Conversational Commerce: So gelingt der Einstieg
Ist Conversational Commerce nur ein Mythos? So richtig sieht man es noch nicht – auch wenn immer mehr Unternehmen Conversational-Tools nutzen. Aktuell kämpft Conversational Commerce noch mit vielen Missverständnissen. Chatbots basieren auf KI, heißt es hier. Conversational Commerce ist gleich Voice-Commerce, heißt es da. Beides ist nur teilweise richtig. Conversational Commerce basiert auf Kundendialogen. Und diese finden mit Text, Bild, Sprache oder Video statt. Die Kundenkommunikation kann komplett automatisiert über einfache Fragen-und-Antworten-Prozesse geschehen. Über Echtzeit-Angebote. Oder auch mittels künstlicher Intelligenz.
Warum überhaupt Conversational Commerce?
Ob Livechat, Messenger-Bot oder Alexa-Skill – die Vorteile von Conversational Commerce liegen auf der Hand: schnelle, persönliche und zuverlässige Angebote. Nicht nur im Kundenservice, sondern entlang der gesamten Customer-Journey können Chat-, Messenger- und Sprachangebote ein echter Mehrwert sein. Messaging-Apps sind in unserem Alltag längst Standard. Sprachassistenten sind auf dem besten Weg dahin. Die Digitalisierung verändert unseren Alltag und unsere Erwartungen an Unternehmen. Conversational Commerce kann viele dieser Erwartungen abfangen und neue Angebote machen, die Marken und Produkte noch näher an den Kunden bringen. Doch wo fängt man da an? Welche Tools gibt es? Und lohnt sich das immer? Ein Überblick.
Livechats und Chatbots
Chats sind schnell, barrierefrei und hilfreich – zumindest in der Theorie. Allerdings passen oft die Erwartungen an einen Chat nicht auf das tatsächlich umgesetzte Tool. Nicht alle Kundenberater sind schnell. Nicht alle Bots sind smart. Wer Conversational Commerce mit Chats auf der eigenen Website oder in der eigenen App nutzen will, sollte sich zunächst einmal bewusst machen, wie sich beliebte Chats unterscheiden:
- Livechats für die Echtzeitkommunikation
- Chatbots, die durch Machine-Learning KI-getrieben sind
- Chatbots, die auf Regeln und festgelegten Daten basieren
Livechats eignen sich am besten für individuelle Kundenanfragen und spezialisierte Beratungen. Diese können vom unternehmenseigenen Kundenservice oder einem Chat-Center bedient werden. Wiederkehrende Anliegen, wie etwa FAQ, können schnell und unkompliziert über Chatbots abgewickelt werden. Diese Chatbots basieren normalerweise auf einfachen Abfragen, sind also „dumm“, aber in speziellen Fällen sehr effizient. Smarte Chatbots müssen erst mitlernen und können etwa mit der E-Mail-Kommunikation verknüpft werden. Zudem gibt es natürlich auch noch Hybriden, die verschiedene Chats miteinander kombinieren, zumeist Mensch und Bot.
Soziale Netzwerke und Messenger-Bots
1,6 Milliarden Whatsapp-Nutzer. 1,3 Milliarden nutzen den Facebook Messenger. Rund 1,1 Milliarden nutzen Wechat, immerhin 300 Millionen Skype und 200 Millionen Telegram. Mobile Messaging-Apps sind beliebter als jemals zuvor und die Nutzung steigt weltweit. Selbstverständlich bietet das auch reichlich Potenzial für Conversational Commerce. Oft sind es Bots für Facebook Messenger oder Whatsapp, die ganz oben auf der Wunschliste von Unternehmen stehen. Beliebt sind insbesondere einfache Bots, wie Geschenke-Finder, die zum Beispiel Lego oder Happy Socks auf Facebook eingesetzt haben. Auch Ebay hat sich an einem Messenger-Bot probiert. Der „Shopbot“ war jedoch wenig bekannt, wurde selten genutzt und hatte entsprechend bereits nach zwei Jahren (2018) ausgedient.
Das Problem: Auch bei einem Bot muss der Service einen echten Mehrwert bieten und sollte nicht nur das gleiche Angebot abbilden, das die Webseite oder eine App ohnehin bieten. Ein gutes Beispiel ist hier der Facebook-Chat der Lufthansa. Kunden können hier unterwegs nicht nur den aktuellen Flugstatus abrufen, sondern haben auch die Möglichkeit, stornierte oder verpasste Flüge umzubuchen. Verfügbar ist der Chat allerdings aktuell nur auf Englisch. KLM geht noch einen Schritt weiter und lässt Kunden im Messenger ihr Handgepäck über Augmented Reality checken, Plätze buchen oder Mietwagen und Hotel buchen. Unkompliziert. Schnell. Klar definiert.
