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Artikel 17: Mit Uploadfiltern wird das Internet zum Kabelfernsehen

Europaweit demonstrieren Menschen gegen die geplante Reform des Urheberrechts, während die Befürworter versprechen, Urheber künftig besser zu vergüten. Doch worum geht es genau? Teil 3 unserer Serie über die geplante EU-Urheberrechtsrichtlinie.

Von Enno Park
6 Min. Lesezeit
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Gegner von Artikel 17 (vormals Artikel 13) der Urheberrechtsreform fürchten sich vor Uploadfiltern. (Foto: dpa)

Nach Angaben des Bündnisses „Save the Internet“ waren es 200.000 Menschen, die vergangenen Samstag in Deutschland gegen Uploadfilter und den Artikel 17 (vormals Artikel 13) der EU-Urheberrechtsreform demonstriert haben. Das geplante Leistungsschutzrecht und die Ausschüttung von Urheberrechtsabgaben an Verlage, die wir in Teil 1 und 2 dieser Serie behandelt haben, hätten niemals so viele Menschen auf die Straße gebracht wie die Angst vor Uploadfiltern.

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Dabei geht es in Artikel 17 gar nicht um Uploadfilter, die tatsächlich an keiner Stelle im Gesetzestext erwähnt werden. Es geht um die Lizenzierung von Inhalten. Internet-Plattformen sollen künftig gezwungen werden, dafür zu sorgen, dass ihre Nutzer nur noch Inhalte hochladen können, für die die jeweilige Plattform auch eine Lizenz erworben hat.

Die Uploadfilter sind ein Nebeneffekt davon. Laden Nutzer Inhalte hoch, für die die jeweilige Plattform keine Lizenz hat, haftet künftig die Plattform für Rechtsverletzungen. Ihr bleibt also nichts anderes übrig, als jeden einzelnen Upload darauf zu überprüfen, ob er lizenziert ist. Das ist selbst bei der Menge an Uploads nur mit automatischen Filtern denkbar. Die Gegner der Reform befürchten, dass solche Filter nicht in der Lage sein werden, die illegale Schwarzkopie eines Werkes von einer urheberrechtlich durchaus erlaubten Parodie oder einem Zitat zu unterscheiden. Wenn Zitate oder Parodien nicht mehr hochgeladen werden können, wäre das ein empfindlicher Eingriff in die freie Meinungsäußerung von Millionen von Internet-Nutzern.

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Uploadfilter verhindern User-Generated-Content

Wie unzuverlässig Uploadfilter sind, hat in der Vergangenheit das Content-ID-Verfahren von Youtube bewiesen. Da konnte schonmal passieren, dass ein Youtube-Kanal Material eines anderen Youtuber-Kanals zitiert und für das gesamte Video die Urheberschaft reklamiert, was dazu führt, dass das zitierte Originalvideo gesperrt wurde.

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In Wahrheit ist die Situation aber noch schlimmer. Urheberrechtlich geschützt ist nämlich nicht nur, was ein Verlag oder ein Label veröffentlicht, sondern jedes Werk ab einer bestimmten Schöpfungshöhe. Also jedes Selfie, jeder halbwegs ausgearbeitete Text, der länger ist als ein Tweet, jede selbsterstellte Grafik, ja sogar ein Kochrezept. Wir alle sind Urheber, sobald wir nur Instagram benutzen. Da solche DIY-Werke einerseits dem Urheberrecht unterliegen und andererseits nicht von Medienhäusern vermarktet werden, tauchen sie auch nicht in den Lizenz-Datenbanken auf, anhand derer ein Uploadfilter grünes Licht geben würde.

Streng angewendet droht also eine Rechtslage, die fast jeden Upload unmöglich macht und paradoxerweise gleichzeitig nur noch Uploads von kommerziellem Material erlaubt – nämlich solches, das von der Plattform lizenziert wurde. Egal, ob da automatische Uploadfilter oder menschliche Kontrolleure am Werk sind: Lädt jemand etwas hoch, das die Plattform nicht kennt, ist es unmöglich, festzustellen, ob der Uploader auch die Rechte an dem Material hat. Da die Plattform im Falle eines Urheberrechtsverstoßes haftet, muss sie den Upload aus Selbstschutz ablehnen.

