Philipp Westermeyer hat eine Antwort auf Google, Apple, Facebook und Amazon
Die Zahlen, die Philipp Westermeyer auf die Leinwand projiziert, sind alarmierend: Auf einen Firmenwert von zusammengerechnet 2,4 Billionen US-Dollar bringen es Google, Apple, Facebook und Amazon aktuell – ein Zuwachs von mehr als 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr. „Damit sind sie schon mehr als doppelt so viel wert wie alle Konzerne im Dax“, ruft Westermeyer seinen Zuhörern in der Hamburger Messehalle zu. Und wenn der Veranstalter der Online-Marketing-Rockstars-Konferenz dabei von einer „echt krassen Entwicklung“ spricht, dann ist das keineswegs übertrieben.
Keine Angst vor der GAFA-Ökonomie
Die sogenannte GAFA-Ökonomie beherrscht mit Ausnahme von China die weltweite Digitalwirtschaft, was nicht nur Akteuren aus der Werbewirtschaft zunehmend Sorgenfalten auf die Stirn treibt. Was etwa, wenn die Tech-Riesen ihre marktbeherrschende Stellung zu Ungunsten der Wettbewerber ausnutzen?
Facebook beispielsweise hat die organische Reichweite von Publishern bereits spürbar verknappt, um höhere Werbeerlöse zu erzielen. Wenig verwunderlich werden die Rufe nach Regulierungen immer lauter. Die Europäische Union hat Google erst im vergangenen Jahr zu einer Strafzahlung von 2,43 Milliarden Euro verdonnert.
Philipp Westermeyer, der selbst schon mehrere Unternehmen gegründet hat, ist der Ernst der Lage bewusst. Das deutsche Internet sei unter Druck wie selten zuvor, sagt er, nicht nur wegen Google, Apple, Facebook und Amazon, sondern auch wegen aufstrebender Technologie-Konzerne wie Tencent aus Asien.
Untergangsstimmung will der 39-Jährige in der Messehalle trotzdem nicht aufkommen lassen. Im Gegenteil: „Statt die GAFA-Ökonomie zu verteufeln, sollten wir lieber überlegen, wie wir trotzdem mit den großen Plattformen mithalten können“, sagt Westermeyer. Und glaubt man ihm, ist das durchaus möglich. Denn gleich fünf Strategien hat der Marketing-Fachmann seinen Zuhörern mitgebracht.
Mehr Horizontalisierung
Eine davon sei die stärkere „Horizontalisierung“ des Geschäfts. Unternehmen müssten versuchen, ihren Kunden noch besser zu monetarisieren, indem sie beispielsweise ihre Produktpalette sinnvoll erweitern. „Wenn wir mehr Kunden gewinnen wollen, brauchen wir auch mehr Produkte“, sagt Westermeyer und verweist auf das Beispiel Zalando.
Der Modehändler verkauft nicht länger nur Schuhe und Bekleidungsartikel, sondern deckt mit Kosmetik-, Haut- und Haarpflegeprodukten sowie Accessoires inzwischen auch das gesamte Beauty-Sortiment ab. Auch Check24 habe seinen Erfolg zu einem Großteil der Horizontalisierung zu verdanken. 1999 als Vergleichsportal für Kfz-Versicherungen gegründet, vermittelt Check24 heute vom Stromvertrag bis zur Pauschalreise alles, was für den Otto-Normalverbraucher relevant ist.
Lernen von Spotify und Netflix
Das alleine macht ein Unternehmen aber noch nicht zu einer ernstzunehmenden Plattform. „Wenn man den Kunden einmal gewonnen hat, muss man ihn natürlich auch behalten“, sagt Westermeyer. Die Rede ist von neuen Formen der Kundenbindung. „Hier können wir von Anbietern wie Netflix, Spotify und Hellofresh jede Menge lernen, denn sie alle verkaufen Abonnements.“ Wer glaube, dass sich dieses Bezahlmodell nur für Essen sowie Film- und Musikinhalte eigne, solle sich ein Beispiel an Volvo nehmen.
Der schwedische Automobilhersteller hat sich mit seiner Polestar-Tochter vom klassischen Konzept des Fahrzeugbesitzes verabschiedet: Das Auto lässt sich nicht kaufen, sondern ist nur über ein zwei- oder dreijähriges Abomodell erhältlich. Die Bestellung findet online statt. Die lästige Anzahlung entfällt. Mit Porsche versuche sich sogar ein deutscher Konzern an diesem Bezahlmodell, so Westermeyer.
