Apple Watch Series 4: So schlägt sie sich im Alltagstest
Die neue Apple Watch Series 4 ist der größte Wurf, den Apple seit Einführung der Produktreihe mit der ersten Apple Watch im Jahr 2014 wagt. Der Konzern hat nicht nur das Design seiner Smartwatch überarbeitet, sondern über vier Hardware-Versionen auch das Konzept und die gebotenen Features verändert. Beim neuen Modell und den neuen Funktionen von watchOS 5 wird offensichtlich, wohin die Reise in Zukunft geht. Die Watch dürfte sich mit eigenem Mobilfunk-Chip weiter vom Smartphone emanzipieren und künftig könnten immer mehr medizinische Features und Sensoren den Fitness-Ansatz der Apple Watch erweitern. Mehr Hardware-Komponenten und Sensoren schlagen sich in Kombination mit einem größeren Display allerdings auch im Preis nieder.
Mehr Platz auf dem Screen, mehr Uhr am Handgelenk
Zum ersten Mal wurde bei der Series 4 die Bildschirmgröße der Apple Watch verändert. Im Gegensatz zu den beiden Vorgänger-Modellen ist jetzt 30 Prozent mehr Platz auf dem Bildschirm. Das Display ist in der Diagonale jedoch „lediglich“ rund 15 Prozent größer, was daran liegt, dass das Design der Smartwatch in vielen Bereichen weniger kantig ist und mehr Rundungen bietet. Der großzügiger bemessene Screen ist nicht nur die auffälligste Neuerung, sondern macht auch im Alltag einen gewaltigen Unterschied. Das zeigen schon die neuen Ziffernblätter, die einfach viel mehr Informationen an das Handgelenk des Trägers der Apple Watch bringen. Das Infograph-Watchface bietet beispielsweise bis zu acht Komplikationen.
Das größere Display wirkt sich natürlich auch auf die Abmessungen der Uhr aus. Stand die Series 3 noch als 38-Millimeter- und 42-Millimeter-Modell zur Verfügung, gibt es die Apple Watch Series 4 in den Größen 40 und 44 Millimeter. Zwei Millimeter Größenunterschied hören sich erstmal nicht so dramatisch an, sind aber in der Welt der Armbanduhren – und eben auch der Smartwatches – ein gehöriger Unterschied.
Aufgrund der runderen Ecken, einem geringfügig flacheren Gehäuse und einem Display, das mit weniger Rand auskommt, wirkt die Series 4 am Handgelenk jedoch nicht massiver als ihre Vorgängerin. Beim Tragekomfort lässt sich keine allgemeingültige Aussage treffen. Wer sich für eines der neuen Modelle interessiert, sollte sich die zwei Versionen vor dem Kauf dringend im stationären Handel ansehen und ausprobieren. Wir haben die 44-Millimeter-Version getestet und haben sie am Handgelenk nicht als größer oder unangenehmer empfunden als eine Series 3 mit 42 Millimetern.
Sichtbare Neuerungen bei der Apple Watch Series 4
Als deutlich angenehmer haben wir dagegen beim Modell mit LTE den subtileren, roten Ring an der „Digital Crown“ empfunden. Die Series 3 trug diesbezüglich mit einem großen, roten Punkt auf der Krone zu dick auf. Apropos LTE – die Rückseite der Series 4 besteht statt aus Metall nun aus Keramik. Das soll ein besseres Mobilfunksignal gewährleisten. Die Digitalkrone wurde mit haptischem Feedback ausgestattet, das beim Drehen des Rades einen täuschend echten Eindruck vermittelt.
Eine weitere Änderung beim Gehäuse ist das Mikrofon, das sich jetzt zwischen den beiden Bedienelementen an der rechten Seite und damit weiter entfernt vom Lautsprecher befindet. Das sollte die Tonqualität bei Anrufen verbessern. Der Lautsprecher tönt bei der neuen Apple Watch darüber hinaus deutlich lauter.
Wann macht die Series 4 schlapp?
Die Akku-Laufzeit der Series 4 erwies sich im Test als vergleichbar zum Vorgänger. Damit gehört es für Träger der Smartwatch auch weiterhin zum Abendritual, das Gadget aufzuladen. Wenn man es darauf anlegt, schafft man es maximal durch zwei Arbeitstage, bevor die Apple Watch schlapp macht.
Mehr Fokus auf Gesundheitsdaten
Die neue Watch aus Cupertino bietet deutlich mehr Features rund um das Thema Gesundheit, als die Series 3 vorweisen konnte. So ist dieses Mal beispielsweise eine Sturzerkennung an Bord. Sie ist per Default für alle Nutzer unter 65 Jahren deaktiviert. Das liegt daran, dass die Sturzerkennung bisher in erster Linie für Haushaltsunfälle wie beispielsweise den Sturz von einer Leiter gedacht ist.