Voice-Commerce mit Alexa, Google und Co.
Smarthome-Geräte steuern? Kein Problem. Musik streamen? Auch das nutzen wir im Alltag mit Sprachsteuerung. Conversational Commerce ist dagegen noch ein eher unterrepräsentiertes Feld. Und wenn es Voice-Angebote gibt, dann beschränken die sich meist auf Alexa-Skills oder Google-Actions. Und: Es sind vor allem einfache Abfragen und Befehle, wie aktuelle Angebote und FAQ. Ein Beispiel hierfür ist die Google-Action von Otto. Otto bietet Deals des Tages oder Informationen zu Zahlungsarten. Für ein technikgetriebenes Unternehmen wie Otto ist das ziemlich mau. Bei Flixbus bekommt man immerhin nicht nur FAQ zu Gepäck und Bushaltestellen, sondern kann auch Tickets buchen. Beim Alexa-Skill von Book A Tiger kann man Reinigungskräfte buchen und Putzpläne verwalten.
Auch bei Voice-Commerce ist der Mehrwert entscheidend. Wer unterwegs ist und vielleicht nur eine Hand frei hat, kann über Voice sehr unkompliziert und ad hoc Angebote buchen. Die Meditations-App Headspace setzt dagegen auf Voice, damit Einschlafende nicht noch einmal mit einem Bildschirm konfrontiert werden, der eventuell wieder wach macht. Klingt logisch und wird laut Unternehmen gut angenommen.
Bot-Baukästen: Bots ohne Programmierkenntnisse erstellen
Wer sich erstmals mit Bots befasst, keine Programmierkenntnisse oder ein überschaubares Budget hat, für den eignen sich Bot-Baukästen wie beispielsweise Iox oder Snatchbot. Mit beiden Bot-Tools könnt ihr relativ schnell Bots für verschiedene Plattformen erstellen und integrieren. Die Basis-Pakete eignen sich vor allem für Selbständige und kleine Unternehmen.
Iox Bot: Der unkomplizierte Einstieg
Mit dem Bot-Management-System von Iox könnt ihr bis zu 1.000 Klick- und Freitext-Bots erstellen. Programmierkenntnisse sind hierfür nicht nötig. Ihr definiert Fragen und Antworten und könnt euren Bot etwa auf eurer Webseite oder einer Landing-Page nutzen. Aber auch die Integration in Facebook Messenger, Whatsapp, Slack, Cortana, SMS, als Amazon-Skill oder als Google-Action ist möglich. Eure Bots könnt ihr an euer Corporate-Design anpassen und über einen Code mit dem eigenen ERP oder CRM verknüpfen. Iox nutzt deutsche Server und ist DSGVO-konform. Das Basis-Modell für eine Plattform gibt es ab 47 Euro pro Monat – allerdings mit Iox-Branding. Ohne Branding müsst ihr rund 300 Euro ausgeben. Kunden von Iox sind beispielsweise Vodafone, Eon und Henkel.
Snatchbot: Multi-Channel-Messaging mit komplexeren Szenarien
Auch Snatchbot könnt ihr ohne Programmierkenntnisse nutzen. Die Chatbots von Snatchbot nutzen Machine-Learning. Ihr könnt sie als regulären Bot erstellen oder als Mensch-Bot-Hybrid. Damit sind also nicht nur Frage-Antwort-Szenarien möglich, sondern auch beispielsweise Ticketbuchungen, Belegversand oder Terminplanung. Snatchbot könnt ihr für die eigene Webseite nutzen, über E-Mail, SMS, Skype, Slack, Telegram, Viber oder die Snatch-App. An Lösungen für Microsoft Teams, Whatsapp Business und Apple Business Chat arbeitet Snatchbot schon. Zudem sind weitere Schnittstellen möglich. Der Basis-Baukasten ist kostenlos. Die Pro-Tarife starten bei 30 US-Dollar. Snatchbot hostet in North Virginia und Frankfurt und gibt an, DSGVO-konform zu sein. Unternehmen wie Huawei, Allianz und Uber setzen bereits auf Snatchbot.
Live-Kommunikation und Beratung mit Bots
Abseits von Bot-Baukästen gibt es eine Reihe von Tools, die sich gut für Livechats und Kundenberatung eigenen und damit einen erweiterten Kundenservice bieten. Beispiele hierfür sind etwa Optimise-it oder Iadvize, die sich beide auf Echtzeit-Kommunikation spezialisiert haben. Das Angebot ist eher für größere Unternehmen mit komplexeren Anforderungen und höheren Budgets geeignet.
