Selbstbewusst schaut die Frau in die Kamera, während sie lässig die Arme verschränkt. Mit einem selbstbewussten Lächeln steht sie in einer Galerie und schaut direkt in die Kamera. Vielleicht sind es sogar ihre Bilder, die dort ausgestellt werden. Wir werden es nie herausfinden. Das Bild ist nämlich nicht echt, sondern mithilfe von KI erstellt worden. Der Mensch, der gezeigt wird, ist längst tot. Auf der linken Seite des Bildes ist das Original zu sehen – es zeigt ein kleines Kind.
„Die Erinnerungen, die wir mit unseren Lieben schaffen, sind das Wertvollste, was wir im Leben haben. Oft erkennen wir das zu spät. Wir würden gerne jemanden sehen, den wir lieben, aber das ist nicht mehr möglich“, philosophiert der türkische Fotograf Alper Yesiltas auf Boredpanda.
Mit seiner Serie „New Moments“ möchte Yesiltas neue Erinnerungen für die Angehörigen von längst verstorbenen Menschen schaffen. Die Bilder hat er mit der Zustimmung der Angehörigen veröffentlicht.
So werden die Menschen ins „Jetzt“ geholt
Zum Prozess, mit dem Yesiltas die „neuen Momente“ erstellt, verrät der Fotograf aus der Türkei nichts Genaues. Er erwähnt lediglich, dass er mehrere Anwendungen und Plattformen verwendet, die verschiedenen Zwecken dienen.
Dafür benötigt Yesiltas so viel Bildmaterial wie nur möglich. Startpunkt ist dann ein alter Moment, der digitalisiert wird. Danach versucht er die Person künstlich altern zu lassen. Dafür verwendet er neben weiteren Kinderbildern auch Fotomaterial der Eltern des verstorbenen Menschen. Danach setzt der Fotograf die gealterte Person in eine passende Szene.
Schon in einer vorherigen Serie zeigte Yesiltas längst verstorbene Stars und wie sie heute aussehen würden – mit dabei waren neben Prinzessin Diana auch Michael Jackson und Paul Walker. Daraufhin bekam der Fotograf laut eigenen Angaben mehrere Anfragen von Privatpersonen. „An diesem Punkt habe ich erkannt, dass ich [mit den Bildern] den Menschen einen neuen Moment und ein echtes Gefühl bieten kann“, schreibt er weiter.
Wie authentisch können Gefühle sein, die KI-Bilder auslösen?
In seinem Beitrag betont Yesiltas, wie wichtig ihm die Emotionen sind, die die Bilder bei den Angehörigen auslösen. „Als ich diese Fotos mit den Familienmitgliedern dieser Menschen teilte, gehörten die Reaktionen zu den einzigartigsten Momenten in meinem Leben“, schreibt er. Für ein leicht mulmiges Gefühl sorgen die Bilder trotzdem.
Auf den Bildern ähneln sich die KI-Nachahmungen fast komplett – auch Haare und Bart sind häufig übereinstimmend. Die Menschen hatten leider nicht die Chance, neue Frisuren auszuprobieren. Sie bleiben in Szenen, die sie sich vor ihrem Tod erträumt hatten. Sie haben nicht mehr die Gelegenheit, ihre Meinung zu ändern oder Fehler zu machen.
Interessant wären bei dieser Art von Bild-KI – oder auch bei Computer-Forensik – Vergleiche mit lebenden Menschen, um die Validität der Methoden bewerten zu können.