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Schaden für die Digitalwirtschaft

Letztlich geht es also nicht um Uploadfilter und Zensur, sondern darum, dass Content-Verwerter versuchen, mithilfe dieser Reform die Vermarktung von User-Generated-Content an den Medienhäusern vorbei so schwer wie möglich zu machen. Inhalte sollen gefälligst über die Apps der Content-Anbieter konsumiert werden und nicht auf den Plattformen, es sei denn, die Plattformen zahlen Lizenzgebühren. Eine solche Reform entstammt einem Denken, das im Internet einfach nur einen weiteren Vertriebsweg sieht neben Büchern, CDs und DVDs – und noch nicht begriffen hat, dass das Internet mit seinen Plattformen Kommunikations- und Lebensraum für Millionen von Menschen ist.

Axel Voss, Berichterstatter für die Reform im EU-Parlament, jedenfalls stellt die die Existenzberechtigung von Youtube grundsätzlich in Frage. Allerdings kann derzeit niemand sagen, wie streng dieses Recht angewendet und durchgesetzt wird. So wollen CDU-Politiker einerseits im EU-Parlament für die Reform stimmen und stellen anderseits in Aussicht, sie anschließend in Deutschland einfach nicht vollständig umzusetzen. Es muss nicht soweit kommen, dass das Internet in eine Art Kabelfernsehen verwandelt wird. Wenn aber geltendes Recht nur so halb angewendet wird, droht Rechtsunsicherheit mit all ihren negativen Folgen für die Digitalwirtschaft.

Und betroffen wären alle Bereiche der Digitalwirtschaft, die sich mit Online-Diensten an Endkunden wenden. Es geht eben nicht nur um Youtube oder Instagram. Jede App und Website, die Uploads zulässt – egal ob Dating-Seite, Immobilienmarkt oder Diskussionsforum – müsste den sämtlichen Content kontrollieren. Sogar Websites, die keine Uploads vorsehen, aber eine einfache Kommentarfunktion, müssten künftig filtern, denn in den Kommentaren könnte ja jemand einen urheberrechtlich geschützten Text veröffentlichen. Selbst Profilbilder und Avatare stehen zur Disposition: Zeigt es wirklich einen Nutzer oder Donald Duck? Und wenn es ein Foto ist, das den Nutzer zeigt, hat der Fotograf auch eine Lizenz für die Veröffentlichung des Bildes erteilt? Hat Mytaxi Lizenzen für die Fotos von Nutzern und Taxifahrern, die in der App angezeigt werden? Woher stammt das Produktfoto in der Ebay-Auktion? Was passiert mit Postings von Foristen, die im Footer ein Zitat von Loriot oder Douglas Adams unterbringen?

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Uploadfilter als Geschäftsmodell für Google und Facebook

All die Beispiele zeigen die Unmöglichkeit für Plattformbetreiber, mit oder ohne Uploadfilter den rechtlichen Anforderungen gänzlich zu genügen, ohne gleich alles zu verrammeln. Ausnahmen gibt es nicht wirklich, auch wenn die Befürworter der Reform anderes behaupten. Denn ausgenommen sind alle kommerziellen Plattformen, die gleichzeitig weniger als zehn Millionen Euro einnehmen, weniger als fünf Millionen Besucher im Monat haben und weniger als drei Jahre alt sind. Nach diesen drei Jahren also alle, egal, wie klein.

Während Artikel 17 also große Teile der Digitalwirtschaft bedroht, müssen sich ausgerechnet die großen Konzerne wie Facebook und die Google-Mutter Alphabet vergleichsweise weniger Sorgen machen. Natürlich ist das Erschweren von User-Generated-Content auch für sie eine empfindliche Einschränkung, allerdings haben sie eine gewisse Marktmacht, wenn es darum geht, mit den Medienhäusern Lizenzvereinbarungen abzuschließen. Beispiele gibt es schon jetzt, etwas Giphy, das alle angebotenen GIFs lizenziert hat und deren legale Nutzung ermöglicht.