Für Sport- oder Verkehrsunfälle funktioniere das laut Apple noch nicht zuverlässig genug. Ein Apple-Mitarbeiter erklärte uns das damit, dass bei Stürzen bei Skifahren, Biken oder während der Ausübung anderer Sportarten oftmals ein völlig anderes Bewegungsmuster auftreten würde. Die Sensoren der Series 4 sind bisher darauf ausgelegt, Stürze von oben nach unten zu erkennen. Bei Sportunfällen falle dieses Bewegungsmuster oftmals wesentlich geringer aus, da es dabei in erster Linie zu einer Beschleunigung nach vorne komme.
Rund um den Puls
Die vierte Generation der Apple Watch räumt der Messung der Herzfrequenz eine noch wichtigere Rolle ein. Die Messungen erwiesen sich im Vergleich mit dem Zählen der Herzfrequenz mit Finger auf dem Puls als ebenso identisch wie im Vergleich mit einem herkömmlichen Brustgurt für die Pulsmessung. Warnungen gibt es jetzt nicht mehr ausschließlich für eine zu hohe Herzfrequenz, sondern auch, wenn der Puls zu langsam ist. In Kürze soll zudem in den USA ein Feature ausgerollt werden, das nicht nur die Frequenz, sondern auch den Herzrhythmus interpretieren kann. Für den Anfang soll die Apple Watch damit Vorhofflimmern, das zur Bildung von Gerinnseln und in der Folge zum Schlaganfall führen kann, erkennen können. Kardiologen halten die Series 4 zwar für interessant, weisen aber auch auf die Gefahren hin.
Ebenso wie das Erkennen von Vorhofflimmern ist auch die EKG-Funktion der Apple Watch vorerst nur in den USA nutzbar. Das liegt laut Apple daran, dass die Gesundheitsbehörden der jeweiligen Länder das Gadget als medizinisches Gerät zulassen müssen. Interessanterweise geht es dabei nicht um die Hardware, sondern um die zuständigen Software-Komponenten, die bei diesen Funktionen involviert sind.
Die Funktionen sind zwar noch nicht nutzbar, wurden uns aber in einer Präsentation vorgeführt und lassen erahnen, was Apple mit der Watch in den kommenden Versionen vorhat.
Verbesserungen für Aktive
Auch die Series 4 macht als Activity-Tracker eine gute Figur. Viele der Funktionen wie die unterschiedlichen Ringe kommen Besitzern eines Vorgängermodells bekannt vor. Im Alltagstest empfanden wir die automatische Trainingserkennung als das beste neue Fitness-Feature. Schreitet man zum Beispiel forschen Schrittes voran, dauert es nicht lange, bis die Apple Watch den Träger fragt, ob er soeben ein Training begonnen hat, und ob man dieses Training aufzeichnen möchte. Das funktionierte während des Tests erstaunlich zuverlässig, und auch das Beenden einer Trainingseinheit entgeht der Series 4 nicht.
Siri auf der Apple Watch
Im Großen und Ganzen ist Siri auf der Series 4 immer noch die Alte. Wer die Sprachassistentin vorher nicht mochte, wird mit der neuen Apple Watch sicher auch nicht konvertiert. Unentschlossene und Siri-Liebhaber werden dagegen ein neues Feature begrüßen, mit dem sich die Sprachassistentin ganz ohne Knopfdruck und ein entschiedenes „Hey Siri“ aktivieren lässt. Hebt der Träger der Series 4 sein Handgelenk, kann er einfach mit seiner Anfrage loslegen.
Fazit
Uns hat die Apple Watch Series 4 gut gefallen. Doch noch viel mehr als bei den Vorgängern ist die Series 4 für Menschen, die einfach nur Schritte zählen und Benachrichtigungen erhalten wollen, zu viel des Guten, denn die Watch kann viel mehr. Dank des größeren Screens, neuer Funktionen und kleiner Verbesserungen wandelt sich die Apple Watch mit der Series 4 langsam vom Gadget zum nützlichen Handgelenk-Computer. Wer bisher noch keine Smartwatch sein Eigen nennt, ist mit der Apple Watch Series 4 bestens beraten.
Viele Features, mit denen Apple für die Series 4 wirbt, sind dank watchOS 5 allerdings auch auf den Vorgängermodellen nutzbar. Damit wird die Entscheidung für Nutzer, die ein Upgrade in Erwägung ziehen, deutlich schwerer, was nicht zuletzt an den hohen Preisen für die Series 4 liegt. Natürlich dient das größere Display als Hauptargument, aber die Series 4 ist für die meisten Menschen mit einem Preis ab 429 Euro kein Spontankauf. Für diesen Preis gibt es das Aluminium-Modell ohne LTE. Wer auf Letzteres Wert legt, muss 100 Euro drauflegen, und wer Edelstahl vorzieht, landet bei rund 700 Euro.