Warum Anleger keine Angst vor Biotechs haben müssen
Biotech-Investments galten lange Zeit als Hopp-oder-Top-Wetten. Tatsächlich haben viele Biotechnologie-Unternehmen nur ein Produkt in der Pipeline und versuchen, innerhalb von wenigen Jahren Kapital einzusammeln und klinische Studien auf den Weg zu bringen, die eine Zulassung rechtfertigen. Wird schließlich aus einer Idee ein Produkt, weist der entsprechende Aktienkurs nicht selten einen kräftigen Sprung nach oben auf. Vervielfachung nicht ausgeschlossen. Häufig steckt in solchen Fällen auch ein Übernahmeangebot eines großen Pharma-Riesen dahinter, der sich das neue Produkt und die damit verbundene Vertriebsexklusivität sichern will. Doch natürlich kommt es an der Börse oftmals anders als man denkt. Wie sollten Anleger damit umgehen?
Skepsis ist bei spekulativen Investments immer angebracht. Im Fall von Biotechs kann es immer vorkommen, dass selbst vielversprechende Ergebnisse in klinischen Studien letztlich doch nicht zu einer Zulassung führen. Einer der häufigen Gründe liegt darin, dass neue Wirkstoffe immer mit bestehenden Präparaten konkurrieren müssen. Für eine Zulassung müssen Präparate hinsichtlich Wirkung, Sicherheit und anderen Kriterien punkten. Sich gegen effektive Wirkstoffe, die zudem seit Jahren bewährt und bei der gezielten Gabe auch kaum Nebenwirkungen haben, durchzusetzen, ist schwer. Ein Beispiel ist etwa Kortison, das von Pharmakologen als äußerst effektiv und sicher beschrieben wird. Trotzdem lohnt es sich für Anleger, bei Biotech-Titeln gerade heute genau hinzuschauen. Warum?
Rollt Technologie gescheiterte Studien wieder auf?
Die Covid-19-Pandemie hat nicht nur der mRNA-Technologie einen Schub gegeben, sondern dank beschleunigter Zulassungsverfahren auch anderen Biotech-Projekten. Da Covid-19 insbesondere für Menschen mit Vorerkrankungen gefährlich ist, legen immer mehr Unternehmen Studien auf, die sich gezielt an Covid-19-Patienten mit eben diesen Vorerkrankungen richten. Dabei geht es um Diabetes oder auch Erkrankungen des Herzens. Die Überlegung dabei: Wenn ein Wirkstoff Komplikationen im Zuge von Covid-19 vermindern kann, deutet das auch auf eine Wirkung unabhängig von einer Virus-Infektion hin. Studien im Zusammenhang mit der Pandemie versprechen allerdings beschleunigte Zulassungsverfahren und setzen die jeweiligen Unternehmen in den medialen Fokus – eine mögliche zweite Biontech ist als Story einfach besser zu vermarkten als ein Spezialmedikament rund um eine typische Wohlstandskrankheit in Industrieländern.
Doch nicht nur Forschungsansätze im Zusammenhang mit Covid-19 versprechen Erfolge. Der Biotech-Sektor bietet inzwischen Technologien, die das Zeug dazu haben, selbst gescheiterte Forschungsprojekte wiederzubeleben. Ein Beispiel sind sogenannte Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (Englisch: ADC). Diese Technologie transportiert Wirkstoffe zielgenau dorthin, wo sie benötigt werden, beispielsweise krankhafte Zellen in der Krebstherapie. Die Folgen sind oftmals eine spezifischere Wirkung und eine geringere, zielgerichtet eingesetzte Dosis der oftmals sehr giftigen Wirkstoffe. Dank der reduzierten Toxizität könnten Wirkstoffe, die noch in der Vergangenheit in klinischen Studien an ihren Nebenwirkungen gescheitert sind, einen neuen Anlauf versuchen. Einfach deshalb, weil sie mit neuen ADC kombiniert werden können. Neben Pharma-Giganten forschen aktuell auch viele kleine Gesellschaften in diesem Bereich und versprechen sich davon einen positiven Effekt auf Zulassungsverfahren.
Curevac als mahnendes Beispiel
Ohne Zweifel bleiben Investments in Biotech-Gesellschaften spekulativ. Auch ist es wichtig, die Forschungsvorhaben mit Experten zu besprechen oder sich das Ganze direkt von den Verantwortlichen in den Unternehmen erklären zu lassen. Angesichts der aktuell schwierigen Marktlage sind Biotech-Investments aber interessant: Gelingt ein Projekt, winken attraktive Renditen, da neue Wirkstoffe exklusiv vertrieben werden können – angesichts der alternden Gesellschaften in Industrieländern ist das eine vielversprechende Perspektive. Gerade im Biotech-Sektor macht es allerdings wenig Sinn, alles auf eine Karte zu setzen. Das Beispiel der Tübinger mRNA-Spezialisten Curevac hat gezeigt, dass selbst anerkannte Experten rund um vielversprechende Technologie in der entscheidenden Studie danebenliegen können. Mit allen Folgen für Aktionäre – die Aktie der Tübinger hat in den vergangenen zwölf Monaten rund 80 Prozent ihres Wertes verloren. Ein bisschen „Hopp oder Top“ ist also auch weiterhin dabei.
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