Elektromobilität: Wie Politik und Wirtschaft die Verkehrswende bremsen
„Umfrage: Mehrheit würde kein E-Auto kaufen“, „Warum Elektroautos laut Analyse großer Einbruch bevorsteht“, „Jeder zweite Elektroauto-Fahrer würde wieder einen Verbrenner kaufen“, „Pkw-Neuzulassungen im September 2023: E-Autos auf Talfahrt“ – derartige Schlagzeilen dominierten in den vergangenen Monaten die deutsche Medienlandschaft.
War’s das also schon wieder mit der Elektromobilität? Alles aus und vorbei? Natürlich nicht. Weltweit setzen alle Autohersteller auf Elektroautos – und schon in ein paar Jahren wird man Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor in den Portfolios der großen Hersteller mit der Lupe suchen müssen.
Der technologische Wandel lässt sich nicht aufhalten, wohl aber verlangsamen. Und genau das passiert gerade in Deutschland.
Umweltbonus fällt zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt weg
Überall liest man, dass im September 2023 in Deutschland 63 Prozent weniger Elektroautos neu zugelassen wurden als noch im Vormonat. Klingt dramatisch, liegt aber in erster Linie daran, dass im September die staatliche Förderung für gewerbliche Elektroautos ausgelaufen ist und deshalb jeder, der konnte, sein Fahrzeug noch im August zugelassen hat.
Hinzu kommt, dass aufgrund der schwierigen konjunkturellen Lage und der hohen Zinsen ohnehin weniger Autos gekauft werden, ganz unabhängig vom Antrieb. Auch Rabatte auf Neuwagen sind seltener geworden.
Oder anders ausgedrückt: Für die Antriebswende ist es mehr als unglücklich, dass ausgerechnet in der jetzigen Situation die Förderung für gewerbliche Elektroautos wegfällt. Denn am Ende des Tages sind es größtenteils Unternehmen, die Neuwagen kaufen und diese dann ein paar Jahre später dem privaten Gebrauchtwagenmarkt zu halbwegs erschwinglichen Preisen zur Verfügung stellen.
Bei den Autobauern dreht sich alles um hohe Margen
Es wäre allerdings viel zu einfach, den Schwarzen Peter allein der Politik zuzuschieben. Denn auch die Hersteller tragen eine Mitschuld: Um möglichst hohe Gewinne einzufahren, haben sich nahezu alle Autobauer auf große, teure Elektroautos fokussiert.
Das ging solange gut, wie die Zinsen im Keller waren und sich Bund und Länder gegenseitig mit Förderprogrammen überboten haben. Doch jetzt plötzlich kostet ein Škoda Enyaq oder Volvo XC40 Recharge Pure Electric im Leasing das Doppelte. Die Zeiten, in denen man rein rechnerisch sogar noch Geld rausbekommen hat, wenn man bestimmte Elektroautos geleast hat, sind vorbei.
Und jetzt? Jetzt hat zwar jeder Hersteller zahlreiche Elektroautos im Angebot, aber wenn schon ein Smart #1 oder VW ID 3 gute 45.000 Euro kostet, dann nützt das leider auch nichts in einer Zeit, in der kompakte, bezahlbare Modelle gefragt sind.
Einer der wenigen Lichtblicke dürfte Anfang 2024 der neue Citroën ë-C3 sein, der bei 23.300 Euro startet.
Fehlende Lademöglichkeiten für Mehrfamilienhäuser und Laternenparker
Zurück zur Politik. Umfragen belegen, dass neben den hohen Anschaffungskosten vor allem fehlende Lademöglichkeiten die Menschen davon abhalten, sich ein Elektroauto anzuschaffen. Das ist schon seit Jahren bekannt, passiert ist wenig.
Es kommen zwar regelmäßig neue Ladesäulen dazu, aber dort, wo die Menschen sie wirklich brauchen, fehlen sie nach wie vor: in den Tiefgaragen von Mehrfamilienhäusern und in Anwohnerparkzonen. Noch immer ist es möglich, dass in einer Eigentümergemeinschaft eine einzige Person den Ausbau der Ladeinfrastruktur verhindert – genau wie beim Thema Photovoltaik beziehungsweise Balkonkraftwerk. Hier muss die Politik klare Rahmenbedingungen schaffen. Dass im Jahr 2023 selbst in großen Neubausiedlungen Ladestationen noch immer nicht zum verpflichtenden Standard gehören, ist völlig unverständlich.
Ebenso unverständlich ist die Tatsache, dass die Bundesregierung jüngst Photovoltaikanlagen samt Stromspeicher und Ladeinfrastruktur gefördert, davon aber Mietobjekte ausgeschlossen hat.
Die Sache mit den hohen Strompreisen
Als die Elektromobilität noch in den Kinderschuhen steckte, konnte man vielerorts günstig oder sogar kostenlos laden – und auch die Autohersteller hatten attraktive Ladetarife im Angebot.
Als infolge der Energiekrise dann die Strompreise durch die Decke gingen, erhöhten auch die Ladestromanbieter ihre Preise massiv. Temporär wäre das auch kein Problem gewesen, allerdings behielten nahezu alle Anbieter die hohen Preise bei. So bezahlt man beispielsweise bei Mercedes-Me-Charge je nach Tarif zwischen 55 und 65 Cent pro Kilowattstunde am Schnelllader, während Tesla schon wieder bei rund 40 Cent angekommen ist. Auch EnBW ist mit 49 bis 57 Cent im mittleren Tarif nicht mehr so preiswert wie einst.
All das zusammen führt dazu, dass viele Deutsche der Elektromobilität weiterhin skeptisch gegenüberstehen – und das trotz aller Vorteile.
Man kann die E-Auto-Wende noch so sehr herbei schreiben. Ohne überzeugende Kaufargumente wird daraus nichts. Da hilft es auch nicht, die Politik dafür verantwortlich zu machen, dass die Menschen keine Produkte kaufen möchten, die sie in ihrem sowieso schon harten Alltag eher behindern als voranbringen. E-Autos sind leider nur ein nettes Gadget für verspielte Techniknarren mit zuviel Geld. Der Klimawandel wird damit leider nicht vermindert, im Gegenteil. Zu hoch ist der CO2-Einsatz bei der Herstellung. Dazu kommt der Rebound-Effekt: Die Menschen glauben, sie fahren umweltfreundlich und legen noch mehr Kilometer mit dem Auto zurück. Die Folge: Der Staat „darf” noch mehr Straßen bauen.