Welche Tools setzen welche Designer für welchen Aufgabenbereich ein? Dieser Frage geht Taylor Palmer, Betreiber der Website uxtools.co, sehr zuverlässig seit Jahren immer zum Jahresende mit seinem „Design Tools Survey“ nach. Gerade über den Zeitverlauf ergeben sich daraus interessante Erkenntnisse.
Figma gewinnt, Sketch verliert
Im Designer-Werkzeugkasten des Jahres 2020 gibt es einen klaren Gewinner und einen klaren Verlierer. Der Gewinner hört auf den Namen Figma und ist eine Designlösung für virtuelle, dezentral arbeitende Design-Teams.
Figma übernimmt in diesem Jahr in allen wichtigen Arbeitsfeldern eines Designers das Zepter vom Letztjahres-Primus Sketch. Das macOS-Tool fällt dabei in vielen Bereichen nicht einmal nur auf den zweiten Platz zurück, sondern wird auch von anderen Tools in den Schatten gestellt.
Corona befördert Miro und Zoom nach ganz oben
Nur in zwei Arbeitsbereichen hat es Figma nicht geschafft, die Top-Position zu erreichen. Das betrifft zum einen das Segment „Brainstorming“ und zum anderen das Feld „User-Testing“.
Beiden Bereichen merkt man sehr deutlich die Folgen der Corona-Pandemie an. War im Jahr 2019 noch Bleistift und Papier das Tool der Wahl im Brainstorming, so ist es im Jahr des Social Distancing das dezentral zu verwendende Whiteboard-Tool Miro.
Für das User-Testing wurde im Vorjahr noch am stärksten auf das SaaS-Tool Usertesting gesetzt. Im Pandemie-Jahr nutzen Designer kein Tool so häufig wie die Videokonferenzlösung Zoom, die es innerhalb weniger Monate geschafft hat, zu einem feststehenden Begriff zu werden. Wie Googeln für das Suchen im Internet ist Zooming oder Zoom-Calling vor allem im englischen Sprachraum zum Synonym für jede Art der Videokonferenz geworden.
Dass Zoom von Usertesting übernommen hat, dürfte indes daran liegen, dass Zoom sich aus anderen Gründen etabliert hat und von daher zu einer Art Sowieso-Lösung wurde. Denn Videocalls lassen sich schließlich auch mit Usertesting führen. Aber, wenn Zoom eben schon mal installiert und ohnehin genutzt wird, wieso sollte dann eine zusätzliche Lösung herhalten?
Invision stürzt weiter ab, Adobe XD stabilisiert sich
Bei den Design-Tools im engeren Sinne ist seit 2017 ein beispielloser Absturz des Invision Studio zu beobachten. Im laufenden Jahr reiht sich Invision auf einem Niveau mit Sketch, das im Vorjahresvergleich noch stärker abgestürzt ist, und Adobe XD ein. Das Prototyping-Tool des Kreativ-Boliden Adobe schafft es auch im Jahr 2020 nicht, den Wettbewerb zu überholen, wenn es auch in einzelnen Kategorien beachtliche Einzelwerte erzielt. Dabei hatte Adobe seine Tools erst im Sommer ganz gezielt Corona-tauglich gemacht.
Für ein Tool der größten Kreativ-Softwareschmiede des Planeten kann das Abschneiden nur als enttäuschend betrachtet werden. Das darf auch mit Blick auf Photoshop und Illustrator gelten, die Adobe in den letzten Jahren für das UI-Design positionieren wollte. Immerhin landen beide noch vor Invision Studio, aber mit deutlichem Abstand hinter Figma, Sketch und XD.
So ist die Umfrage demografisch unterfüttert
Bei aller Klarheit der Ergebnisse müssen wir natürlich berücksichtigen, dass Palmers „Design Tools Survey“ in keiner Weise repräsentativ ist. Der Ausschnitt ist zudem äußerst klein. Zwar schafft es Palmer, immer mehr Designer zur Teilnahme an seiner Umfrage zu bewegen. In diesem Jahr durfte er sich über mehr als 4.100 Einsendungen freuen. Das sind zwar gut 33 Prozent mehr als noch im vergangenen Jahr, aber bezogen auf die Design-Industrie als Ganzes ein verschwindend kleiner Wert.
Dennoch gilt die Umfrage in Branchenkreisen als wichtig – ganz sicher auch, weil es keine institutionalisierten, größeren Erhebungen gibt. So freuen wir uns über Palmers Engagement und gehen davon aus, dass der Survey bei allen Schwächen dennoch eine gewisse Repräsentativität zu vermitteln mag, weil er eben so diversifiziert fragt und sich sein Teilnehmerfeld international akquiriert.
Mit rund 24 Prozent dominieren zwar immer noch die USA als das Land mit den meisten Umfrageteilnehmern, aber 76 Prozent aller Teilnehmer stammen eben aus aller Welt. Die Zahl der deutschen Teilnehmer ist um rund 20 Prozent im Vorjahresvergleich gestiegen.
Die meisten Teilnehmer beschreiben ihr Berufsbild als das eines UX- oder Produkt-Designers. Danach stellen die Webdesigner die größte Teilnehmergruppe. Gestaltet werden vornehmlich Web-Apps, gefolgt von Websites und mobilen Apps.
Die meisten Teilnehmer arbeiten in Design-Teams von zwei bis zehn Mitarbeitern und setzen weit überwiegend auf macOS als System für die Erstellung ihrer Designs. Erwähnenswert ist, dass die meisten Teilnehmer drei und mehr Jahre Berufserfahrung mitbringen. So darf ein gewisser Überblick über die Möglichkeiten vorausgesetzt werden, was den Wert der Erkenntnisse erhöht.
Wir haben es beim „Design Tools Survey“ also mit einer kleinen, aber aussagekräftigen Umfrage zu tun, die nicht jeden erreicht, aber ganz offenbar unter den etablierten Kreativarbeitern durchaus bekannt ist. Statistiker wird das dennoch nicht überzeugen.