Dmexco-Learnings: Diese 10 Entwicklungen bestimmen das Online-Marketing 2017
An der Dmexco scheiden sich die Geister. Für die einen ist sie das alljährliche Klassentreffen der Online-Marketing-Branche, für die anderen das größte Buzzword-Bingo der Welt. Zu voll, logistisch optimierbar und ohnehin komplett überbewertet. Doch abgesehen von dieser Debatte, die mindestens so alt ist wie die Kongressmesse selbst, gab es auch in diesem Jahr einige inhaltliche Dinge, die man aus dem Messetrubel mitnehmen konnte.
1. Die kanalübergreifende Denkweise ist inzwischen im Online-Marketing angekommen. Tatsächlich und nicht nur in der Theorie.
Klassisches Web und Mobile, Social Media in verschiedenen Spielarten, Bewegtbild und Audio, E-Mail und Messenger – all das gehört nicht nur irgendwie zusammen, sondern muss auch gemeinsam verstanden und orchestriert werden. Während man in den vergangenen Jahren verschämt über den großen Teich schaute, um entsprechende Beispiele zu finden, sind inzwischen auch die deutschen Kampagnen immer öfter allumfassend. Von der 360-Grad-Perspektive (Achtung! Buzzword incoming!) ist da die Rede und vom Real-Time-Monitoring.
2. Neben Tastatur und Smartphone spielen digitale Assistenten eine immer größere Rolle.
Dann gibt es da immerhin noch eine Entwicklung, die die Branche naturgemäß erst kurz auf dem Schirm hat: mobile Assistenten von Alexa bis Google Assistant. Die werden in den nächsten Jahren sicher zu einem wichtigen Element des Marketing. Im Moment sind sie, so scheint es, eher noch eine Spielwiese für technik-affine Marketer. Doch das wird sich in einigen Jahren ändern – erste Kampagnen in den USA zeigen bereits das Potenzial auf. Unterdessen geht es aber auch darum, was der Kunde sich in Sachen Privatsphäre gefallen lässt. Hört man den Agenturen und Unternehmen zu, ist man sich zumindest im deutschsprachigen Raum der Mentalitätsunterschiede durchaus bewusst.
3. Die Deutschen entdecken Ihre Alleinstellungsmerkmale – und schauen trotzdem immer noch neidisch in die USA.
Produkte mit deutschem Datenschutz sind angesagt und lassen sich gut verkaufen. Denn nicht erst seit Trumps Präsidentschaft ist das Misstrauen gegenüber den amerikanischen Unternehmen und ihren Datenschutzrichtlinien größer geworden. War ein deutscher Serverstandort früher ein Nice-to-have, fragen immer mehr Kunden gezielt danach. Dennoch gibt es in vielen Bereichen immer noch ein Misstrauen gegenüber Geschäftsmodellen, die rein auf die DACH-Region spezialisiert sind. Die ließen sich nicht ausreichend skalieren, seien daher gar nicht in den Dimensionen des US-Geschäfts denkbar.
4. Das zahlengetriebene Business entdeckt auch quantitative Aspekte und sucht nach Einordnung.
Nie gab es so viele Dinge, die man messen konnte. Das quantitative Monitoring beruhigt den Kunden, verschafft der Agentur ein gutes Gefühl und Möglichkeiten zur Rechtfertigung. In Wahrheit gibt es aber über die nackten Zahlen hinaus oft auch qualitative Aspekte: Image, richtige oder falsche Vergleichszahlen und Erfahrungswerte. Das nehmen, so konnte man in verschiedenen Diskussionen wahrnehmen, auch immer mehr Entscheider wahr. Insofern sind die Zahlengläubigen zwar nicht gänzlich auf dem Rückzug, jonglieren aber eben nicht mehr nur mit Zahlen. Das ist eine gesunde Entwicklung.
5. Konzentrieren auf das Wesentliche: Die Unternehmen verstehen nach und nach besser, was sie mit Big Data erreichen können.
Auch wenn der Begriff Big Data ungefähr so out ist wie die Datenautobahn Ende der 90er – das Sammeln und Auswerten von riesigen Datenmengen im Rahmen der Customer Journey ist wichtiger denn je. Nur während in der Vergangenheit viele Firmen einfach stumpf Daten angehäuft haben und dann erst festgestellt haben, dass deren Aussagekraft ohne einen entsprechenden Plan gen Null tendiert, spielen inzwischen Datenanalysten eine immer wichtigere Rolle im Geschäft. Die werden nicht nur verzweifelt gesucht, wie wir von mehreren Seiten hörten, sondern zeigen den Unternehmen und Agenturen auch, welche Erkenntnisse sie aus ihrem immensen Datenschatz ziehen können.
6. Mobilanwendungen als zentrales Element: Mobile ist mehr als nur eine Variante des Geschäfts – es ist die Variante, auf die es ankommt.
