Warum du für dein Content-Marketing eine Kerngeschichte brauchst
Die Rede ist von Guinness, Dr. Oetker und Michelin. Die Brauerei stellte Geselligkeit und Events in den Mittelpunkt ihrer Markenstrategie und da passt die Jagd nach absurden Rekorden bestens ins Bild. Dr. Oetker erkannte frühzeitig den Wert des „assistierten“ Kochens, der es auch weniger gut ausgebildeten Köchen erlaubt, spannende Speisen mit wenig Aufwand herzustellen. Geboren war das öffentliche Rezeptwesen rund um Oetker-Produkte. Und Reifenhersteller Michelin kalkulierte nüchtern, dass je mehr Kfz-Besitzer unterwegs sind, umso mehr Reifen gekauft werden. Daher schickte man sie zu den besten Restaurants, die man mit Sternen bewertete.
Framework first
Es ist gar nicht so einfach, die eigene Core-Story zu finden und daraus eine gleichsam passende wie relevante Kommunikation abzuleiten. Das lässt sich leicht bei FMCG-Produkten beobachten, die gegenüber dem Wettbewerb wenig konkrete Produktvorteile zu bieten haben. Da bleibt nicht viel Kommunikation übrig, als das Schaffen (mitunter künstlicher) Emotionswelten.
Aber so leicht geben wir nicht auf. Es gibt grundsätzlich zwei wichtige Kommunikationsebenen. Entweder hilft der Content in irgendeiner Form weiter, oder er unterhält. Wobei beide Ebenen durchaus weit gefasst werden können. Hilfreich ist ein Content zum Beispiel auch, wenn der User dadurch schlauer oder informierter wird. Unterhaltsam kann Nerd-Content in ebendieser Zielgruppe sein. Alle anderen finden Fotos von Asphaltfräsen bei der Arbeit auf Autobahnen (googelt mal Wirtgen) möglicherweise eher langweilig.
Was allerdings jedem professionell betriebenen Content-Marketing zugrunde liegt, ist ein Framework. Das bildet die Struktur der Prozesse ab und sorgt vor allem dafür, dass alle Beteiligten über das Gleiche reden.
Harnisch benutzt in ihrer Agentur den Storytelling-Canvas. Die Arbeit beginnt stets mit der Zielfindung. Das gilt nicht nur für übergreifende Metaziele wie „mehr Traffic für die Website“, sondern wird für jede Kampagne weiter vertieft in möglichst konkrete Ziele wie:
- Kundenbeziehung vertiefen
- Erlebbarkeit von Unternehmen oder Produkt vertiefen
- Neue Kunden gewinnen
- Und viele weitere Ziele
Der Kern der Übung liegt in folgendem Satz: „Für wen machen wir was, um was zu erreichen und warum?“.
Zielgruppen sind mehr als Demografie
Im zweiten Schritt geht es um die möglichst genaue Beschreibung des Adressaten. Klassische demografische Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Wohnort sind ein Anfang, greifen aber auf Dauer zu kurz. „In der Generation Z finden wir extrem unterschiedliche Typen“, sagt Christian von den Brincken vom Vermarkter-Riesen Ströer. Er sieht in dieser jungen Zielgruppe beispielsweise auch viele Menschen mit hohem Sicherheitsbedürfnis.
Schon einen gewissen Kultstatus im Marketing hat der Vergleich von Prinz Charles und Ozzy Osbourne erlangt. Beide haben sehr ähnliche demografische Merkmale, sind aber wohl nicht für die gleichen Storys zu begeistern.
Also muss man bei der Zielgruppenbeschreibung tiefer gehen. Die Lebenswelt der potenziellen Adressaten kann zum Beispiel mit Personas abgebildet werden. Das ist ebenfalls eine Zielgruppenbeschreibung, aber eher nach Typen, als nach Demografie. Ist ein Mensch extrovertiert oder nicht? Ist er bereit für Risiko oder eher vorsichtig? Der Persona-Fragebogen bildet die Lebenswelt der Zielgruppe ab. Die meisten Unternehmen definieren zwischen fünf und zehn Archetypen, die sie adressieren. Das US-Medienhaus Vice hat solche Typen auch für die Redakteure definiert, damit die wissen, für wen sie eigentlich schreiben.
Bedürfnisse, Ängste, Pain-Points
Verbindet man die Persona-Beschreibung mit der eigenen Branche oder gar dem Produkt, wird schnell deutlich, wo es Geschichten zu erzählen gibt. Schon das Zeigen von Problemszenarien schafft eine direkte Verbindung zur Zielgruppe, etwa bei einem Manager, der kurzfristig Bahn fahren muss, selbst aber noch nie ein Ticket gebucht hat, weil es sonst die Sekretärin tut. Wäre das ein Szenario für Content-Marketing bei der Bahn, so könnte man zeigen, dass er entspannt im Zug beim Schaffner eine Fahrkarte kaufen kann. Die wird zwar teurer, aber das ist – der Persona-Beschreibung nach – für ihn kein Problem.
