Facebook veröffentlicht Videos, in denen Angestellte staatliche Regulierung fordern
Rochelle und Jack heißen die beiden Angestellten, mit denen sich Facebook in einem offenen Gespräch – das im Grunde aus einer Frage und einer Kernaussage besteht – austauscht: Rochelle und Jack finden, dass staatliche Regulierungen dabei helfen würden, ihren Job gut zu machen. Jack sagt: „Ich bin mir nicht sicher, ob es richtig ist, dass ein privates Unternehmen wie Facebook diktiert, wo die Grenzen sind“ zwischen der Meinungsfreiheit und der Content-Moderation. Auf einer Übersichtsseite sind die Kurzvideos und Forderungen einsehbar.
Viel habe sich in 25 Jahren geändert – nur die Regulierung nicht
1996 wurden in den USA Gesetze wie der Telecommunications Act und der Communications Decency Act verabschiedet. Seitdem habe es keine größeren Revisionen oder neue Regulationen gegeben. Das Internet dagegen habe sich rasant weiterentwickelt. Facebook spreche sich für Revisionen bestehender Gesetze aus, damit es bei der Bewältigung großer Probleme klare Leitlinien gebe. Facebook würde auf diese Regulierungen aber nicht tatenlos warten – Security- und Safety-Teams seien auf 40.000 Menschen vergrößert und Privacy-Tools gebaut worden. Das sei aber nicht die Aufgabe allein des Unternehmens.
Facebook sieht vier Kernpunkte, die es zu überarbeiten gelte:
- Eine Revision von Internet-Gesetzen, inklusive Section 230, damit die Moderation von Content transparenter wird und gegeben sei, dass Tech-Firmen verantwortlich gemacht werden können im Kampf gegen Kinderpornographie, Opioid-Missbrauch und andere illegale Aktivitäten.
- Aktualisierte Datenschutzbestimmungen sollen für alle einheitliche Datenschutzstandards ermöglichen.
- Vorschriften und Standards zu Wahlwerbung sollen verhindern, dass andere Staaten Wahlen beeinflussen können.
- Eine Datenübertragbarkeit soll garantiert werden: Wer seine Daten mit einem Dienst teile, solle sie auch zu einem anderen übertragen können.
Regulierung von Facebook – aber wie?
Facebook spricht schon seit einiger Zeit von mehr Regulation – die Entscheidungslast und die Verantwortung würde so nicht mehr beim Unternehmen liegen. Auch Datenschutzbeauftragte und andere kritische Stimmen verlangen das schon länger. Es sind sich also alle einig: Facebook sollte stärker reguliert werden. Haarig wird es aber bei der Umsetzung. Tatsächlich hatte Zuckerberg der EU-Kommission Regulierungsvorschläge unterbreitet – die wurden abgelehnt, weil sie zu schwach seien, so damals der EU-Kommissar Thierry Breton.
Vermenschlichung der Debatte
Die Mitarbeiter werden zunächst mit persönlichen Fotos gezeigt und sprechen darüber, wo sie herkommen und wie lange sie schon bei Facebook sind. Andrew Hutchinson von Social Media Today schreibt, Facebook versuche die Personen hinter Facebooks Entscheidungsprozessen zu humanisieren. Die Gestaltung des Videos, sei es das Setting, die Musik oder die Beleuchtung, würden fördern, dass Zuschauer:innen eine wohlwollende und verständnisvolle Verbindung zu diesen Menschen entwickeln und sich mit ihren Herausforderungen identifizieren können.
Ausschließlich US-amerikanisches Recht
Facebook spricht auf der Seite primär von Section 230 und den Gesetzen von 1996 – das ist US-amerikanisches Recht, das nicht für andere Länder gilt. Selbst wenn es in den USA ein Update zu Section 230 gäbe, hätte das auf deutsche Nutzer:innen keinen Einfluss. In der EU gab und gibt es bereits Bemühungen, insbesondere beim Datenschutz, nach Regulierungen: beispielsweise die DSGVO von 2016. Umfassende gesetzliche Regulierungen, die weltweit gelten, sind wahrscheinlich nicht sehr realistisch. Einzelne Gesetze durch die verschiedensten Staaten und Staatenverbunde dagegen dürften Facebooks Tagesgeschäft auch erheblich verkomplizieren.
Will Facebook nach Haugen die Schuld abgeben?
Die Forderung nach Regulierung ist insofern interessant, als dass fehlende staatliche Regulierung und damit fehlende Leitlinien im Umgang mit Datenschutz, politischen Werbeanzeigen und Content-Moderation zwangsweise an Facebooks-Dilemma Mitschuld seien. Dazu ist die Präsentation der Mitarbeitenden interessant, weil so der Fokus von den Entscheidenden im Unternehmen, die laut Haugen Beschwerden der Mitarbeitenden ignoriert hätten, zu den operativ Ausführenden verschoben wird. Zuletzt wirft die Formulierung im Punkt der Datenübertragbarkeit die Frage auf, ob es hier um die Interoperabilität verschiedener Plattformen geht – oder um Werbedaten, auf die Facebook Zugriff behalten will.