Außerdem haben sie einen großen Vorsprung bei der Entwicklung von Uploadfiltern, die bei Facebook und Youtube bereits heute zu verschiedenen Zwecken im Einsatz sind. Ein 20-Seelen-Startup wäre von Lizenzverhandlungen und der Eigenentwicklung von Uploadfiltern völlig überfordert. Die Großen können sich aussuchen, ob sie ihre kleinen Konkurrenten einfach draufgehen lassen oder ihnen Bundles aus Filter und Content-Lizenz einfach weiterverkaufen. Denkbar wäre sogar, dass Facebook und Alphabet diese Bundles ganz umsonst anbieten, wenn sie stattdessen den Datenverkehr mitschneiden und auswerten, den die kleinen Startups künftig über die Uploadfilter der großen Konzerne leiten würden. Artikel 17 würde in seinen Auswirkungen also auch den Datenschutz gefährden, was auch Ulrich Kelber, Bundesbeauftragter für Datenschutz, befürchtet.

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Nur etablierte Urheber und Stars profitieren

Und die nicht-kommerziellen Plattformen? Denen kann die Reform theoretisch egal sein. Praktisch ist juristisch umstritten, ab wann eine Plattform oder ein Web-Angebot als kommerziell zu gelten hat. Die reine Gewinnerzielungsabsicht ist nicht immer ein notwendiges Kriterium. Auch ein privater Freizeitblogger, der ein Werbebanner einbaut, um mit Einnahmen in ein- bis zweistelliger Höhe die Hosting-Kosten zu decken, kann hierzulande schon als kommerziell gelten. Für nicht-kommerzielle Projekte wie die Wikipedia wurden Ausnahmen geschaffen, doch ob die auch für „The next Wikipedia“ ausreichen, kann derzeit niemand einschätzen.

Und die Urheber? Profitieren die wenigstens? Vielleicht, wenn es sich um etablierte Künstler handelt, die ihrerseits Verträge mit Rechteverwertern haben. Ob und in welcher Höhe solche Urheber etwas vom Kuchen abbekommen, hängt davon ab, welche Vertragsbedingungen sie mit den Content-Vermarktern abschließen können. Stars haben hier eine gewisse Verhandlungsmacht, kleine Künstler und Newcomer eher nicht. Dass anders als ursprünglich geplant Total-Buy-Out-Verträge weiterhin erlaubt bleiben, spricht eher dagegen, dass die Urheber künftig mit nennenswerten Mehreinnahmen rechnen dürfen.

Allen anderen Urhebern nützt die Reform nicht: Künstler, die auf eigene Faust mit Content auf Spotify, Youtube oder Instagram versuchen, etwas Geld zu verdienen, dürfen nicht mit zusätzlichen Einnahmen rechnen und werden unter Uploadfiltern genauso zu leiden haben wie all die nicht-kommerziellen Privat-Urheber, die einfach nur Selfies und Urlaubsbilder machen. Verglichen mit ihnen ist die Zahl der etablierten Urheber, die von der Reform profitieren könnten, verschwindend gering. Das Versprechen, Künstler künftig gegenüber den großen Online-Plattformen besser zu stellen, löst die Reform auch in Artikel 17 nicht ein.

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Doch gibt es nicht wenigstens ein paar positive Regelungen in der Urheberrechtsreform? Und wie konnte es überhaupt so weit kommen, dass eine so nachteilige Reform im EU-Parlament zur Abstimmung steht? Darum soll es im letzten Teil dieser Serie gehen.

Zum Weiterlesen: Axel Voss findet eine Memes-Rubrik bei Google – und das Netz flippt aus

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21 Kommentare
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Dein t3n-Team

Kadam

Ist Artikel 17 ein Witz den ich nicht verstehe oder muss es hier Artikel 13 heißen ?

Antworten
Kada

Gerade gesehen, dass es jetzt 17 heißt. Trotzdem ein Witz…

Antworten
Manuel Bonik

Kein Witz, sondern eigentlich ein ziemlich fieser taktischer Zug der EU. Plötzlich sind viele Proteste inhaltlich falsch, weil sie sich auf den falschen Gegenstand beziehen. Man könnte eine Absicht vermuten. (Womit ich generell gar nichts gegen die EU sagen möchte; bin eigentlich großer Fan.)

Enno Park

Möchte hier keinen Verschwörungstheorien Vorschub leisten: Die neue Durchnummerierung ist völlig normal. Im laufe des Prozesses sind Artikel wie „3a“ und „9a“ hinzugekommen und es ist üblich, am Ende, wenn die Übersetzungen angefertigt werden, neu zu nummerieren. Die Abgeordneten werden weiterhin „Artikel 13“ auf der Abstimmungsliste stehen haben.

