Schlimmer als erwartet: Schäden am James-Webb-Teleskop wirken sich auf Bilder aus
Schon Anfang Juni 2022 hatte die Nasa eingeräumt, dass ein Mikrometeoriteneinschlag den Spiegel des James-Webb-Teleskops stärker beschädigt hatte, als erwartet. Zunächst konnte der Spiegel zwar so justiert werden, dass die meisten negativen Auswirkungen ausgeglichen scheinen.
Bleibender Schaden am Teleskop schon kurz nach Start
Ein aktueller Bericht, der am Dienstag auf dem akademischen Preprint-Server arxiv.org veröffentlicht wurde (PDF), zeigt jedoch, dass einer der bislang insgesamt sechs Mikrometeoriteneinschläge auf dem riesigen Segment-Spiegel des JWST deutlichere Schäden als zunächst angenommen hinterlassen hat. Es handelt sich um Schäden, die sich nicht mehr beheben lassen werden. Der Nasa bleibt keine andere Möglichkeit, als die durch die beschädigte Optik schlechteren Bilddaten algorithmisch zu korrigieren.
„Der einzelne Mikrometeoriteneinschlag, der sich zwischen dem 22. und 24. Mai 2022 ereignete, übertraf die vor dem Start erwartete Schadenshöhe für einen einzelnen Mikrometeoriten, was weitere Untersuchungen und Modellierungen durch das JWST-Projekt auslöste“, heißt es in dem Bericht.
Mit anderen Worten: Die Annahmen über zu erwartende Mikrometeoriteneinschläge auf dem JWST-Spiegel haben sich als falsch erwiesen. Das ist beim James-Webb-Teleskop besonders kritisch.
Freiliegender Spiegel besonders anfällig
Denn im Gegensatz zum Hubble-Weltraumteleskop, bei dem der Hauptspiegel in einem zylindrischen Gehäuse untergebracht ist, ist der Segment-Spiegel des JWST mit seinem Durchmesser von 6,5 Metern dem Weltraum ausgesetzt. Da das JWST in einer Umlaufbahn fliegt, die am Lagrange-Punkt 2 liegt, mithin rund 1,6 Millionen Kilometer von der Erde entfernt, waren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler davon ausgegangen, dass das Teleskop nur etwa einmal im Monat auf potenziell gefährliche Mikrometeoriten treffen würde.
Diese Annahme erwies sich als grob richtig. Während der Inbetriebnahme des Teleskops von Ende Januar bis Juni wurde der Hauptspiegel tatsächlich von insgesamt sechs Mikrometeoriteneinschlägen getroffen.
Stärke der Einschläge unterschätzt
Als falsch erwies sich indes die angenommene Stärke der zu erwartenden Einschläge. Während fünf der Einschläge nur geringe Schäden im Rahmen der Vorausberechnungen aus den Computermodellierungen hinterließen, richtete der sechste Einschlag einen um den Faktor 120 größeren Schaden an, als erwartet worden war.
Da jedes Spiegelsegment einzeln justierbar ist, konnten alle Schäden weitgehend ausgeglichen werden, sodass die Auflösung des Primärspiegels als Ganzes noch im erwarteten Qualitätsbereich liegt, so die Nasa. Der Fehlerwert für den gesamten Spiegel erhöhte sich durch den Einschlag um etwa neun Nanometer.
„Es ist noch nicht klar, ob der Einschlag in Segment C3 im Mai 2022 ein seltenes Ereignis war (das heißt ein unglücklicher früher Einschlag eines Mikrometeoriten mit hoher kinetischer Energie, der statistisch gesehen nur einmal in mehreren Jahren vorkommt)“, heißt es in dem Bericht, „oder ob das Teleskop möglicherweise anfälliger für Schäden durch Mikrometeoriten ist, als die Modellierung vor dem Start vorausgesagt hat“.
Weil eine konstruktive Korrektur naheliegenderweise nicht möglich ist, überlegt das Boden-Team nun andere Maßnahmen, um künftige Mikrometeoriteneinschläge abzumildern. So könnte etwa die Zeitspanne, in der das Teleskop in Richtungen ausgerichtet werden kann, von denen bekannt ist, dass sie den Spiegel einer höheren Wahrscheinlichkeit von Mikrometeoriteneinschlägen aussetzen, begrenzt werden.
20 Jahre könnte das JWST forschen
Weitere Einschläge der bereits erreichten Stärke könnten das JWST im Extremfall unbrauchbar machen. Das gilt es, für die Nasa und Astronomen auf der ganzen Welt unbedingt zu verhindern. Denn das Projekt hat Monumentalcharakter.
Nach mehr als 20 Jahren und zehn Milliarden US-Dollar Entwicklungskosten konnte das Weltraumteleskop nach vielen Verzögerungen am ersten Weihnachtsfeiertag 2021 an Bord einer Ariane-5-Rakete endlich erfolgreich gestartet werden. Während des Starts verbrauchte das Teleskop weit weniger Treibstoff, als eingeplant gewesen war. Dadurch würde sich die voraussichtliche Betriebsdauer des Observatoriums fast verdoppeln. Das sollte jetzt nicht durch Meteoriteneinschläge zunichtegemacht werden.
„Vor dem Start musste JWST Treibstoff für mindestens zehn Jahre Missionsdauer mitführen“, schreibt die Nasa. „Jetzt, da sich JWST in der Umlaufbahn um L2 befindet, ist klar, dass der verbleibende Treibstoff für mehr als 20 Jahre Missionsdauer ausreichen wird.“