-Abschaltung zeigte sich Matze noch zuversichtlich, innerhalb weniger Tage einen neuen Hoster zu finden und mit Parler wieder online zu sein. Das wäre möglich, weil Parler nie auf die speziellen Tools der AWS gesetzt habe und das Produkt entsprechend leicht auch auf anderen Strukturen aufsetzen könne, so Matze.
Das mag stimmen, hilft ihm aber im konkreten Fall nicht. Denn es scheint sich unter den US-amerikanischen Providern eine Art Konsens abzuzeichnen, Parler keine Heimat bieten zu wollen. Das gab Matze in einem Interview mit Fox News zu Protokoll.
Da der Dienst nach seinen Aussagen aber 300 bis 500 Server benötigt, kommt weder ein Wechsel zu einem kleineren Anbieter noch der schnelle Aufbau eigener Kapazitäten in Frage. Der Wiederaufbau des Parler-Dienstes könnte also eine Weile länger dauern.
Das ist Parler
Parler ist ein mit zwei Jahren noch recht junges soziales Netzwerk aus dem US-Bundesstaat Nevada. Es soll mittlerweile mehr als zehn Millionen Nutzer zählen, von denen allein sieben Millionen seit der vergangenen US-Präsidentschaftswahl im vergangenen November hinzugekommen sein sollen.
Parler versteht sich selbst als „die erste Adresse für freie Rede“ und moderiert den Feed nur spärlich. Moderatoren sind in der Regel Freiwillige, die nach ihren zeitlichen Möglichkeiten ein Auge auf den Dienst haben. Zudem kann jeder Nutzer für den eigenen Feed festlegen, welche Begriffe beispielsweise geblockt werden sollen oder mit wem man interagieren will. Algorithmen nehmen bei Parler keinen Einfluss darauf, wem was angezeigt wird.
Andere Dienste gehen anders vor. Plattformen wie Twitter fügen beispielsweise Bemerkungen zu behaupteten Wahlbetrügereien mindestens Kennzeichnungen als potenzielle Falschinformationen hinzu. Teilweise werden Inhalte gar nicht erst angezeigt. Diese Vorgehensweise wird nicht erst seit dem US-Wahlkampf kontrovers diskutiert.
Jedenfalls sahen dadurch offenbar vor allem Trump-Unterstützer die Möglichkeit der freien Rede beschnitten und riefen ihr Umfeld zu einem Wechsel hin zu Kommunikationsplattformen auf, die nicht so stark in die Äußerungsmöglichkeiten der Nutzer eingreifen. Parler profitierte von diesem Wechselwillen in besonderem Maße.
Kritiker der Plattform verweisen darauf, dass die mangelnde Moderation dazu führt, dass sich Verschwörungserzählungen und Desinformation auf Parler stark verbreiten.