Manuel Bonik

Copyright-Verstöße im Internet, vulgo Piraterie, gibt es, seit es das Internet gibt. Das ist natürlich in den meisten Fällen (etwa für unbekannte Autoren kann Piraterie auch kostenlose Werbung sein) nicht zu billigen. Und allerdings lehrt die Geschichte, dass alle Versuche, dagegen etwas zu tun, (insbesondere auch mit automatischen Tools) zu neuen „Vertriebswegen“ geführt hat. Auch das vieldiskutierte Digital Rights Management, ob soft oder knallhart, hat sich als völlig wirkungslos erwiesen. Im Moment können die Rechteinhaber sich glücklich schätzen, dass sie bei Verstößen die Dateien noch relativ leicht runternehmen lassen können (sogenanntes Notice-and-Takedown-Verfahren), sowohl bei Youtube, Scribd oder den meisten Filehostern. (Gilt übrigens auch für kino*.to, den Schrecken der deutschen Filmindustrie.)

Sollten sich Uploadfilter als erfolgreich erweisen und die User wirklich nerven, ist für mich ziemlich klar, dass die Sachen dann eben anderswo landen und dann womöglich dort, wo man gar nichts mehr machen kann. Bekanntestes Beispiel ist das russische Konglomerat um SciHub und LibGen, das inzwischen die weltgrößte Internetbibliothek für naturwissenschaftliche Natur bildet. Die entsprechenden Verlage sind hilflos und toben (weswegen sie inzwischen ja auch so begeistert von Open Access sind – der Autor soll für die Veröffentlichung zahlen). Aber die russische Regierung hat schon vor drei Jahren offiziell erklärt, dass ihr die westlichen Probleme mit Piraterie völlig egal sind. – Was wollen die Rechteinhaber denn in so einer Situation machen? Einmarschieren?

Will sagen: Ich bin überzeugt, dass die Reform das Gegenteil dessen bewirken wird, was sie bewirken soll. Sie wird den Rechteinhabern schaden.

Manuel Bonik
Lisheenageeha Consulting Ltd.

Antworten
Titus von Unhold

Die Versuche das Internet zu zensieren werden nicht aufhören. Da es bei Uploadfiltern und Kinderpornosperren breiten Widerstand gibt bzw. gab, versucht man es eben mit dem Verbot von Tor. Solange es aber Dienste wie VK, Gab, DTube und Co gibt, ist dieser Kampf ohne die „Chinesische Löung“ sinnlos. Er wird aber trotzdem eführt werden.

Antworten
Manuel Bonik

Das ewige Argument mit KP ist auch ein fragwürdiges. Da ist vor ein paar Jahren mal eine Liste mit ein paar hundert Links geleakt, und einer unserer Mitarbeiter hat die dann mal geprüft. Kein einziger führte zu KP. Da wird gerne getan, als wäre das Zeug nur einen Klick weit entfernt, aber das scheint mir seither ein vorgeschobenes Argument zu sein.

Refurio Anachro

Was ist mit Quellcode? Was ist mit Open Street Maps? Was ist mit wissenschaftlichen Daten? Was ist mit Internetarchiven? Was ist mit…?

Eure Liste ist viel zu kurz! Bitte verlängern!

Antworten
Refurio Anachro

Und dann scheint mir der Begriff der Verwendung auch reichlich Schwammig. Wie groß darf eine private Nutzergruppe denn sein? Welches Hu-hei wäre denn nötig um sich von dem öffentlich sein abzugrenzen? Ich denke an Dinge wie:

Kollaboration mit Google Documents, Firmenchats, Onlineeinreichung von Petitionen, oder einen Rahmen für öffentliche Kommunikation bei Vereinen, Gewerkschaften, NGO’s, oder die politische Partizipation im generellen, …

Das ist immer noch nur ein kleiner Ausschnitt von den Dingen die die CDU abschaffen will!

Antworten
WerWil

Wie ja im Artikel selbst schon ausgesagt, arbeiten alle Seiten mit Fehlinformationen.
Dieser Artikel auch!
Hier wird aber die Falschinformation verbreitet, jede Seite auf die man irgendwas hochladen kann, fiele unter den Pragrafen. Tatsächlich fallen die z. B. die genannten Datingseiten oder Diskussionsseiten dezidiert nicht unter die Pflicht zur Lizenzprüfung.