Optimise-it: Livechat in der Shopping-App
Optimise-it ist in erster Linie eine klassische Livechat-Software, bietet jedoch auch zusätzliche Module für Video-Chat, Facebook Messenger, Whatsapp Business und Apple-Business-Chat an. Hinzu kommen ein Chatbot-Operating-System, Co-Browsing, Screensharing und Conversational-Ads. Optimise-it ist responsiv und lässt sich in native Apps integrieren. Somit müssen Kunden beispielsweise eine Shopping-App nicht verlassen, um den Kundenservice zu kontaktieren. Kunden können Fotos, Videos, Links, Sprachnachrichten und Social-Login nutzen. Zudem können Unternehmen ihre Online- und Offline-Kampagnen über QR-Code oder Link miteinander verknüpften. Anfragen können dann an einer zentralen Stelle der Chat-Suite beantwortet und analysiert werden. Schnittstellen zu eigenen Systemen, wie CRM, sind möglich. Das Hosting von Optimise-it findet in Deutschland statt und auch diese Chat-Software ist DSGVO-konform. Die Preise richten sich nach individuellen Anforderungen. Optimise-it hat Kunden wie Eurowings, S-Oliver, Ergo Direkt und Verivox.
Iadvize: Chat-Beratung mit Experten
Die französische Conversational-Plattform Iadvize setzt auf eine Mischung aus automatisierten Chatbots und menschlicher Beratung. FAQ oder andere typische Kundenszenarien können so schnell und rund um die Uhr vom Bot beantwortet werden. Individuelle Fragen kann der interne Kundenservice in Echtzeit bearbeiten. Der Iadvize-Chat ermöglicht Text-, Sprach- und Video-Messaging. Spannend wird es vor allem bei der Live-Kommunikation. Hier bietet Iadvize mit Ibbü eine Community von unabhängigen Experten, die Kunden viel tiefgehender beraten können als der klassische interne Kundenservice. Ein Beispiel hierfür wäre ein USA-Blogger, der individuelle Reisetipps gibt. Oder ein Fotograf, der die Feinheiten einer Kamera erklärt. Unternehmen wie BMW, Decathlon, Media Markt oder Thomas Cook setzen auf Iadvize. Die Preise variieren je nach Anforderung.
Chatbots für Lead-Generierung
Einige Plattformen konzentrieren sich auf eine Anbindung an Sales und Marketing zur Lead-Generierung. Dazu zählt beispielsweise Drift, aber auch Hubspot, das Conversational-Tools in seine Marketing-Plattform eingebunden hat. Interessant sind solche Angebote insbesondere für B2B-Unternehmen, aber auch Startups und Unternehmen mit hohem Berateraufwand.
Drift: Conversational-Marketing mit Sales-Fokus
Drift ist eine Chatbot-Software, die sich auf Lead-Generierung spezialisiert hat. Typische Einsatz-Szenarien liegen hier im Bereich Planen und Buchen. Kommt ein Kunde auf eure Webseite oder eine spezielle Landing-Page, so kann er über Drift direkt ein Webinar oder Demo bei euch buchen oder einen anderen Termin mit euch planen. Hier verkürzt Drift also die Customer-Journey und überspringt die üblichen Kontaktformulare. Drift verknüpft Bots mit E-Mail-Kommunikation und orientiert sich damit an anderen Sales-Tools. Der Basis-Plan ist kostenlos und kommt mit Live-Chat. Profi-Pläne gibt es ab 50 US-Dollar im Monat. Drift gibt an, DSGVO-konform zu sein, und hat mehr als 150.000 Kunden.
Hubspot: Der Marketing-Allrounder
Wer eine CRM-, Marketing-, und Sales-Plattform mit Conversational-Tools sucht, für den lohnt sich vielleicht ein Blick auf Hubspot. Hubspot bietet ein Gratis-CRM und verschiedene kostenlose Marketing-Tools, zu denen auch ein Live-Chat zählt. Ab 46 Euro im Monat gibt es im Marketing-Hub dialogbasierte Bots dazu. Auch beim Hubspot-CMS ab 280 Euro im Monat sind Live-Chat und Bots enthalten. Ganz so ausgefeilt wie andere Bot-Angebote ist Hubspot zwar nicht, aber dafür eine All-in-One-Lösung, die eine solide Alternative sein kann.