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Analyse

Koalitionsvertrag: Das plant die neue Bundesregierung bei Digitalisierung und IT-Infrastruktur

Die drei Koalitionspartner SPD, FDP und Grüne haben mit dem Koalitionsvertrag einen grundlegenden Fahrplan vorgelegt. Und der ist mehr als je zuvor geprägt von Digitalisierung, Wunsch nach digitaler Infrastruktur und IT-Sicherheitsthemen.

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„Mehr Fortschritt wagen“ will die Ampel-Koalition durch ihren 178 Seiten starken Vertrag. (Foto: dpa)

Rund einen Monat haben die drei Koalitionspartner SPD, FDP und Grüne gebraucht, um sich zusammenzuraufen und einen Koalitionsvertrag zu beschließen – erstaunlich zielstrebig, diszipliniert und offenbar bereit, ergebnisorientiert zu arbeiten, ohne mehr als nötig aus den Verhandlungen vorab an die Öffentlichkeit dringen zu lassen. Schon das muss man, unabhängig von dem, was die Koalitionspartner als Einigung erzielt haben, hervorheben.

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Ob die Verhandlungen tatsächlich so harmonisch und wertschätzend verlaufen sind, wie insbesondere Christian Lindner (FDP) mit Verweis auf die Qualitäten des wahrscheinlich neuen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) erklärt hat, werden wir nie erfahren. Doch schaut man sich insbesondere die Punkte im Koalitionsvertrag, die Digitalisierung, IT-Infrastruktur und -Security betreffen, wird schnell klar, dass die Interessen der Parteien sich nicht immer voneinander unterscheiden müssen – und dass die FDP hier vieles untergebracht hat, was ihr bereits im Wahlkampf am Herzen lag.

Infrastruktur: Bei Glasfaser sollen die Letzten die Ersten sein

Gleich das erste Kapitel nach der Präambel befasst sich zentral mit dem „modernen Staat, digitalem Aufbruch und Innovationen“. Wenig überraschend hier, dass man „das Potenzial der Digitalisierung in Staat und Gesellschaft besser nutzen“ wolle und „flächendeckende Versorgung mit Glasfaser und dem neuesten Mobilfunkstandard“ hierfür als Grundlage sieht. Das hätte freilich auch schon Andreas Scheuer (CDU) vor vier Jahren so formuliert (und wahrscheinlich auch die Vorgängerregierungen).

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Erklärtes Ziel ist hier flächendeckender Glasfaserausbau (FTTH), insbesondere dort, wo bislang noch keine ausreichende Alternative vorliegt. Gut möglich, dass – ähnlich wie beim Straßenbau in den neuen Bundeländern in den 90ern – gerade dort, wo die Situation heute noch desolat aussieht, eine vernünftige bis fortschrittliche Netzversorgung erreicht wird. Denn gerade dies wäre ja eine Möglichkeit des aktiven Klimaschutzes, indem insbesondere Menschen, die am Schreibtisch arbeiten, nicht zwingend jeden Tag ins Büro in der Metropole pendeln müssen. Ein bundesweites Gigabit-Grundbuch, das die Nachvollziehbarkeit verfügbarer Netze ermöglicht, lässt hier zumindest hoffen.

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Ganz konkret soll der Verbraucherschutz bei den zugesicherten Bandbreiten verstärkt werden – eine Aussage, die insbesondere den Providern kaum gefallen dürfte, die in diesem Kontext stärker in die Pflicht genommen werden. Apropos: Bei öffentlicher Vollfinanzierung hat das Betreibermodell Vorrang. Das dürfte insbesondere bedeuten, dass die Telekom eines ihrer alten De-facto-Privilegien verliert. Eher am Rande interessant für Unternehmen und Hausbesitzer ist eine Förderung bei Inhouse-Glasfaserverkabelung. Leider bestenfalls am Rande in einem dürren Satz bekennt sich die neue Bundesregierung zudem zu digitaler Teilhabe für alle (Barrierefreiheit) und zu Netzneutralität.

Digitale Bürgerrechte und IT-Sicherheit

Konkreter und insbesondere von den Ideen der FDP (und teilweise der Grünen) geprägt sind die digitalen Bürgerrechte. Die Bundesregierung spricht von einem Recht auf Verschlüsselung und will „Security-by-Design/Default“ vorsehen. Dabei soll auch der Staat zu einer verpflichtenden echten verschlüsselten Kommunikation angehalten werden. Unternehmen, die fahrlässig (diese Einschränkung ist wichtig) durch IT-Sicherheitslücken in ihren Produkten Schäden verursachen, können in die Haftung genommen werden. Auch in diesem Zusammenhang wieder die Berufung auf Open Source-Technologien bei der Weiterentwicklung der IT-Sicherheitsstrategie und des IT-Sicherheitsrechts. Bei der Datenpolitik wolle man Anonymisierungstechniken fördern und die Strafbarkeit rechtswidriger De-Anonymisierung einführen.

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Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) soll dabei unabhängiger aufgestellt werden – was das konkret bedeutet und wie verbindlich das ist, wird sich aber erst noch zeigen müssen. Nicht-vertrauenswürdige Unternehmen werden beim Ausbau kritischer Infrastrukturen nicht beteiligt – auch das ist keine gänzlich neue Strategie und wird erst noch unter Beweis gestellt werden müssen.

