Bits & Pretzels-Gründer: „In Krisenzeiten ist das Netzwerk wichtiger denn je“
„Es pulsiert. Das wird sehr intensiv werden“, sagt Bernd Storm van’s Gravesande, einer der Bits-&-Pretzels-Veranstalter im Zoom-Call über die anstehende Bits & Pretzels. Die Bits & Pretzels ist eine dreitägige Konferenz für Gründer:innen, Investor:innen und Startup-Interessierte, die seit 2014 in München während des Oktoberfests stattfindet. Dieses Jahr erfolgt der „Anstich“ am 25. September.
„So ein Energielevel habe ich im Vorfeld noch nie gespürt in der Szene“, ergänzt der Serial Entrepreneur und ehemaligen Unternehmensberater Storm van’s Gravesande. Neben ihm sind auch die beiden anderen Bits-&-Pretzels-Veranstalter in den Video-Call zugeschaltet: Felix Haas und Andy Bruckschloegl.
Haas ist Co-Founder und Executive Chairman von IDnow, zudem Mitgründer des Private-Equity-Fonds Flex Capital sowie des Early-Stage Venture Capital Fonds 10x Founders. Bruckschloegl, ebenfalls Seriengründer, ist der CEO von Ryte.
„Finanziell ist es ein Stretch“
Die drei sind erleichtert, dass die Konferenz in diesem Jahr stattfinden kann. „Wenn die Bits & Pretzels in diesem September nicht stattfinden würde, dann wäre das für uns als Eventveranstalter, der eigenfinanziert ist, nicht einfach gewesen“, sagt Storm van’s Gravesande.
„Finanziell ist es ein Stretch“, ergänzt Bruckschloegl. „Nochmal verschieben, das wäre schon dramatisch gewesen“. Auch mental.
Online-Events nicht das Gleiche
Zwei Jahre in Folge konnte die Bits & Pretzels nicht „normal“ stattfinden. Covid-bedingt gab es im Oktober 2020 eine „virtuelle Woche“, die zwar sehr erfolgreich gewesen sei, aber nicht vergleichbar mit der eigentlichen Offline-Veranstaltung.
Da eine online-only-Veranstaltung nicht das Gleiche sei, entschieden sich die drei Veranstalter dafür, die Bits & Pretzels im Jahr 2021 ganz abzusagen.
Im Januar 2022 sollte dann eigentlich die nächste Offline-Ausgabe in München stattfinden – mit 5.000 Teilnehmenden und Speakern wie Zoom-Gründer Eric S. Yuan oder Hanno Renner von Personio. Doch mit einer Entwicklung hatten die drei nicht gerechnet: Omikron. So musste auch das Januar-Event abgesagt werden.
Besonders für das Team sei das extrem enttäuschend gewesen. „Es gab einfach keine Planbarkeit“, so Storm van’s Gravesande. Im Nachhinein sei alles viel logischer und klarer. „Aber als wir im April die Entscheidung treffen mussten, erschien uns der Januar als ein guter Zeitpunkt.“
„Die Produktion kostet jetzt ein Vielfaches“
Wie viel die Organisation der Bits & Pretzels kostet, wollen die drei nicht verraten. Es sei „auf jeden Fall siebenstellig“.
Viel Geld verloren hätten die Veranstalter dennoch nicht, da ein Großteil der Fixkosten aus dem Januar geshifted werden konnte. Zudem hätte das Team eine Unterstützung in Form von Überbrückungsgeldern bekommen.
Viele andere Eventveranstalter hätten die zwei Pandemiejahre hingegen nicht überstanden – was die Kosten für die Eventorganisation enorm in die Höhe getrieben habe. „Die Produktion kostet jetzt ein Vielfaches“, so Bruckschloegl.
Bierzelt-Größe
Die 5.000 Tickets für die Bits & Pretzels seien schnell ausverkauft gewesen – 2.000 Menschen stünden auf der Warteliste. Aus genannten Gründen haben sich die Veranstalter gegen eine Online-Übertragung entschieden. Wieso genau 5.000 Tickets? „So viele Menschen passen in ein Bierzelt“, erklären die Veranstalter.
Am letzten Tag der Bits & Pretzels, dem 27. September, ginge es nämlich traditionell gemeinsam auf die Wies’n, also das Oktoberfest, wo im Schottenhammel-Zelt auf den Ausklang der Veranstaltung angestoßen werden kann. „Liquid Networking“ nennen das die drei.
Sie ergänzen: „Wir wollen bewusst exklusiv bleiben und kein Riesenevent mit 20.000 Menschen werden.“
Schwerpunkte: Diversity & Nachhaltigkeit
Neben einer gewissen „Gmiatlichkeit“ sind den Veranstaltern auch die beiden Schwerpunkte der Bits & Pretzels wichtig. Erstens: Diversity – „nicht nur hinsichtlich der Geschlechter, sondern auch Alter, Herkunft und so weiter“, so Bruckschloegl.