Antworten
Enno Park

Sorry, ich kann diese Aussage im Gesetzestext nicht finden. Quelle?

Antworten
WerWil

Ok, streichen wir dezidiert und setzen dafür eindeutig.
Wofür der Artikel 17 gilt, ist in Artikel 6 definiert.
Hier der Text der Entwurfsfassung:

„Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten“ bezeichnet den Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft, bei dem der Hauptzweck bzw. einer der Hauptzwecke darin besteht, eine große Menge an von seinen Nutzern hochgeladenen, urheberrechtlich geschützten Werken oder sonstigen Schutzgegenständen zu speichern und der Öffentlichkeit Zugang hierzu zu verschaffen, wobei dieser Anbieter diese Inhalte organisiert und zum Zwecke der Gewinnerzielung bewirbt.
Anbieter von Diensten, etwa nicht gewinnorientierte Online-Enzyklopädien, nicht gewinnorientierte bildungsbezogene und wissenschaftliche Repositorien, Entwicklungs- und Weitergabeplattformen für quelloffene Software, Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste im Sinne der Richtlinie (EU) 2018/1972, Online-Marktplätze, zwischen Unternehmen erbrachte Cloud-Dienste sowie Cloud-Dienste, die ihren Nutzern das Hochladen von Inhalten für den Eigengebrauch ermöglichen, sind keine Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten im Sinne dieser Richtlinie.

Datingplattformen, Diskussionsforen, Online-Marktplätze usw. fallen offensichtlich nicht darunter, da diese ihr Geld nicht durch das massenhafte Bereitstellen urheberrechtlich geschützter Inhalte verdienen.

Auch wenn zu den Profilen einer Datingseite jeweils Bilder gehören, verdient die Seite ihr Geld nicht durch diese Bilder und bewirbt nicht die Bilder als Produkt. Sollte eine Seite einen Hauptzweck darin haben, unmittelbar mit den Profilbildern Geld zu verdienen (wie auch immer), dann wäre es schlicht keine Dating-Seite und fiele zurecht unter die Regelungen des Art. 17 mit der Verpflichtung an die Rechteinhaber der Fotos Lizenzgebüren zu zahlen. Gleiches gilt für Diskussionsforen, in denen vielleich ein Diskutant mal ein Bild oder einen Textausschnitt hochläd oder eine Online-Handelsplattform, die die gehandelten Objekte mit Produktfotos bewirbt. Hier sind die Fotos jeweils Mittel zum Zweck der Partnervermittlung, der Diskussion oder des Verkaufs von Ware.
Da ist keine Grauzone oder Zweideutigkeit.

Markus

Ich habe mir den Artikel durchgelesen und finde, die meisten gegnerischen Seiten neigen zur Untertreibung und wahrscheinlich aus einer Hoffnung heraus oder aus den Statements, dass es um die Großen gehen würde.

Der Artikel ist aber ziemlich generisch gehalten und gibt schon ziemlich wenig Handlungsspielraum, wie ich finde. Es sind zwar auch Weichmacher drin, aber die können eher noch zum Großen Hammer werden.

Antworten
Refurio Anachro

Leider täuschst du dich da, WerWil. Die expliziten Ausnahmen umfassen keine Datingseiten. Und selbst Wikimedia bezweifelt daß die Ausnahme speziell für Wikipedia dieser überhaupt gerecht wird, und ich finde das auch. Wikipedia ist weit mehr als man auf den ersten Blick sieht. Und die anderen meiner Beispiele werden gar nicht in den Ausnahmen erwähnt.

Antworten
Elmar Borgmeier

1) Ihr schreibt, dass jede Plattform, bei der Inhalte hochgeladen werden, betroffen ist, und seien es nur Benutzerkommentare.

Tatsächlich bezieht sich Artikel 17 aber ausschließlich (!) auf „Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten“, was definiert ist als „Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft, bei dem der Hauptzweck […] darin besteht, eine große Menge an von seinen Nutzern hochgeladenen,urheberrechtlich geschützten Werken […] zu speichern und der Öffentlichkeit Zugang hierzu zu verschaffen, wobei dieser Anbieter diese Inhalte organisiert und zum Zwecke der Gewinnerzielung bewirbt.“

Von Euch genannte Beispiele wie die Immobilienmaklerplattform fallen offensichtlich nicht darunter, da deren Hauptzweck und Geschäftsmodell im Vermitteln von Immobilien besteht. Auch jede andere Plattform, die nur nebenbei Kommentare zulässt, ist nicht betroffen.

