Energiekrise: Darf mein Chef mich zum Homeoffice zwingen, um Heizkosten zu sparen?

Nicht wenige Arbeitgebende wollen ihre Büros ganz oder teilweise schließen und ihre Belegschaft ins Homeoffice schicken, um Energie zu sparen. Ein Beispiel lieferte jüngst die Otto Group. Der Hamburger Handelskonzern hat angekündigt, einige Räume mit geringer Auslastung nur noch bis maximal 15 Grad Celsius zu heizen.
Da diese Temperatur zwar die Bausubstanz schützt, zum Arbeiten jedoch zu gering ist, dürfen die Mitarbeitenden entweder zu Hause arbeiten oder freie Schreibtische in anderen Abteilungen mit höherer Raumtemperatur nutzen. Die Menschen haben die Wahl.
Homeoffice per Dekret in der Regel nicht möglich
Juristisch betrachtet sei das legitim, so Thomas Hey von Bird & Bird. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht macht deutlich, dass Arbeitgebende ihre Belegschaft nicht zwingen können, in den eigenen vier Wänden zu arbeiten, sondern, wie im Falle der Otto Group, eine warme Alternative im Büro anbieten müssen.
„Arbeitgebende können Arbeitnehmende laut Artikel 13 des Grundgesetzes nicht gegen den eigenen Willen anweisen, zu Hause zu arbeiten, weil das arbeitgeberseitige Direktionsrecht vor der Haustür der Arbeitnehmerin beziehungsweise des Arbeitnehmers endet“, so Thomas Hey im t3n-Gespräch.
Ausnahmen gibt es trotzdem: „Arbeitgebende können Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind“, so Hey.
Die Option, Homeoffice als Arbeitsort per Direktionsrecht anzuordnen, können Arbeitgebende nach Paragraf 106 Satz 1 der Gewerbeordnung damit nur innerhalb des Rahmens nutzen, den ein Arbeitsvertrag sowie einschlägige Kollektivverträge abstecken.
Zudem können in Krisensituationen wie zuletzt während der Covid-19-Pandemie, wenn die Volksgesundheit gefährdet ist, zusätzliche Aspekte wie der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmenden im Rahmen des durch die Arbeitgeberin beziehungsweise den Arbeitgeber auszuübenden Ermessens eine Rolle spielen.
Allein wirtschaftliche Vorteile und die unternehmerische Organisationsfreiheit reichen dabei aber nicht aus, um einen weisungsbedingten Eingriff in Artikel 13 des Grundgesetzes zu rechtfertigen und damit den Rahmen von Paragraf 106 Satz 1 der Gewerbeordnung zu wahren.
„Ist ein mobiles Arbeiten, eine Homeoffice-Tätigkeit oder Telearbeit gewünscht, muss eine entsprechende individualvertragliche Vereinbarung oder Betriebsvereinbarung getroffen werden“, so Thomas Hey gegenüber t3n.
19 Grad im Büro sind juristisch erlaubt
Im September hat das Bundeskabinett für die Raumtemperatur in Verbindung mit der Energiekrise eine Energiesparverordnung ausgearbeitet und auf den Weg gebracht. Darin steht unter anderem, dass öffentliche Gebäude ab Oktober bis auf wenige Ausnahmen nur noch bis maximal 19 Grad beheizt werden dürfen.
Bisher lag die empfohlene Mindesttemperatur für Bürogebäude generell bei immerhin 20 Grad.
Für private Arbeitgebende gilt die Verordnung zwar nicht zwingend, jedoch werde durch sie ermöglicht, dass auch Unternehmen weniger heizen dürfen, um so dem Beispiel der öffentlichen Hand rechtssicher zu folgen. Sie könne eine Vorlage für Selbstverpflichtungen von Betrieben und betrieblichen Vereinbarungen zur Energieeinsparung sein, heißt es von Kabinettsseite.
Bei uns in der Firma wollen viele Arbeitnehmer mehr im Homeoffice arbeiten, aber unsere Geschäftsführung ist dafür zu „intelligent“ und erlaubt max. 2 Mal die Woche.
Lieber kündigen sie Mitarbeitern, die sie jetzt gerade nicht ganz so sehr brauchen, um zu sparen. Und dann wird ihnen, wie jedes Jahr aufs Neue, im Frühling die völlige Überraschung kommen, dass schonwilder nicht genügend Mitarbeiter zur Verfügung stehen: „Wo sind die nur plötzlich hin?“