Waren in den letzten Jahren mobile Produkte und mobile Sites schon immer ein Thema, geht es inzwischen zentral und in erster Linie um die Nutzung mobiler Endgeräte. Das kommerzielle Potenzial, die Verweildauer und die Nutzungsintensität – all das spricht für den zentralen Stellenwert von Smartphone und (von Ausnahmen im Luxus-E-Commerce abgesehen weit dahinter) Tablet. Und noch aus einem anderen Grund sollten sich die meisten Werbetreibenden ganz schnell um ihr mobiles Potenzial kümmern: Immer noch sind Kunden in den meisten Fällen so billiger und zielsicherer anzusprechen. Unternehmen, die 2017 noch keine irgendwie geartete Mobilvariante ihrer Site haben, haben ein ernsthaftes Problem (man trifft sie aber immer noch an, auch wenn man das nicht glauben mag).
7. Real-time-Advertising, Targeting, Programmatic: An der intelligenten Werbung führt kein Weg mehr vorbei.
Und damit sind wir schon beim nächsten Learning aus der diesjährigen Dmexco. An Programmatic Advertising führt, zumindest wenn man das digitale Business ernst nimmt, kein Weg mehr vorbei. Das versuchen uns die entsprechenden Player zwar schon seit Jahren zu erklären, so offensichtlich wie heute war es aber noch nie. Denn in Zeiten, in denen so ziemlich jeder Kunde im Internet ist, sind die Streuverluste in den meisten Werbeumfeldern ansonsten dermaßen groß, dass sich Online-Marketing gar nicht lohnt.
8. Der Kuchen wird neu verteilt: Die technischen Dienstleister wollen mitreden – auf Kosten der klassischen Werbeagenturen
Ein Trend der letzten Jahre verstärkt sich aktuell: Die großen Agenturen und weltweiten Agenturgruppen verlieren an Einfluss und müssen einen Teil des Digital-Kuchens an technisch getriebene Dienstleister abtreten. Das führt dann dazu, dass vor allem in großen Agenturgruppen vergleichbares Technik-Know-how aufgebaut wird. Es führt aber auch dazu, dass große Unternehmen genauer hinhören, was Online-Marketing-Berater abseits des Umfeldes der klassischen Agentur zu sagen haben. Zu beobachten ist hier in den meisten Fällen ein sportlicher Wettkampf, in einigen aber auch eine ungesunde Konkurrenz.
9. Endlich angekommen: Startups rund ums Online-Marketing bekommen in der Branche mehr Gewicht
Hinzu gekommen ist außerdem – in diesem Jahr besonders auffällig – die Wertschätzung der zahlreichen Startups, die immer häufiger als wendige Beiboote der Agentur-Dickschiffe fungieren. Deren teils bescheidenes Auftreten fällt zwischen den großen Hochglanzständen der Etablierten besonders auf. Auch wenn die Dmexco nie zu einer Startup-Messe werden wird, findet dieser Teil des Online-Marketing-Ökosystems immerhin inzwischen statt.
10. Digitale Transformation und Digitalisierung: Viele wollen, aber nicht alle können
Zu beobachten ist aber auch eine immer größere Schere zwischen Digitalen und Nicht-Digitalen, ein Unterschied in der Unternehmenskultur, gerade bei mittelständischen Unternehmen. Während viele Entscheider in Großunternehmen sich redlich bemühen, die Weichen in Richtung digitale Transformation zu stellen (und oft auf einem guten Weg sind), sehen gerade viele etablierte Mittelständler noch staunend zu, was an Herausforderungen in Sachen Digitalisierung auf sie zukommt. Hier fehlt es, fragt man Agenturen, oft noch am grundlegenden Verständnis und den einfachsten Zusammenhängen. Da geht es nicht darum, ob man nun fünf oder zehn KPIs im Blick behält und dafür zwei oder drei Monitoring-Tools einsetzt, sondern um grundlegende Entscheidungen und eine Roadmap. Oft wird auch die Notwendigkeit einer Digitalstrategie gar nicht verstanden – das Geschäft laufe doch auch so gut, heißt es da.
Außerdem: Ausblick auf die Dmexco 2018: Die Konferenzmesse muss sich dringend wandeln
In den letzten Jahren hat sich die Dmexco wenig verändert. Sie ist natürlich immer größer geworden und vermeidet inzwischen so manche logistische Panne der letzten Jahre (selbst auf den Shuttle-Bus ist man nicht mehr wirklich angewiesen). Sie hat aber vor lauter Internationalisierung nicht verstanden, dass sie mit ihrer Mischung aus internationalem Konferenzprogramm und Kontaktbörse in Form einer Messe bei allen Beteiligten das Gefühl zurücklässt, etwas verpasst zu haben. Umgekehrt sind Veranstaltungen wie die Online Marketing Rockstars in Hamburg und die Bits & Pretzels hinzugekommen, die viele Besucher als zeitgemäßer wahrnehmen. Bleibt abzuwarten, wie sich die Veranstalter in den kommenden Jahren aufstellen. Dass man an einem bewährten Konzept nicht endlos festhalten kann, erleben ja auch gerade die Veranstalter der Cebit.