Nach wochenlangen Debatten am Verhandlungstisch haben sich die drei Regierungsparteien SPD, Gründe und FDP auf wesentliche Punkte geeinigt und ihren gemeinsamen Koalitionsvertrag veröffentlicht. Neben t3n-nahen Themen wie IT-Infrastruktur, Arbeit, Handel und Startups dreht sich im über 177 Seiten starken Dokument (PDF) ein großer Bereich um den Bereich der Mobilität. Dabei spielen nicht nur E-Autos eine Rolle, die Ampel hat sich auch auf den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) geeinigt. Andere Player im Mobilitätsmix spielen weiterhin eine kleine Rolle.
Zudem spielen Themen wie Batteriezellen-Fertigung und -Recycling, aber auch Wasserstoff und E-Fuels eine Rolle. Viele der Aussagen zur Zukunft der Mobilität sind indes recht schwammig formuliert. Klar war schon vorher, dass es wohl auf Treiben der FDP kein generelles Tempolimit geben wird.
Die Ampel will Autoindustrie transformieren: Bis 2030 15 Millionen E-Autos
Im Bereich der Mobilität und der Autoindustrie spricht die Koalition von einer umfassenden Transformation, unter anderem um „die Klimaziele im Verkehrsbereich zu erreichen“. So plane die neue Regierung Deutschland „zum Leitmarkt für Elektromobilität“ sowie „zum Innovationsstandort für autonomes Fahren“ zu machen. Weiter will die Ampel-Regierung „den Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur“ massiv ausbauen.
Bis 2030 sollen 15 Millionen vollelektrische Pkw auf den Straßen fahren. Mit der Betonung auf vollelektrisch werden die umstrittenen Plug-in-Hybride klar ausgeklammert. Der Fokus liege damit auf reinen batterieelektrisch angetriebenen Fahrzeugen. Auf Wasserstoff-Autos, die letztlich auch rein elektrisch angetrieben werden, wird nicht explizit eingegangen.
Wasserstoff für andere Bereiche als für Pkw
Der Einsatz von Wasserstoff soll zwar nicht auf bestimmte Anwendungsfelder begrenzt werden, es solle indes „vorrangig in den Wirtschaftssektoren genutzt werden, in denen es nicht möglich ist, Verfahren und Prozesse durch eine direkte Elektrifizierung auf Treibhausgasneutralität umzustellen“. Damit schließt die neue Bundesregierung letztlich den Einsatz von Wasserstoff in Pkw weitgehend aus. Diese Strategie verfolgen abgesehen von BMW letztlich alle deutschen Autohersteller. Sowohl VW, als auch Audi und Daimler haben sich auf batterieelektrisch angetriebene Autos eingefahren.
Was in dem Papier fehlt, ist ein konkretes Enddatum für den Verkauf von Autos mit Verbrennungsmotor. Dass die neue Regierung den Ausstieg im Visier hat, wird im Vertrag dennoch mit folgender Aussage deutlich: „Schritt für Schritt beenden wir das fossile Zeitalter, auch, indem wir den Kohleausstieg idealerweise auf 2030 vorziehen und die Technologie des Verbrennungsmotors hinter uns lassen.“
Gegen ein Enddatum für Verbrenner hatte sich schon im Vorhinein die FDP ausgesprochen; die Grünen zielten indes ein Aus für 2030 an. Das wären rund fünf Jahre, bevor die EU den Verbrenner auslaufen lassen will. „Gemäß den Vorschlägen der Europäischen Kommission werden im Verkehrsbereich in Europa 2035 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zugelassen – entsprechend früher wirkt sich dies in Deutschland aus“, heißt es im Koalitionsvertrag. „Außerhalb des bestehenden Systems der Flottengrenzwerte setzen wir uns dafür ein, dass nachweisbar nur mit E-Fuels betankbare Fahrzeuge neu zugelassen werden können.“
Innovationsprämie soll weitergeführt werden
Entgegen den Forderung der FDP, die Innovationsprämie auslaufen zu lassen, haben SPD und die Grünen sich für eine Fortsetzung der Kaufprämie ausgesprochen: „Insbesondere aufgrund bestehender Auslieferungsschwierigkeiten der Hersteller bei bereits bestellten Plug-in-Hybrid-Fahrzeugen werden wir die Innovationsprämie zur Unterstützung der Anschaffung elektrischer Pkw unverändert nach der bisherigen Regelung bis zum 31. Dezember 2022 fortführen.“
Ab dem 1. Januar 2023 soll die Prämie dann nur noch für Fahrzeuge ausgegeben werden, die „nachweislich einen positiven Klimaschutzeffekt haben, der nur über einen elektrischen Fahranteil und eine elektrische Mindestreichweite definiert wird“. Die elektrische Mindestreichweite der Fahrzeuge müsse ab dem 1. August 2023 80 Kilometer betragen. Über das Ende des Jahres 2025 hinaus sei die Innovationsprämie nicht mehr erforderlich, heißt es weiter.
