Amazon-Entwickler am Limit: KI-Druck verwandelt Programmieren in Fließbandarbeit

Bei Amazon stehen einige Veränderungen für Mitarbeiter:innen an. Zuletzt wurde etwa bekannt, dass der Onlinehändler Homeoffice-Möglichkeiten weiter einschränkt. Zudem gab es erste Personalkürzungen, durch die eine Umstrukturierung der Amazon-Struktur angestoßen werden soll. Die Veränderungen merken aber nicht nur Manager:innen und Mitarbeiter:innen im Versand. Auch bei Programmierer:innen, die seit Jahren für Amazon arbeiten, hat sich ein Wandel vollzogen.
Fließbandarbeit beim Programmieren: So fühlen sich Amazon-Entwickler:innen
Das geht aus einem Bericht der New York Times hervor, die mehrere Stimmen von aktuellen und ehemaligen Entwickler:innen bei Amazon eingefangen hat. Sie berichten, dass Amazon den von den Entwickler:innen geforderten Output deutlich erhöht hat. Zudem sollen Deadlines nicht mehr flexibel sein und deutlich knapper ausfallen als noch vor ein paar Jahren.
Ein langjähriger Amazon-Mitarbeiter sagt etwa, dass neue Funktionen für die Website des Unternehmens normalerweise einige Wochen Zeit in Anspruch genommen haben. Jetzt müssen neue Features innerhalb von wenigen Tagen erstellt und veröffentlicht werden. Ein Weg, um das zu erreichen, ist, Meetings mit Kolleg:innen zu streichen. Dadurch gibt es nur noch selten Feedback für die neuen Amazon-Funktionen und Gespräche über alternative Ideen und Problemlösungen bleiben aus.
Der deutlich größere Hebel, durch den Amazon solch hohe Produktivitätslevel überhaupt verlangen kann, ist künstliche Intelligenz. Drei der Programmierer:innen sagen gegenüber der New York Times, dass ihre Vorgesetzten sie regelrecht zur Nutzung von KI-Tools drängen. Einer von ihnen sagt, dass sein Team mittlerweile nur noch halb so viele Mitarbeiter:innen wie im vergangenen Jahr umfasst. Dennoch müssen sie genauso viel Code wie zuvor schreiben.
Coder:innen sind zwar nicht gezwungen, die Tools zu nutzen, doch können sie ohne die Unterstützung die erforderlichen Quoten nicht erfüllen. Oftmals schauen die Programmierer:innen der KI nur dabei zu, wie sie Code kreiert. Sie müssen diesen am Ende nur auf Fehler überprüfen. Auch das sehen viele als Problem für neue Entwickler:innen. Sie können von der KI nicht lernen und bekommen so auch keine Chance, neugewonnene Skills als Argument in Gehalts- oder Feedback-Gesprächen zu nutzen.
Manche Amazon-Programmierer:innen vergleichen ihre neue Situation mit den Veränderungen, die Versandmitarbeiter:innen vor Jahren durchmachen mussten. Statt jedes Produkt einzeln aus den Regalen zu holen und täglich kilometerweit zu laufen, bringen in vielen Lagern mittlerweile Roboter die Produkte zu den Versandmitarbeiter:innen. Die Erleichterung wirkt sich aber bei einigen dennoch negativ aus. Ihre Arbeit ist durch das ständige Stehen anstrengender und durch die höhere Frequenz an Produkten monotoner und belastender.
Um sich gegen die Veränderungen zu wehren und mit anderen Amazon-Mitarbeiter:innen auszutauschen, sind einige Programmierer:innen einer Gruppe namens „Amazon Employees für Climate Justice“ beigetreten. Die Gruppe hat eigentlich das Ziel, Amazon dazu zu bewegen, den CO2-Ausstoß des Unternehmens zu reduzieren. Allerdings ist die Gruppe mittlerweile ein Ort, an dem die Betroffenen über ihren Frust und ihren Druck offen mit anderen sprechen können.