Wie kommt man zu diesen Insights? Content-Marketingprofi Harnisch beschreibt vier Szenarien:
- Fragen: Klassische Marktforschung
- Zählen: Analytics
- Beobachten: Früher konzentrierte sich das auf Labortests mit Probanden. Inzwischen ist das auch per Remote-Software möglich und spezialisierte Onlinedienste liefern die Software und den Zugang zu Zielgruppen gleich mit.
Eine Mischung aus Zählen und Beobachten ist Social-Media-Analytics. Die automatische Auswertung von Kommentaren, Bewertungen und Foren kann zeigen, welche Probleme bestimmte Nutzergruppen mit einem Angebot haben oder was sie besonders gut finden. - Interpretieren: Diese Disziplin transzendiert natürlich die oben genannten Erhebungsmethoden. Sie erlaubt aber auch das Hinzuziehen von externen Experten, die Erfahrung in einem bestimmten Segment haben.
Ein interessantes Werkzeug, vor allem bei Workshops, ist das Abbilden der Customer-Journey. Wo nimmt ein Nutzer ein Angebot wahr, wo entsteht der Bedarf, wie schärft sich sein Interesse und was entscheidet eventuell den Kauf. Nicht zu vergessen, dass die Journey danach weiter geht. Aftersales wird oft als Servicefunktion missverstanden. Heute wissen, wir, dass der Kunde gerne schon vorher weiß, was hinterher passiert. Somit wird ein Teil dieser Kommunikation zum Marketing-Thema.
Ein Beispiel: Wenn eine App von sich sagt, besonders nutzerfreundlich und einfach zu bedienen zu sein, dann kann man das auch mit den Tutorials abbilden, die typischerweise erst nach Download und Installation angezeigt werden. Warum nicht die echte Bedienung der Software zeigen, statt stilisierte Grafiken.
Die Story
Harnisch führt hier den sogenannten Golden Circle ein. Wenn man durch die Analyse der Pain-Points den Kommunikationsinhalt gefunden hat, stellt sich die Frage, mit welchen Mitteln man das wie kommuniziert. In der Mitte der Kreise steht also das Warum, dann das Wie und dann das konkrete Was. Hierbei geht es nicht nur um die Story selbst, sondern auch um die Wahl des passenden Formats (Video oder Text) und dann um den optimalen Kanal dafür.
Und wie erzählt man eine gute Geschichte?
Ein mögliches Muster ist die Heldenreise. Das ist ein klassisches Konzept, das an jeder Drehbuchschule gelehrt wird. Der Held befindet sich zunächst in seiner gewohnten Umgebung, dann kommt eine Herausforderung. Zuerst weigert er sich, hat Zweifel, aber dann erscheint ein Mentor und rät ihm zu. Er bricht auf, hat jede Menge kleinerer Scharmützel zu erleben und Rückschläge zu erleiden, bis er schließlich in der entscheidenden Schlacht den Drachen besiegt und mit dem „Elixier der Weisheit“ nach Hause zurückkehrt und seinen Liebsten davon erzählt.
So konstruiert sich das auf den ersten Blick anhören mag, es ist recht simpel auf Kaufprozesse zu übertragen und mit Leben zu füllen. Airbnb richtet seine Kommunikation an diesem Modell aus. Der „Mentor“ tritt zum Beispiel in Form von Bewertungen früherer Kunden auf den Plan, die zur Buchung einer bestimmten Unterkunft raten.
Das Story-Konstrukt der Heldenreise funktioniert aber nicht nur über eine gesamte Customer-Journey hinweg. Auch innerhalb des einzelnen Content-Stücks ist eine kognitive Dissonanz, also ein gefühlter Widerspruch, ein guter Einstieg, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Der Ansatz ist der „Weigerung“ des Helden ähnlich.
Susanne Harnisch listet sieben archetypische Erzählkonstrukte auf, die in dieser und ähnlicher Form fast immer das Rückgrat von guten Geschichten ausmachen:
- Das Besiegen des Monsters (Overcoming the Monster) – Harry Potter
- Vom Tellerwäscher zum Millionär (Rags to Riches) – Aschenputtel
- Die Suche (The Quest) – Herr der Ringe
- Reise und Rückkehr (Voyage and Return) – Alice im Wunderland
- Die Komödie, z.B Verwechslung (Comedy) – Manche mögen’s heiß
- Die Tragödie (Tragedy) – Romeo und Julia, Titanic
- Die Wiedergeburt (the Rebirth) – Der Froschkönig, Die Schöne und das Biest
Fazit
Der Aufbau einer inhaltlich getragenen Content-Strategie fordert zu Beginn mehr Aufwand als das Schreiben „aus dem Bauch“. Im dauerhaften Betrieb und vor allem mit wechselnden Teams erweist sich ein solches Konstrukt allerdings als hilfreich und entlastend. Und wenn die Core-Story steht, lässt sich auch bei der Personalplanung nach Menschen suchen, die diese Geschichte repräsentieren und somit mit den Zielen des Unternehmens intrinsisch motiviert in Einklang stehen.