Und zweitens Nachhaltigkeit. Daher sei unter anderem auch die ganze Messe vegetarisch. Keine Weißwürste also, außer vielleicht als pflanzliche Alternative.
Gastland: Frankreich
Neu ist, dass es zum ersten Mal ein Gastland auf der Bits & Pretzels gibt. Über 60 französische Startups seien auf der Messe vertreten. „Die Idee dafür hatten wir schon länger“, sagt Storm van’s Gravesande. Am Ende sei Frankreich auf die drei Veranstalter zugekommen.
„Wir glauben, dass derzeit ein neuer Zusammenhalt innerhalb von Europa entsteht. Zwischen China und USA wird es eng für die Tech-Branche. Da sollte man größer denken als innerhalb der eigenen Landesgrenzen. Wir in Europa müssen zusammenhalten“, so Storm van’s Gravesande.
Durch die Teilnahme von Frankreich als Gastland könnten Deutsche VCs und Unternehmer:innen die französischen Unternehmen besser kennenlernen – doch auch andersherum sei es eine große Chance für Bayern und Deutschland, sich gegenüber den Franzosen und Französinnen zu präsentieren.
„Das höchst erfolgreiche Startup-Zentrum Station F in Paris ist hierzulande faktisch unbekannt“, sagt Haas. „Andersherum kennt in Paris kaum jemand die handelnden Akteur:innen in Deutschland.“ Auch die Vivatech in Paris, Europas größte Tech-Messe, laufe hierzulande unter dem Radar.
„Das nächste Jahr wird brutal“
Die Vernetzung mit dem Gastland hat aber laut der Veranstalter noch einen anderen Grund. „Das nächste Jahr wird brutal“, sagt Storm van’s Gravesande und meint damit die aktuelle wirtschaftliche Lage mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie, dem Krieg in der Ukraine, Lieferkettenengpässen und der Inflation. Das umfasse auch die Startup-Branche.
„Der Outlook gerade ist nicht positiv“, sagt Storm van’s Gravesande. „Aber, dennoch haben wir Dinge in der Hand und können als Gründer und Gründerinnen viel bewirken. Besonders, wenn wir zusammenhalten. Deswegen glauben wir als Veranstalter, dass diese Bits & Pretzels super wichtig ist, um uns auf das, was uns erwarten kann, vorzubereiten.“
„Noch spüren wir nicht viel mehr als die Vorboten der Inflation. Aber jetzt über den Winter, mit in die Höhe schießenden Strom- und Gaspreisen, und wenn die ersten Unternehmen dicht machen, dann wird die Stimmung im Land ungemütlich werden. Die Frage ist: Wie lange wird der Zustand dauern?“, sagt Storm van’s Gravesande.
Netzwerk wichtiger denn je
Es gehe um Austausch, neue Kontakte und neue Ideen. „Wir glauben, dass in Krisenzeiten das Netzwerk wichtiger ist denn je“, so Storm van’s Gravesande. Nur durch Synergien und Schnelligkeit könne man gewinnen und überleben.
„Gemeinsam können wir besser über diese Zeit kommen“, so Bruckschloegl. „Und Krisen bieten immer auch Chancen für das Entstehen neuer Ideen und Unternehmen, die zu einer besseren Gesellschaft beitragen.“
Auch im VC-Bereich sehe Haas Chancen. Zwar würden derzeit reihenweise Finanzierungsrunden platzen und man sehe die ersten Venture-Capital-Firmen, die keinen Folgefonds raisen. „Doch gleichzeitig gibt es viele spannende Deeptech-Themen, die an der Schnittstelle zu anderen Disziplinen stehen. Hardware und AI, Software und AI, solche Themen“.
Da entstünden gerade Firmen, die das Potenzial haben, sehr groß zu werden.
Eine Frage der Perspektive
„Es ist eine Frage der Perspektive. Entweder man sieht es als große Ernüchterung oder als Ende der Übertreibungen der letzten Jahre“, so Haas. „Die Zeit der oberflächlichen Erfolge ist vorbei“, meint er.
Deutschland müsse dabei schauen, nicht von Amerika und China abgehängt zu werden. „Wir sind oft zu langsam und zu risikoavers“, sagt Haas. „Um weltweit konkurrenzfähig zu bleiben, müssen wir mehr kalkulierte Risiken eingehen.“
Die Vorfreude steigt
„Wir freuen uns am meisten auf das Vernetzen“, so Storm van’s Gravesande. Bewusst sei daher auch das Motto „Reuniting Founders“ gewählt worden. „Und mein persönliches Highlight ist Arnold Schwarzenegger“, sagt Bruckschloegl.
„Ich freue mich am meisten auf die Eröffnung und auf Ana Ivanović, die ehemalige Tennisspielerin. Die ist eine wahnsinnig inspirierende Person“, sagt Haas. „Und ich freue mich, alte und neue Freunde und Freundinnen an unserem Weißbierkarussell wiederzusehen.“
„Ich bin mir sicher, das Bier wird dauernd ausgehen“, ergänzt Storm van’s Gravesande. „Die Leute werden reden wie noch nie.“