Universum: Größte Simulation aller Zeiten stellt Standardmodell der Kosmologie auf die Probe
Schon mit seinen ersten Bildern hatte das James-Webb-Weltraumteleskop in der Wissenschaft für Irritation gesorgt. So könnten Galaxien sich viel schneller nach dem Urknall gebildet haben als angenommen – früher als laut kosmologischem Standardmodell vorhergesagt.
Dehnt sich das Universum schneller aus?
Auch die Ausdehnung des Kosmos scheint schneller voranzugehen, als für ein 13,8 Milliarden Jahre altes Universum zu erwarten wäre. Bisher ließen sich Unstimmigkeiten derweil durch die Annahme von Fehlern bei der Beobachtung und Auswertung sowie Anpassungen von Formeln beseitigen, wie spektrum.de schreibt.
Die Wissenschaftsgemeinde will das aber natürlich nicht auf sich beruhen lassen und wartet auf weitere Daten, die sie unter die Lupe nehmen kann. Forscher:innen aus Großbritannien und den Niederlanden wollen dagegen mit der bisher größten kosmischen Simulation Licht ins Dunkel der Entstehung und Ausbreitung des Universums bringen.
Projekt Flamingo: Sichtbare Materie und Neutrinos
Im Rahmen des sogenannten Projekts Flamingo (Full-hydro Large-scale structure simulations with All-sky Mapping for the Interpretation of Next Generation Observations) sollen neben dunkler Materie auch sichtbare Materie und Neutrinos stärker in die Kalkulationen einbezogen werden.
Astronom:innen zufolge könnten die Auswirkungen der sichtbaren Materie, die nur 16 Prozent aller Materie um Universum ausmacht, sowie der Neutrinos das Verständnis der Entwicklung des Universums verbessern. Damit ließen sich vielleicht die potenziellen Abweichungen vom Standardmodell erklären.
Standardmodell: Kosmologie am Scheideweg
Für den Physikprofessor Carlos Frenk von der Durham University steht die Kosmologie am Scheideweg. „Wir haben erstaunliche neue Daten von leistungsstarken Teleskopen, von denen einige auf den ersten Blick nicht unseren theoretischen Erwartungen entsprechen“, zitiert The Independent den Physiker.
Demnach sei entweder das Standardmodell der Kosmologie fehlerhaft, oder es gebe winzige Verzerrungen in den beobachteten Daten. „Unsere superpräzisen Simulationen des Universums sollten uns die Antwort geben können“, so Frenk.
In den vergangenen zwei Jahren haben Forscher:innen an der Durham University daher auf einem Cosma 8 genannten Supercomputer entsprechende Simulationen laufen lassen.
Größte kosmologische Computersimulation
Bei der größten wurden 300 Milliarden Teilchen, die jeweils der Masse einer kleinen Galaxie entsprachen, in einem würfelartigen Raum (Kubator) verwendet, dessen Kantenlängen jeweils zehn Milliarden Lichtjahren entsprachen. Damit soll es die größte kosmologische Computersimulation mit gewöhnlicher Materie sein, die jemals durchgeführt wurde.
Künftig sollen Astronom:innen mithilfe von Maschinenlernen Vorhersagen für die Entwicklungen beliebiger virtueller Universen machen können – und dabei mehr über die kosmologischen Parameter erfahren, wie es vonseiten der Royal Astronomical Society heißt.
Code verteilt Rechenarbeit auf Tausende CPU
Insgesamt verschlangen die Berechnungen 50 Millionen Prozessorstunden. Die Forscher:innen entwarfen mit Swift einen eigenen Code, dank dem sie die Rechenaufgaben über Tausende CPU verteilen konnten. Zwischenzeitlich waren bis zu 65.000 CPU gleichzeitig im Einsatz.
Details zu dem Flamingo-Projekt wurden in den Monthly Notices of the Royal Astronomical Society veröffentlicht.