
Autonomes Fahren könnte eher mehr als weniger Verkehr bringen. (Bild: Olivier Le Moal/Shutterstock)
Im Jahr 1865 hatte William Stanley Jevons in seinem Buch The Coal Question beschrieben, dass der britische Kohlenverbrauch nach der Einführung einer deutlich effizienteren Dampfmaschine nicht wie angenommen sank, sondern deutlich anstieg. Das daraus folgende Jevons-Paradoxon besagt, dass technischer Fortschritt nicht zu Einsparungen führen muss.
Kohle: Effizientere Nutzung steigert Nachfrage
Im Gegenteil: So ermöglicht die effizientere Nutzung eines Rohstoffs es, mehr Arbeit zu leisten und Produkte herzustellen. Dadurch wiederum sinken die Preise und die Nachfrage steigt. Zudem werden neue Marktsegmente und Dienstleistungen erschlossen.
Auf den Verkehrsbereich umgelegt, sagt das Jevons-Paradoxon voraus, dass neue Verkehrsinfrastruktur und Verkehrsträger auf Dauer nicht zu Zeit- und Energieeinsparungen führen. Denn diese werden durch steigende Reiseentfernungen und -häufigkeiten sowie vermehrtes Pendeln ausgeglichen.
Ähnliches lässt sich auch über die möglichen Auswirkungen des autonomen Fahrens vorhersagen, wie The Verge schreibt. Die von Anbietern und Verfechter:innen prognostizierte Zukunft mit einer großen Zahl an selbstfahrenden Autos soll eine Minimierung von Energieverbrauch und schädlichen Abgasen bringen. Der Verkehr soll allgemein sicherer werden.
In einem Blogeintrag von Mobileye aus dem Jahr 2021 heißt es etwa, dass ein höherer Anteil an selbstfahrenden Autos auf der Straße den Verkehrsfluss gleichmäßiger mache, „was zu weniger energieschluckendem Stop-and-Go-Verkehr führe“. Zudem würden selbstfahrende Autos allgemein weniger Fehler als Menschen machen, wenn es um energieeffizientes Fahren geht.
Selbstfahrende Autos brauchen mehr Energie
Aber: Wie im Jevons-Paradoxon beschrieben, sorgen selbstfahrende Autos auf der einen Seite zwar vielleicht tatsächlich für eine Minimierung des Energieverbrauchs beim Fahren. Hinter dem virtuellen Steuer sitzt dann aber jede Menge Computerpower in Form von Sensoren und anderer Hardware, Software sowie Servern, auf denen die jeweiligen nächsten Fahrschritte berechnet werden.
Allein dafür ist eine riesige Menge an zusätzlicher Energie notwendig, wodurch wiederum – so das ganze System nicht ausschließlich mit erneuerbaren Energien hergestellt und betrieben wird – weitere schädliche Emissionen erzeugt werden. Dazu kommt die oben erwähnte Prognose im Rahmen des Jevons-Paradoxon zur steigenden Nutzung effizienterer Systeme.
Wer künftig während der Autofahrt an Meetings teilnehmen, Games spielen, lesen oder schlafen kann, dürfte kaum einen Grund haben, aus dem Auto auszusteigen. Schon 2014 hatte der US-Historiker Peter Norton von der University of Virginia gewarnt, dass autonomes Fahren Leute eher dazu bringen dürfte, „mehr Zeit in den Fahrzeugen zu verbringen und sie für noch mehr Aufgaben zu nutzen“.
Norton, der das Jevons-Paradoxon an der Uni lehrt, hatte sich gewundert, warum die Befürworter:innen des autonomen Fahrens nur von Vorteilen und Einsparungen sprachen, die zu erwartenden gegenteiligen Entwicklungen aber nicht ins Kalkül zogen.
Fahrten werden häufiger und länger
Eine US-Studie schlägt in eine ähnliche Kerbe. Demnach werde durch eine zunehmende Verfügbarkeit von selbstfahrenden Autos die damit gemachten Fahrten häufiger und länger. Ebenfalls möglich sei, dass sich Pendler:innen durch weniger anstrengende Fahrten dazu ermutigt fühlen, noch weiter ins Umland zu ziehen – mit entsprechenden Auswirkungen auf den Verkehr.
Eine Möglichkeit, das zu verhindern, so die Forscher:innen, wäre es, Privatpersonen den Zugang zu selbstfahrenden Fahrzeugen zu erschweren – also stärker auf deren Verwendung im ÖPNV oder im Taxibereich zu setzen. Ob sich das politisch durchsetzen ließe, ist allerdings fraglich.
Letztlich ist freilich nicht klar, wozu die mit vielen Milliarden US-Dollar geförderte Entwicklung des autonomen Fahrens uns in Zukunft führen wird. Sicher ist, dass es nicht nur die von den Anbietern propagierten Vorteile gibt. Das Jevons-Paradoxon sollte man zumindest in entsprechende Überlegungen mit einbeziehen.
Ohne externe Regeln rennt jedes System in die eigenen Begrenzungen. PKW gehören zu den energetisch ineffizientesten Bewegungsformen, aber werden durch einen Überfluss an Energie am Leben erhalten. Da die Kosten wie Kollateralschäden (~250 000 Tote pro Jahr in Europa durch primär durch Verkehr erzeugte Luftkontamination, weiters Lärm, Klimaschäden, direkte und indirekte Umweltschäden) nicht eingepreist werden, ist die hier kein rechtzeitiger Ausgleich vorhanden und die Kosten fallen in anderen Bereichen an, bis das System als ganzes kippt, weil es eben unzureichend innen ausgeglichen ist.
Das Straßen Verkehr anziehen ist auch nichts Neues. Jedes (vermeintliche) Gratisangebot erzeugt Nachfrage – ist also kein Paradox im wirtschaftlichen Sinn.
Hier gibt es also wieder einen Grund warum der private Verkehr deutlich offensichtlicher ge/besteuert werden sollte und z.B. die effektiven Kosten pro gefahrene Strecke verpflichtend am Display angezeigt werden sollten.
Laut ADAC kostet bei praktisch jedem Einwegverbrenner der Kilometer ~1€, aber den Mitfahrenden ist das nicht bewusst, weshalb sie auch ohne mit der Wimper zu Zucken alleine unterwegs sind, anstatt ihre Fahrten zu bündeln. Es gibt zwar bei praktisch jedem aktuellen Fahrzeug eine Verbrauchsanzeige – bei Elektrofahrzeugen ist diese meist prominent eingeblendet, bei Einwegverbrennern wird meist neben der analogen Geschwindigkeitsanzeige lieber nochmal eine textbasierte eingeblendet (wohl damit die Kosten nicht so schmerzen). Selbiges gilt bei autonomen Fahrzeugen: Wenn die Kosten transparent und zum richtigen Zeitpunkt eingeblendet werden ist es schnell vorbei mit den überzähligen Fahrten und auch den Anschaffungen von Zweit-, Dritt- und Viertwägen. Dann wird auch ein Einzelfahrzeug reichen, oder selbst dieses aus einem Pool mit anderen geteilt werden, damit die Effizienz wächst.
Effizienz ist eben kein Selbstzweck – Ihre Bedeutung wächst mit dem Nutzen – und so lange Menschen mit ihrem begrenzten Horizont Entscheidungen fällen, so lange wird die Psychologie der unvollständigen Information Information und Verantwortung die tragende Rolle spielen!