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MIT Technology Review Kommentar

Fernsehen von morgen: Was die Mediatheken der Öffentlich-Rechtlichen bieten sollten

In Zeiten, in denen sich vor allem junge Menschen primär übers Internet informieren, kommt der öffentlich-rechtliche Rundfunk manchmal ein bisschen altbacken daher. Welche Chancen gibt es für die Sender in Zeiten von sozialen Netzwerken und Streaminganbietern?

Von MIT Technology Review Online
3 Min.
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Die Mediatheken des Öffentlich-Rechtlichen sind seit 2023 technisch miteinander verschränkt: für die Sender ist das eine kleine Revolution, für die Nutzer:innen längst überfällig. (Foto: Ralf Liebhold/ Shutterstock)

Es ist Mitte Juni, ich stehe vor einer großen Auffahrt mit Schranken. Bevor ich sie passieren kann, muss ich mir einen Besucherausweis holen. Danach betrete ich die heiligen Stätten des Zweiten Deutschen Fernsehens in Mainz. Ich bin eingeladen zum ZDF-Werkstatt-Gespräch mit der Netzszene. Es geht um nichts Geringeres als die digitale Zukunft des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Netflix, Plattform, Algorithmus, Interaktion, Social Networks, on demand, Interface, Open Source – hätte ich einen Buzzword-Bingo-Zettel, würden diese Wörter darauf stehen. Nicht falsch verstehen, ich bin Fan der Öffentlich-Rechtlichen, sie sind eine wichtige Errungenschaft für unsere Gesellschaft und Demokratie.

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Julia Kloiber

Julia Kloiber schreibt für die gedruckte Ausgabe von MIT Technology Review regelmäßig eine Kolumne. (Foto: Oliver Ajkovic)

Aber sie machen es uns nicht leicht: Der Running Joke von Leonhard Dobusch – seit 2016 für „das Internet“ im ZDF-Fernsehrat – war lange Zeit, dass die meistgesuchte Sendung in der ZDF-Mediathek die ARD-Tagesschau war. Trefferquote: 0. Seit 2023 sind Mediatheken der Öffentlich-Rechtlichen *Trommelwirbel* technisch miteinander verschränkt: für die Sender eine kleine Revolution, für die Nutzer:innen nicht weiter erwähnenswert und längst überfällig.

Empfehlungsalgorithmen, bessere Suche – was bei den Öffentlich-Rechtlichen in der Planung ist

Dieses Gefühl des längst Überfälligen beschleicht mich des Öfteren, wenn ich mir anhöre, was dort in der Planung ist. Man will Empfehlungsalgorithmen, eine bessere Suche, Log-ins, Personalisierungen, mehr Metadaten. Demokratisch soll der Empfehlungsalgorithmus sein, denn man hat einen demokratischen Auftrag, muss auch Zielen wie Vielfalt und Ausgewogenheit gerecht werden. Dabei übersehen sie, worin die kommerziellen Plattformen richtig schlecht sind: im ausgewogenen öffentlichen Diskurs. Wäre nicht der digitale Dialog ein spannender Auftrag für die öffentlich-rechtlichen Sender?

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Diesen Ansatz hatten schon digitale Pionier:innen Anfang der Neunziger im Kopf, als sie „De Digitale Stad“ gestartet haben – mittlerweile digitales Kulturerbe der UNESCO als Meilenstein der Internet-Geschichte. Es war ein lebendiges Labor, in dem mit benutzergenerierten Inhalten, offenen Daten, Chatrooms, Webcams und mit Smart-TV experimentiert wurde. Auch die Idee des interaktiven Fernsehens wurde untersucht: digitaler Dialog zwischen Zuseher:innen.

Es geht um neue Formate für relevante Interaktionen

Was nach diesen progressiven Experimenten kam, ist Geschichte: lineares Fernsehen und Austausch nur auf kommerziellen digitalen Plattformen. In Zeiten von Rechtspopulismus und demokratiefeindlichen Strömungen ist es umso wichtiger, dass es Räume für einen konstruktiven demokratischen Diskurs im Netz gibt. Es geht nicht um Umfrage- und Kommentarfunktionen, sondern um neue Formate für relevante Interaktion.

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Ich will: Inhalte einfach mit anderen teilen können; Formate, die zum Interagieren einladen; sehen, an welchen Stellen in einer Sendung Menschen kommentieren oder diskutieren, weil sie anderer Meinung sind oder Perspektiven ergänzen. Ich will kuratierte Playlists von Freunden oder Menschen, denen ich folge, ich will auf neue spannende Inhalte stoßen (auch von dritten Anbietern), ich will, dass Inhalte uns in den Archiven ewig zur Verfügung stehen.

ARD-Mediathek: Bitte kein zweites Facebook

Ich will nicht: dass die ARD-Mediathek zu einem zweiten Facebook oder TikTok wird, dass Hass und Hetze sich unaufhaltsam verbreiten und ich ein weiteres soziales Netzwerk managen muss. Ich will nicht, dass Hans-Peter mir in den Kommentaren die Welt erklärt. Dem ersten Treffen mit der Netzszene soll ein weiteres folgen. Meine Hoffnung ist, dass man sich auch gegenüber anderen zivilgesellschaftlichen Akteur:innen und Open-Source-Communitys öffnet. Denn die besten Ideen und Innovationsimpulse kommen eigentlich immer von außen.

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Autorin dieses Textes ist Julia Kloiber. Sie arbeitet als Mitgründerin der feministischen Organisation Superrr Lab an gerechten und inklusiven digitalen Zukünften. In der gedruckten Ausgabe von MIT Technology Review berichtet sie in ihrer Kolumne über ihre Erfahrungen in und mit der Tech-Welt.

 

 

 

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