Gullideckel statt Glumanda: Mit dem „Pokémon Go“-Prinzip zu einer schöneren Stadt

Menschengruppen, die für ein Handyspiel durch die Straßen ziehen – das erinnert doch sehr an Niantics „Pokémon Go“. In der japanischen App „Tekkon“ werden allerdings keine bunten Fantasiewesen gejagt, sondern Gullideckel und Strommasten.
Der Sinn dahinter: Die User kartieren die städtische Infrastruktur und helfen so bei der Wartung.
Gullideckel-Jagd im „Pokémon Go“-Style: So funktioniert’s
Zu Beginn des Mobile Games suchen sich die User einen Hunde-Avatar aus, der sie auf ihren Spaziergängen durch die analoge Welt begleitet. Wer an einem Strommasten oder Kanaldeckel vorbeikommt, kann ihn fotografieren und auf einer digitalen Karte eintragen – vorausgesetzt, der Punkt wurde noch nicht von jemand anderem aus der „Tekkon“-Community dokumentiert.
Alle eingereichten Bilder werden im Nachhinein noch einmal von anderen Usern überprüft. Neben Abzeichen, Rängen und Bonusaktivitäten gibt es Punkte fürs Eintragen und Prüfen der Bilder. Diese Punkte lassen sich dann wiederum in Kryptowährung umwandeln: Die projekteigenen Whole Earth Coins sind an der Kryptobörse Bitmart notiert, können in Fiat-Währungen und in Japan auch in Bargeld konvertiert werden.
In den USA ist „Tekkon“ aufgrund der strengeren Kryptoregulierungen aktuell allerdings nicht auf dem Markt.
Daten-Crowdsourcing dank Gaming-App: Das steckt dahinter
Hinter dem Spiel mit niedlichen Hunde-Avataren und Kryptowährung als Belohnung steckt ein ziemlich praktischer Gedanke: Von den rund 15 Millionen Kanalisationseingängen, die es in Japan gibt, müssten rund drei Millionen abnutzungsbedingt erneuert werden, schreibt das „Tekkon“-Team im Whitepaper zum Projekt. Den zuständigen Behörden fehle allerdings oft ein Überblick, welche Schächte am schnellsten repariert oder ausgetauscht werden müssen.
Hier kommt die Gaming-App ins Spiel: Mit ihren Fotos dokumentieren die User den Zustand der einzelnen Gullideckel. Die gemeinnützige Whole-Earth-Foundation (WEF), die „Tekkon“ betriebt, gibt diese Infos dann an die zuständigen Behörden oder Partnerunternehmen weiter. Die können anhand der Bilder nicht nur entscheiden, wann und wo welche Reparaturen fällig werden, sondern sparen durch das Daten-Crowdsourcing auch Wartungskosten.
Letztendlich, so die Idee der WEF, könnte diese Ersparnis dann wieder an die Gesellschaft weitergegeben werden, indem „die Gebühren für öffentliche Dienstleistungen gesenkt werden“.
Infrastruktur-App findet Anklang: Rund 30.000 Fotos pro Tag
Das Konzept kommt an: „Als wir die Testversion unserer App Tekkon entwickelten, fotografierten Bürgerinnen und Bürger mit ihren Smartphones in nur drei Tagen alle 10.500 Kanalschächte in Shibuya City, Tokio – Daten, die die Kanalisationsbehörde nicht hatte beschaffen können“, heißt es im Whitepaper.
Mittlerweile, so der WEF-Gründer Takashi Kato gegenüber dem Nachrichtenportal Bloomberg, seien rund 1,8 Millionen Kanalschächte in Japan dokumentiert, die Daten zu erfassten Strommasten gehen unter anderem an die Tohoku Electric Power Co., einen Stromversorger im Nordosten des Landes.
Die App werde derzeit von rund 128.000 Menschen auf den Philippinen, in Japan und in Indonesien genutzt, soll künftig aber global weiter ausgerollt werden. Jeden Tag werden etwa 30.000 Fotos hochgeladen.
Vor der Whole Earth Foundation hatte Kato bereits das Startup Fracta gegründet und damit eine Software konzipiert, die Schwachstellen in städtischen Wassernetzen identifiziert.