Daimler-Chef Ola Källenius ist der Welt am Sonntag gegenüber deutlich geworden: „Man muss auch ehrlich mit den Menschen sein. Die Montage eines Verbrennungsmotors bringt mehr Arbeit mit sich als der Bau einer Elektroachse. Selbst wenn wir den kompletten elektrischen Antriebsstrang selbst bauen würden, werden wir am Ende der Dekade weniger Menschen beschäftigen.“
Weniger Jobs, aber höher qualifizierte
Gleichzeitig kündigte er neue und „hochwertigste“ Jobs im Zuge der Umstellung an. Damit dürfte er Software-Entwickler, Batterie-Experten und anderen Spezialisten in Fragen der Elektrifizierung von Antrieben meinen, die das Unternehmen seit einem guten Jahr zu akquirieren versucht.
Schon im November vergangenen Jahres hatte Källenius in einem Reuters-Format formuliert: „Unser industrieller Fußabdruck wird sich im Zuge des Umstiegs auf den elektrischen Antriebsstrang fundamental verändern.“ Damals hatte er noch in den Zusammenhang gestellt, dass ein geringerer Umwelt-Fußabdruck Teil des modernen Luxus-Versprechens sei. Das bestimme sich künftig vor allem durch Nachhaltigkeit und Effizienz und nicht mehr durch opulente Gestaltung und Leistung im Übermaß.
Källenius aktuelle Aussage lässt wenig Interpretationsspielraum, ist aber letztlich nur logisch. Denn unstreitig ist, dass die Herstellung eines Elektromotors weniger industrielle Fertigung, weniger Manpower als die Herstellung eines konventionellen Verbrennermotors erfordert. Während ein Verbrennungsmotor nebst Getriebe aus mindestens 1.400 Teilen zusammengesetzt wird, besteht ein Elektromotor nebst Batterien nur aus rund 200 Komponenten.
Erst im Juli hatte sich Daimler deutlich ambitioniertere Ziele für die Einführung eines E-Portfolios gesetzt und dabei für die Pkw-Stammmarke Mercedes-Benz den baldigen Abschied vom Verbrennungsmotor angekündigt. Unter dem Leitbegriff „Electric-only“ soll künftig das ganze Mercedes-Geschäft auf elektrisches Fahren ausgerichtet werden. Schon im Jahr 2025 sollen rund 50 Prozent der Neuverkäufe vollelektrisch oder hybrid fahren. Das ist eine Verdoppelung der bisherigen Planung.
Betriebsrat sieht keine Alternative zum batterieelektrischen Antrieb
Auch der Daimler-Betriebsrat sieht keine Alternative zur Elektromobilität. „Man kann nicht gegen den Strom schwimmen, wenn die ganze Welt gerade den batterieelektrischen Antrieb vorantreibt“, meint Arbeitnehmervertreter Michael Brecht, räumt aber auch ein, dass das nicht jeder in der Belegschaft so sehe. „Einige Kollegen hängen schon noch dem Glauben an, dass wir noch eine Weile so weitermachen könnten.“
Wie hoch der Arbeitsplatzverlust ausfallen wird, hat bislang weder der Betriebsrat noch die Unternehmensführung offen kommuniziert. Eine aktuelle Studie der Boston Consulting Group hatte zuletzt für rund die Hälfte der rund 1,7 Millionen Stellen in der Automobilindustrie und angrenzenden Industriezweigen mindestens eine Änderung des Berufsbildes vorhergesehen. Bei rund 500.000 Stellen bestünde ein Weiterbildungsbedarf, so die Analysten. Wie der indes angesichts der gewaltigen Umstellungen allein in der Motorentechnik aussehen sollte, bleibt unklar.
Bisher sind deutlich über 90 Prozent aller von Daimler verkauften Autos mit einem Verbrennungsmotor ausgestattet. Im ersten Halbjahr 2021 betrug der Anteil der vollelektrischen Fahrzeuge am Verkauf gerade einmal drei Prozent. Der Anteil der Hybride lag knapp darüber. Aufgrund der sich rasch wandelnden Vorgaben aus der Politik gehen die Hersteller allerdings davon aus, dass sich diese Zahlen mittelfristig und dann recht schnell in Richtung Elektrofahrzeuge verschieben werden.