Interessant dagegen das klare Bekenntnis zu Datenspenden gemeinsam mit Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft: „Wir streben einen besseren Zugang zu Daten an, insbesondere um Startups sowie KMU neue innovative Geschäftsmodelle und soziale Innovationen in der Digitalisierung zu ermöglichen“ – mehr dazu in unserem Artikel zum Thema.

Und noch eine spannende Neuerung im Umgang mit Daten – hier konkret Forschungsdaten – zeigt, dass die neue Bundesregierung in vielen Punkten andere Schwerpunkte setzt als die bisherige: Eher am Rande wird erklärt, dass man den Zugang zu Forschungsdaten für öffentliche und private Forschung mithilfe eines Forschungsdatengesetzes verbessern sowie vereinfachen wolle. Ein wissenschaftsfreundlicheres Urheberrecht und Open Access als gemeinsamer Standard klingen nach zeitgemäßem Umgang mit Wissenstransfer.

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Digitale Verwaltung: Vieles läuft auf „einer für alle“ raus

Bemerkenswert ist aber das klare Bekenntnis zu einer digitalen Verwaltung – und hier das Bekenntnis zu Open-Source-Technologien im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen. Doch selbst das ist, auch wenn es in früheren Koalitionsverträgen nicht so prominent benannt wurde, nicht gänzlich neu – es ist aber bemerkenswert, dass das Onlinezugangsgesetz, das bis 2023 vorsieht, dass sämtliche Fachverfahren der Verwaltung in digitaler Form vorliegen oder konsolidiert sind, so konkret angegangen wird. Das Einer-für-alle-Prinzip sieht vor, dass Kommunen offenbar länderübergreifend mit öffentlichen Mitteln entwickelte Lösungen übernehmen können. Ob es dazu wirklich kommt (und nicht parallel doppelt entwickelt wird) darf man bei Kenntnis der Verwaltungs-IT in ihrer Komplexität allerdings bezweifeln.

Eine agile und digitale Verwaltung, die ein Stück weiter von der Schriftform wegkommt, ist aber nur ein Element dessen, was sich in der Digitalisierung tun soll. Der „umfassende digitale Aufbruch“ soll, so erklären die Koalitionspartner, mit „ambitionierten und überprüfbaren Zielen“ verbunden werden. Die Rede ist zudem von einem „zentralen Digitalbudget“, was jetzt eher unkonkret klingt. Ist dieses auf wirtschaftliche Maßnahmen hin ausgerichtet oder eher für Infrastrukturmaßnahmen vorgesehen? Und, wichtigster Punkt, wie hoch wird es sein?

Ein Digitalcheck für alle neuen Gesetze

Zudem wolle man, ähnlich wie das ja im Klimabereich geplant ist, sämtliche neuen Gesetze und Initiativen einem Digitalisierungscheck unterziehen. Wie verbindlich ein solcher Check sein kann, wird sich – in beiden Themenfeldern – erst zeigen müssen, aber eine Sache, auf die sich digitalaffine Stakeholder berufen können, ist all das schon.

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Schmücken will sich die Bundesregierung – und damit Deutschland – natürlich auch mit neuen Technologien wie künstliche Intelligenz (KI), Quantentechnologien, Cybersicherheit, Distributed-Ledger-Technologie (DLT) und Robotik. Einerseits geht es dabei um die Stärkung der Felder im eigenen Land, aber nicht weniger auch um die Zusammenarbeit starker europäischer Forschungsstandorte, insbesondere bei KI. Während man sich klar zum europäischen AI Act bekennt, sollen mit Blick auf die digitalen Bürgerrechte, insbesondere die Diskriminierungsfreiheit, automatisierte staatliche Scoring-Systeme durch KI europaweit verboten bleiben.

Fazit: Digitalere Handschrift war nie

Der Koalitionsvertrag hat im Hinblick auf die Digitalisierung eine Reihe zeitgemäßer Ideen und Ansätze – von Infrastruktur auf Glasfaserbasis über eine modernere digitalere Verwaltung, die ohnehin bereits durch das OZG vorgeprägt ist, bis hin zu IT-Sicherheit und Datenschutz. Den Unterschied aber macht, dass mehr denn je Digitalthemen hier überhaupt vorkommen, auch wenn Vieles eher stichwortartig vorkommt oder gestreift wird. Doch auch wenn erneut auf ein explizites Digitalministerium verzichtet wird, sollen zwischen den einzelnen Ministerien „feste ressort- und behördenübergreifende agile Projektteams und Innovationseinheiten“ gebildet werden – und die können dazu beitragen, dass IT-Infrastruktur, Datenrechte und Privatsphäre (auch und besonders im Rahmen der digitalen Verwaltung) ausreichend zu ihrem Recht kommen.

Deutschland mag in Sachen Digitalthemen kein Vorreiter sein, die einschlägigen Player haben es aber immerhin geschafft, dass die neue Bundesregierung einige Themen in den Koalitionsvertrag aufgenommen hat, die unter der alten nicht den Stellenwert gehabt hätten, der sie für einen solchen Fahrplan qualifiziert. Ob dieser positive erste Wurf allerdings über vier Jahre hält, werden SPD, FDP und Grüne erst noch unter Beweis stellen müssen, ähnlich wie dies bei Klimafragen der Fall sein wird.

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