14 Tage bezahlter Vaterschaftsurlaub: Wie eine Digitalagentur dem Gesetzgeber zuvorkommt

Bekommt ein Paar ein Kind, greifen Väter und gleichgestellte Partner:innen der Mutter oft auf ihre regulären Urlaubstage zurück, um die ersten Tage und Wochen in der neuen Familienkonstellation gemeinsam zu bewältigen.
Bei der Bielefelder Digitalagentur Comspace soll sich das künftig ändern: Zum Internationalen Tag der Familie hat das Unternehmen angekündigt, festangestellte Väter und Partner:innen von Schwangeren künftig 14 Tage nach der Geburt bezahlt freizustellen. Auch Bezugspersonen von Alleinerziehenden und Adoptiveltern werden in der Regelung mitbedacht.
Was bei Comspace zum neuen Benefit wird, sollte um vier Tage abgespeckt eigentlich noch in diesem Jahr zum gesetzlichen Standard werden. Bislang müssen Unternehmen, die sich für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf einsetzen, aber noch selbst die Initiative ergreifen. Woran liegt das?
Familienstartzeit: Das Gesetz lässt auf sich warten
Auf EU-Ebene gilt schon seit 2019: Bekommt ein Paar ein Kind, stehen dem begleitenden Elternteil ab dem Geburtstermin zehn Tage bezahlter Urlaub zu. Bis 2022 hätte die EU-Vorschrift eigentlich auf Länderebene umgesetzt werden sollen. Deutschland hatte das mit Verweis auf die bereits bestehenden Regelungen zur Elternzeit aber zunächst abgelehnt.
Mit dem Regierungswechsel folgte die Kursänderung im Koalitionsvertrag; 2023 kündigte Familienministerin Lisa Paus von den Grünen an, dass die zehntägige „Familienstartzeit“ noch 2024 im Mutterschutzgesetz verankert werden soll.
Aussehen soll das Ganze wie folgt: Der zehntägige, bezahlte Sonderurlaub ab Geburtstermin muss im Gegensatz zur Elternzeit nicht behördlich beantragt werden, sondern steht jedem begleitenden Elternteil zu. Ein direkter Übergang von der Familienstartzeit in eine genehmigte Elternzeit ist möglich. Alleinerziehende haben die Möglichkeit, eine Person zu bestimmen, die die zehntägige Familienstartzeit in Anspruch nehmen kann, um sie zu unterstützen.
Unklar ist allerdings, bis wann das Gesetz tatsächlich in Kraft tritt. Vor allem die FDP übt massive Kritik an den Finanzierungsplänen der Familienzeit und stellt sich dementsprechend quer.
Für bessere Vereinbarkeit: Diese Unternehmen „möchten nicht länger warten“
Bei Comspace habe man „nicht länger auf die schleppende Umsetzung des EU-Rechts warten“ wollen, heißt es von der Bielefelder Digitalagentur auf Anfrage. Das rund 100-köpfige Team sei überwiegend männlich besetzt, „und genau da sehen wir einen großen Hebel zur Vereinbarkeit. Wir haben moderne Väter und Partner:innen an Bord, die sich in die Betreuung und Erziehung ihrer Kinder einbringen möchten“.
Mit der Initiative ist Comspace nicht alleine: Der Dax-Konzern Henkel bietet seinen Mitarbeitenden weltweit eine achtwöchige Elternzeit bei vollem Gehalt, Unternehmen wie HPE und Barilla stocken immerhin in einem festgelegten Zeitrahmen das gesetzliche Elterngeld auf ein volles Gehalt auf.
SAP wollte seinen Beschäftigten sechs Wochen Elternstartzeit ermöglichen, hat die angekündigte Initiative mittlerweile aber wieder zurückgezogen. Man habe keine international durchführbare Lösung gefunden, hieß es dazu vom Softwarekonzern.
Untersuchungen zur Elternzeit zeigen übrigens: Der Karriereknick, den Mütter mit der Geburt ihres Kindes in Kauf nehmen, kann durch eine längere Elternzeit der zugehörigen Partner:innen abgeschwächt werden. Die Familienstartzeit – ob nun vom Arbeitgeber als Benefit geboten oder irgendwann gesetzlich verankert – würde hier zumindest zwei Wochen ohne finanzielle Einbußen und schrumpfenden Erholungsurlaub beisteuern.