Unklar ist die Umsetzung bei Dienstwagen: Denn bei Plug-in-Hybriden soll laut Koalitionsvertrag über eine Änderung in der Dienstwagensteuer der elektrische Fahranteil erhöht werden. Der Plan sehe vor, dass Plug-in-Hybride nur noch dann privilegiert werden können, wenn sie zu mehr als 50 Prozent elektrisch fahren.
Ausbau der Ladeinfrastruktur
Da Elektroautos geladen werden müssen, sieht die Regierung einen Ausbau der Ladeinfrastruktur vor, der „dem Bedarf vorausgehen“ müsse. Die bereits veranschlagte Zahl von einer Million öffentlich zugänglicher Ladepunkte bis 2030 soll erhalten bleiben. Der Schwerpunkt werde allerdings auf den Ausbau der Schnellladeinfrastruktur ergänzt, heißt es.
Deren Ausbau soll ressortübergreifend beschleunigt und durch Entbürokratisierung effizienter gemacht werden. „Wo wettbewerbliche Lösungen nicht greifen, werden wir mit Versorgungsauflagen, wo baulich möglich, die verlässliche Erreichbarkeit von Ladepunkten herstellen“. Weiter wolle die Regierung Genehmigungsprozesse vereinfachen und Netzanschlussbedingungen abbauen.
Überdies sollen E-Autos Teil des Stromnetzes werden. Wie etwa beim VW ID 5 soll bidirektionales Laden ermöglicht werden, sodass Fahrzeuge bei Bedarf auch Energie ins Netz zurückführen können. Mehr Transparenz wolle die Regierung außerdem in den Bereichen Strompreis und Belegungsstatus schaffen.
Die Koalition will Deutschland außerdem „zu einem Zentrum für Forschung, Fertigung und Recycling von Batteriezellen“ gestalten. Hierfür sollen neue Standorte für die Zellproduktion entstehen. Dabei sollen Recyclingvorhaben „von zentraler Bedeutung“ sein, zudem sei die „Forschung an der nächsten nachhaltigen Batterie-Generation ein relevanter Aspekt. Projekte wie die Europäische Batterieförderung (IPCEI) sollen zudem weiterentwickelt werden, heißt es.
Ampel will den ÖPNV verbessern
Zwar spielt im Koalitionsvertrag die Transformation der Autoindustrie eine große Rolle, der ÖPNV und intermodale Verknüpfungen sollen aber auch ausgebaut werden.
So plane die Regierung, die Fahrgastzahlen des öffentlichen Verkehrs deutlich zu steigern, nennt dabei aber keine konkreten Zielzahlen: „Wir wollen einen Ausbau- und Modernisierungspakt, bei dem sich Bund, Länder und Kommunen unter anderem über die Finanzierung bis 2030 einschließlich der Eigenanteile der Länder und Kommunen und die Aufteilung der Bundesmittel verständigen sowie Tarifstrukturen diskutieren.“ Zudem will die Ampel grenzüberschreitenden Verkehr stärken und mit der EU sowie ihren Mitgliedstaaten Nachtzugangebote aufbauen. Weitere Pläne für den Ausbau einen europaweiten Schienennetzes sind nicht zu finden.
Weiter spricht sich die Ampelkoalition sich für „[d]igitale Mobilitätsdienste, innovative Mobilitätslösungen und Carsharing“ aus. Man wolle sie in eine langfristige Strategie für autonomes und vernetztes Fahren öffentlicher Verkehre einbeziehen.
Zum Ausbau des Fahrrad- und Fußverkehrs findet man wenig im Koalitionspapier: Die Ampel will den „nationalen Radverkehrsplan umsetzen und fortschreiben, den Ausbau und die Modernisierung des Radwegenetzes sowie die Förderung kommunaler Radverkehrsinfrastruktur vorantreiben.“ Weiter heißt es: „Den Fußverkehr werden wir strukturell unterstützen und mit einer nationalen Strategie unterlegen.“ Besonders in städtischen Bereichen besteht starker Nachholbedarf hinsichtlich des Infrastrukturausbaus für Verkehrsmittel jenseits des Autos, die als besonders klimafreundlich gelten.
Fazit
Im Bereich Mobilität liegt der Fokus des Koalitionspapiers klar auf der Zukunft des Autos. Individuelle Elektromobilität gepaart mit einer entsprechenden Ladeinfrastur sollen gefördert werden. Von einer Reduzierung des Autoverkehrs ist nicht die Rede, auch wenn die neue Regierung von einem stärkeren Ausbau des ÖPNV spricht. Carsharing als Ergänzung zum ÖPNV und als Alternative zum Privatauto, spielt eine untergeordnete Rolle.