Provozieren, provozieren, provozieren
Westermeyer kennt die Branche gut genug, um zu wissen, dass sich ohne geschicktes Marketing kein erfolgreiches Unternehmen aufbauen lässt. Doch gerade hier sind die Abhängigkeiten zu den großen Plattformen stark. Kaum ein Online-Marketer kommt heute noch an Facebook und Google vorbei. Das treibt nicht nur die Werbepreise, sondern erschwert wegen der großen Konkurrenz auch die Sichtbarkeit.
Für Westermeyer gibt es dagegen nur eine Patentrezept: maximale Provokation. Vorbildlich in dieser Hinsicht habe beispielsweise Naketano agiert. Das Essener Modelabel – das schon vom Namen her an Nacktheit erinnert – hat seinen Pullovern mit der dicken Kordel so einprägsame Bezeichnungen wie „Supapimmel“, „Italienischer Hengst“, „Perverser“ oder „Muschiflüsterer“ verpasst.
Das müsse man selbstverständlich nicht gut finden, ihren Zweck erfüllt habe die Strategie aber in jedem Fall: „Schon heute verbucht Naketano mehr Suchanfragen bei Google als traditionsreiche Marken wie Tom Tailor oder Esprit“, sagt Westermeyer.
PR muss endlich digital werden
Um bei Absurditäten zu bleiben: Auch die Öffentlichkeitsarbeit muss sich laut Westermeyer in Zeiten der GAFA-Ökonomie verändern. „Nach wie vor geben viele Unternehmen nur Pressemitteilungen heraus und hoffen, dass sie abgedruckt werden. Das ist nicht mehr zeitgemäß“, sagt der Marketing-Fachmann. Das beste Beispiel sei Tesla- und SpaceX-Gründer Elon Musk. „Normalerweise werden Testraketen mit Schrott beladen – doch er packt ein teures Auto hinein und streamt es ins Netz“, so Westermeyer. Die Folge: Millionen verfolgten das Schauspiel bei Facebook.
Ähnliche Effekte könnten Unternehmen laut Westermeyer erzielen, wenn sie beispielsweise mehr mit Influencern zusammenarbeiten. So wie About You: Der Modehändler rief einen eigenen Award für Social-Media-Stars ins Leben mit der Folge, dass die Kosten von rund einer Million Euro dank der riesigen Marken-Awareness bei der Preisverleihung schnell zu vernachlässigen waren.
Auch auf Plattformen agil sein
Zum Ende seines Plädoyers hat Philipp Westermeyer noch ein paar Tipps für das Tagesgeschäft auf den großen Plattformen übrig. Statt nur bei der Produktentwicklung auf agile Methoden zu setzen, sollten Unternehmen auch bei der Ansprache ihrer Zielgruppen schnell und kreativ um die Ecke denken.
„Bei Google gibt es ja auch mehr als nur SEO“, sagt Westermeyer. So habe sich beispielsweise Google Shopping bei vielen Händlern als attraktiver Werbekanal etabliert. Viele von ihnen bewerben ihre Artikel laut Westermeyer aber mit den immer gleichen Artikelbildern. Keiner grenze sich von anderen ab.
Besser gemacht habe der Modehändler Asos, der ein Produktbild zu einem Schuh mit knallig-roter Jogginghose platzierte. Geht es nach Westermeyer, sollten sich Unternehmen auch von der klassischen Facebook-Fanseite verabschieden. Er rät stattdessen zur Gründung einer Facebook-Gruppe, da sie perfekt für den Aufbau einer Community seien. So wie „DM Junkie“ der Drogerie-Kette DM, die inzwischen mehr als 100.000 Mitglieder und seitdem kein Reichweiten-Problem mehr hat.
Mehr zum Thema: Die besten deutschsprachigen Online-Marketing-Blogs
Davon das Google, Facebook und Amazon die Digitalwirtschaft beherrschen, merke ich ehrlich gesagt nicht viel. Ich frage mich wie die Unternehmen die rein im Internet aktiv sind weiterhin existieren können und sogar wachsen, wenn dies der Fall wäre… Paradox.