Ich sehe das Gesetz kritisch wegen der entstehenden Rechtsunsicherheit, aber was ihr hier macht, ist eine so groteske Übertreibung, dass man es auch fake news nennen könnte.

2) Ihr schreibt, die Plattformen müssten alles blocken, zu dem sie keine Lizenz finden, was bei User Generated Content der Normalfall ist.

Tatsächlich sagt Artikel 17 nur, dass Inhalte geblockt werden müssen, „zu denen die Rechteinhaber den Anbietern dieser Dienste einschlägige und notwendige Informationen bereitgestellt haben,“ oder wenn bereits ein Verstoß moniert wurde. (Wobei letzteres dem heute schon bestehende Verfahren „Notice & Takedown“ entspricht.)

Da normale user keine „einschlägige und notwendige Informationen“ zu ihrem Content bereitstellen, müssen sie auch nicht geblockt werden.

Nochmal: Ich finde die Richtlinie nicht gut. Aber die massive übertriebene Darstellung ihres Gültigkeitsbereiches halte ich trotzdem für schlechten Journalismus und unter Eurem Niveau.

Antworten
Enno Park

Eine Plattform kann mehrere „Hauptzwecke“ haben. Wenn jemand ein Forum betreibt oder zum Zwecke der Debatte mit Kommentarfunktion bloggt, kann das vor Gericht durchaus als Hauptzweck gewertet werden. Wie ich an anderer Stelle schreibe: Die konkrete Umsetzung der Richtlinie ist unklar, es droht Rechtsunsicherheit.

Antworten
Elmar Borgmeier

Sie wollen tatsächlich sagen, ein Richter könnte entscheiden, einer der Hauptzwecke einer Immobilienmaklerplattform bestünde darin, große Mengen von Inhalten zu publizieren?

Für so dumm halte ich das Rechtssystem nun auch wieder nicht.
Hauptzwecke kommerzieller Plattformen sind das, womit Geld verdient wird.

Sie haben völlig Recht damit, dass Rechtsunsicherheit droht. Möglicherweise geben spannende kleine Plattformen auf, weil ihnen die unklaren Haftungsrisiken zu groß sind. Aber mit der maximal ausgedehnten Interpretation schürt der Beitrag deren Ängste und macht die Sache schlimmer.

Enno Park

@elmar Borgmeier Das Hochladen von Fotos dürfte zentraler Bestandteil einer Immobilienplattform sein und damit zu ihrem Hauptzweck gehören. Die Plattform muss eine Lizenz für diese Fotos erwerben bzw. prüfen, ob sie diese Lizenz hat.

Markus

Das zur Anzeige bringen von urheberrechlich geschützten Inhalten ist ganz zentraler Teil des Geschäftsmodells. Sowohl die Texte, als auch die Bilder oder Dokumente ermöglichen überhaupt erst das Geschäftsmodell und es wird schwer das anders darzustellen.

Gleiches gilt für einen Blogger mit Kommentarfunkion.

Wichtig sind ein paar Urteile der Vergangenheit, ab wann etwas als kommerziell eingestuft wird. Ein reales Beispiel: Ein Tischler schreibt Erfahrungen auf seinem Blog zu Projekten und Produkten. Irgendwann wird er gesponsert. ALLES was er bis dahin veröffentlicht hat, wird damit über Nacht zu kommerziellen Inhalten, denn diese waren für die Anbandelung des Sponsorings nötig. Folge .. Inhalte zu 75% gelöscht.

Antworten
Elmar Borgmeier

Logisch gesehen werden „Mittel“ und „Zweck“ verwechselt, wenn man behauptet, Zweck einer Immo-Plattform wären die hochgeladenen Bilder. Von denen kann die Plattform nämlich nicht leben, sie sind nur Mittel zu dem Zweck, Immobilien zu makeln.

Das heißt, es wird (falls die Richtlinie heute beschlossen wird), zentral darauf ankommen, eine derart weitgefasste Interpretation einzudämmen. Der Gesetzgeber hat bei der Übernahme in nationale Gesetze noch mal die Chance, das zu tun. Heißt: Die öffentliche Diskussion muss weiter gehen.

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