Friedhof der Hypes: Über diese Social Networks redet heute keiner mehr
„Netzwerk XY will das neue Facebook werden“, ist eine Schlagzeile, die gefühlt alle paar Monate durch das Netz schallt. Um welches Netzwerk es dabei ging, interessiert bereits nach kurzer Zeit bereits keinen mehr. Oder wann habt ihr zuletzt etwas über Vero gelesen?
Vero ist nur der jüngste Fall eines solchen Hypes. Nachdem seine Server ob der zahlreichen Neuanmeldungen zu kämpfen hatten, litt auch das Image des Netzwerkes. Die nicht ganz bilderbuchartige Biografie des Gründers und vermutete großangelegte Influencer-Kampagnen mit viel nackter Haut verpassten der Euphorie einen Dämpfer. Doch vor Vero scheiterten auch schon andere Netzwerke an der – oft von außen auferlegten – Mission, Facebook zu bezwingen.
Werbefrei, nutzerfreundlicher oder einfach ganz anders als alles zuvor wollen sie alle sein. Doch bisher hat es keiner geschafft, sich mit dieser edlen Mission als ernstzunehmender Facebook-Konkurrent zu etablieren.
Wir werfen einen Blick auf die sozialen Netzwerke, die in den vergangenen Jahren am meisten gehyped wurden – und dann wieder verschwanden.
Google+: Kampf der Giganten
Wenn ein Unternehmen das Zeug dazu hätte, Facebook in die Knie zu zwingen, dann doch wohl Google. Und so waren die Erwartungen sehr hoch, als 2011 Google+ an den Start ging. Nach kurzer Zeit verzeichnete das Netzwerk bereits über zehn Millionen Mitglieder – was vor allem daran lag, dass man zu einer Mitgliedschaft zwangsverpflichtet wurde, wenn man Google-Dienste wie Google Mail oder den Play Store nutzen wollte.
Status: 2018 kündigte Google die Einstellung von Google+ an. Seit dem 4. Februar 2019 ist es nicht mehr möglich, Beiträge zu posten. Am 4. April 2019 wird das Netzwerk für private Nutzer endgültig eingestellt.
Path: Weniger ist mehr
Hinter Path, das 2011 an den Start ging, standen der Napster-Entwickler Shawn Fanning und der ehemalige Facebook-Mitbetreiber Dave Morin. Das Netzwerk wartete mit ähnlichen Funktionen wie Facebook auf, wollte aber um einiges privater ein. Nutzer konnten sich zu Beginn nur mit 50, später mit 150 anderen verbinden. Da Nutzer wirklich nur mit engen Bezugspersonen befreundet waren, sollte so eine vertrauenswürdigere Atmosphäre geschaffen werden.
Path stand häufig wegen mangelnden Datenschutzes in der Kritik. So wurden beispielsweise Spam-Einladungen an Facebook-Nutzer.
Status: Path wurde 2015 vom südkoreanischen Unternehmen Daum Kakao übernommen, das auch die Suchmaschine Daum betreibt.
App.net: Das „bessere Twitter“
Im August 2012 ging App.net als Microblogging-Dienst an den Start. Gründer Dalton Caldwell wollte ein werbefreies Netzwerk schaffen, das zunächst über Crowdfunding realisiert wurde und über ein Abomodell und Investorengelder finanziert werden sollte. Dafür sollte App.net werbefrei bleiben und Entwicklern von Drittanbieter-Apps eine Infrastruktur zur Synchronisierung mit verschiedenen Clients bereitstellen.
Nach einem erfolgreichen Start konnte App.net 2014 nicht genug Abo-Verlängerungen für eine weitere Finanzierung verzeichnen und entließ alle Mitarbeiter inklusive Gründer.
Status: Anfang 2017 gab App.net bekannt, die Arbeit komplett einzustellen. Sämtliche Nutzerdaten wurden gelöscht und die Software wurde unter Open-Source-Lizenz gestellt.
Ello … and Goodbye
„Du bist kein Produkt“, lautete das Leitbild von Ello, als sich das Netzwerk 2014 anschickte, eine werbefreie Alternative zu Facebook zu werden. Ello lockte zudem am Anfang vor allem mit Exklusivität. Beitreten konnte nur, wer eingeladen wurde. Digitales Vitamin-B. Später öffnete sich das Netzwerk auch für Nutzer ohne Einladung. Neben der Werbefreiheit lockte Ello mit Datensicherheit und einem Verzicht auf die Klarnamenpflicht. Finanzieren wollte sich Ello über Gebühren für bestimmte Zusatzfunktionen.
Der Hype um Ello hielt vergleichsweise lange an. In den ersten Monaten brachte es das Netzwerk auf fast drei Millionen Nutzer. Bis zu 45.000 Anmeldungen pro Stunde weckten große Hoffnungen. Erst 2015 ist Ello wieder vom Radar verschwunden.
Status: Ello gibt es noch. Es hat sich inzwischen als „Creators Network“ neu erfunden und will Künstler weltweit zusammenbringen. Mit etwa 400.000 aktiven Mitgliedern konzentriert sich Ello wieder auf die Kernzielgruppe, mit der das Netzwerk startete.
Peach: Zum Anbeißen?
Im Januar 2016 startete Vine-Gründer Dom Hoffman mit Peach einen Angriff auf Facebook und Twitter. Nur wenige Wochen hielt der Hype um das Netzwerk an, das sich mit der Art und Weise, wie Inhalte geteilt werden können, von anderen sozialen Netzwerken abheben wollte. Mit sogenannten Magic Words können bestimmte Informationen, wie der Akkustand, das Wetter oder der aktuelle Standort, aufgerufen und gepostet werden.
Status: Sowohl bei iTunes als auch im Play Store kann Peach noch heruntergeladen werden. Die iOS-App wurde allerdings zuletzt im März 2016 aktualisiert; die Android-App im Juli des gleichen Jahres. Und auch auf der Internetpräsenz von Peach sieht es ziemlich ruhig aus.
Mastodon: Nomen est Omen?
Zugegeben: Ausgestorben wie das namensgebende Urzeit-Tier ist der Microblogging-Dienst zwar nicht, aber den Erfolg des Hypes konnte Mastodon nicht halten. Mastodon startete bereits Ende 2016, erlebte seinen Hype aber erst im April 2017. Bis dahin verzeichnete das Netzwerk etwa 42.000 Nutzer. Im Mai 2017 waren es schon über 650.000. Als besseres Twitter wurde vielfach über Mastodon, das Open Source und dezentral ist, berichtet. Es besteht aus verschiedenen Instanzen, die von Freiwilligen betrieben und gepflegt werden. Finanziert wird Mastodon über Spenden.
Status: Mastodon besteht weiterhin und wird aktiv von etwa 134.000 Usern genutzt. In der breiten Masse konnte sich das Netzwerk jedoch nicht durchsetzen, was an der Komplexität liegen mag.
Viele Social-Media-Projekte wurden als Facebook- oder Twitter-Killer gehyped und verschwanden wieder in der Versenkung oder richteten sich ein Nischendasein ein. Ein großen Überblick über die Geschichte der sozialen Netzwerke bietet unsere Social-Media-Evolution.