Ziemlich genau ein Jahr ist es her, als wir – bevor eine Pandemie sämtliche anderen Themen im Wirtschaftlichen und Gesellschaftlichen verdrängte – über die damals neu eingeführte Bonpflicht stritten. Übertrieben fanden sie viele Händler und kippten eimerweise Kassenzettel vor ihre Ladentheken, um zu zeigen, welch unnötiger ökologisch nicht vertretbarer Wahnsinn all das sei. Durchaus vernünftig fanden es Politik und Finanzbehörden, wenn viele Kleinbeträge, die sich laut Berechnungen auf einen Milliardenbetrag alleine in Deutschland summieren, nicht mehr am Fiskus vorbeilaufen.
Ein Kompromiss, der für alle tragbar schien, könnte der digitale Bon sein. Im Februar letzten Jahres berichteten wir über eine Vielzahl an Startups und Initiativen, die dem Kunden zu digitalen Bons verhelfen, die Händler bei dieser Gelegenheit gleich mit den Daten des Kunden versorgen und im besten Fall auch noch das Thema Kundenbindung einschließen sollten. Meist hatten sie ein Haushaltsfinanzen-Planungs-Tool dabei, über das der Kunde sämtliche sonstigen Belege erfassen können soll.
Kassenbon-Apps: Kein Standard in Sicht
Doch egal, ob Epap, Green Bill, Anybill oder Wunderbon – keines der Startups, über die wir vor einem Jahr schrieben, hat so wirklich den Durchbruch im Handel geschafft. Natürlich hat der Rückenwind durch die Diskussion um die Bonpflicht den Unternehmen gut getan und zu mehr Downloads geführt. Wie viele Nutzer die erfolgreichsten dieser Apps haben, ist aber nicht klar zu sagen – denn Nutzung lässt sich ja sehr unterschiedlich definieren und kaum nachweisen. Im einen Fall reicht das Herunterladen und Installieren, bei anderen Anbietern geht’s um die Nutzung in den letzten 30 Tagen. Alles in allem gehen Branchenexperten von vielleicht 25.000 bis 50.000 Nutzern aus der jeweiligen Apps – mehr nicht.
Doch die hierfür notwendige Initialzündung in Form einer App, auf die sich eine große Zahl an Händlern einigt, blieb bislang aus. Der Grund dafür ist – auch das war für uns vor einem Jahr bereits absehbar – die hohe Einstiegshürde in Form von erklärungsbedürftigen Inhalten. Die wenigsten Kunden werden sich eine solche zusätzliche App für ihre Kassenbons installieren, die wenigsten Kassierer können dem Kunden überhaupt erklären, warum er dies tun sollte (sie scheitern ja oftmals schon am Akzeptieren etwas komplexerer bargeldloser Bezahlverfahren).
Nächste Chance: Händler-Apps als Ökosystem
Dafür haben aber einige Händler von Rewe über Edeka bis Lidl ihrerseits eigene Apps am Start. Kunden-Apps mit einem umfassenden Ökosystem wohlgemerkt, die vom Onlinehandel über die Anzeige der Sonderangebote bis hin zu personalisierten Gutscheinen und Vouchers alles in einem bieten – und eben den digitalen Kassenbon, der dem Händler auf Kundenkontobasis viel über seine Kunden verrät. Dass das so ist, hat wohl auch mit der Datenhoheit zu tun, die die Ketten gerne über das Kaufverhalten und die Vorlieben und Interessen ihrer Kunden hätten.
Und da ist dann noch eine weitere Funktion, die eine solche App implementieren kann: Payment. Denn wenn die Monate der Pandemie in Deutschland eine Veränderung im Handel vor Ort gebracht haben, dann ist es die, dass immer mehr Menschen immer häufiger bargeldlos, meist kontaktlos zahlen – und das freiwillig, ohne entsprechende Incentives oder Rabatte. Hier sollten diejenigen, die auf digitale Kassenbons umstellen wollen, ansetzen.
TSE: 3 große Buchstaben, eine neue Herausforderung
Doch mit der Bonpflicht war’s das ja auch noch nicht: Denn die „Kassensicherungsverordnung“ im Einzelhandel sieht ja als zweite Stufe vor, dass sämtliche Kassen mit einem speziellen Sicherheitschip, der sogenannten Technischen Sicherheitseinrichtung (TSE), ausgestattet sein müssen. Diese steht dafür gerade, dass die Kasse nicht manipuliert wird – und jeder Bon einen kryptografisch gesicherten Code enthält. Die Umsetzung dieser Verordnung sollte eigentlich – so plante man es Anfang vergangenen Jahres zumindest – bis September 2020 abgeschlossen sein. Dank Corona haben die Händler jetzt immerhin Zeit bis Ende März 2021, die Verpflichtung umzusetzen. Bei Nichteinhaltung drohen allerdings Bußgelder in Höhe von bis zu 25.000 Euro.
Von Handelsexperten hört man, dass nicht nur aufgrund der Sondersituation von einer flächendeckenden Umsetzung noch nicht die Rede sein könne – und das betreffe bei Weitem nicht nur die kleinen Einzelhändler, sondern auch große Filialisten. Wenn also große Handelsketten ohnehin noch an der Umsetzung dieser Prozesse sind, sollten sie gleich über einen größeren Aufschlag nachdenken – über eine Lösung, die statt lästiger Kassenbons gleich auf eine digitale Lösung mit Fallback setzt.
Als gescheitert würde ich das Unterfangen noch nicht bezeichnen. Corona ist zwar eine mittlerweile eine universal Entschuldigung .. aber, wenn die Läden, Gastronomie und Hotellerie immer wieder komplett schließen müssen, kann man sich vorstellen, dass da im Jahr 2020 der Augenmerk wohl nicht auf der Suche nach Alternativen für Papierbelege lag. Spannender ist da wohl das aktuelle Jahr.
App gebunden Lösungen stell ich mir zwar immer schwierig vor (der Bäcker wird seinen Kunden jetzt nicht jedesmal sagen, sie sollen sich die App runterladen, um den Beleg für drei Brötchen digital erhalten zu können),es gibt ja aber auch, soweit ich das gesehen hab, Lösungen ohne App. GreenBill macht das. Das scheint mir schon sehr interessant zu sein.
Kaufe ich bei EDEKA ein, genügt mir bei Kartenzahlung eigentlich der Beleg zur Lastschrift.
Obwohl ich dies jedes Mal ansage, wird jedes Mal auch der Kassenbon mit den Einzelpositionen ausgedruckt. Warum kann auf den Ausdruck nicht verzichtet werden, wenn ich diesen nicht wünsche.