Der Bilanzskandal um den mittlerweile insolventen Finanzdienstleister Wirecard hält Politik und Finanzbranche weiter in Atem. In Kürze soll ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt werden, der noch in diesem Jahr seine Arbeit aufnehmen dürfte. Schon im Vorfeld zeigt sich aber, dass der Fall Wirecard auch durch eine offenbar mangelnde Aufsicht durch deutsche Finanzbehörden möglich wurde, wie tagesschau.de schreibt.
Protokolle einer Sondersitzung des Finanzausschusses
Dem ARD-Magazin Plusminus und BR Recherche liegen interne Protokolle einer Sondersitzung des Finanzausschusses des Bundestags von Anfang September vor, aus denen hervorgeht, dass es bei den Behörden ein Zuständigkeitsproblem gegeben haben dürfte. Bundesbank, Deutsche Börse, Bundesfinanzministerium, Kanzleramt oder die Bankenaufsicht Bafin sehen sich demnach alle als nicht verantwortlich.
Handwerkliche Fehler – auf Basis des Wissens von damals – seien nicht gemacht worden. Zudem habe Wirecard „mit hoher krimineller Energie“ gehandelt, wie Hendrik Hoppenstedt, Staatsminister im Bundeskanzleramt, erklärte. Das stellt auch Fabio de Masi, Finanzexperte der Linken, nicht an infrage. Aber: „Die Aufsicht war eben auch völlig unzureichend“, wie de Masi dem BR sagte. In eine ähnliche Kerbe schlägt auch FDP-Finanzexperte Markus Herbrand: „Ganz viele wussten ganz viel, aber keiner hat gehandelt.“
Wirecard: Fühlte sich niemand zuständig?
Experten sehen etwa die nicht einheitliche Geldwäscheaufsicht, die in Deutschland zwischen Bund und Ländern aufgeteilt ist, als problematisch an. So müssen Güterhändler, wie Juweliere, Meldungen über Geldwäscheverdacht abgeben, wenn Kunden bei Preisen von über 10.000 Euro in bar bezahlen. Diese Meldungen gehen an die Behörden der Bundesländer. Für den Finanzsektor wiederum ist die Bafin zuständig. Bei Wirecard, so tagesschau.de, habe sich offenbar niemand für den Gesamtkonzern zuständig gefühlt. Der Finanzdienstleister fiel damit durchs Raster.
Die Frage, ob der Skandal früher hatte aufgedeckt werden können, wenn die Geldwäscheaufsicht funktioniert hätte, verneinen die Vertreter der Behörden und Ministerien. Finanzexperte de Masi geht aber davon aus, dass man den Bilanzbetrug hätte feststellen können, wenn man genauer hingeschaut hätte. Auch dieser Frage soll der Untersuchungsausschuss nachgehen.
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