Es ist fast schon Tradition: Huawei-Mobile-Chef Richard Yu hat die Ifa-Keynote am Freitag dazu genutzt, die neueste Generation des hauseigenen Smartphone-Prozessors zu enthüllen. Der Kirin 990 kommt in zwei Ausführungen – mit und ohne 5G-Modem.
Trotz der schwierigen Lage, in der Huawei sich derzeit aufgrund der US-Sanktionen befindet, lässt Richard Yu es sich nicht nehmen, die Fortschritte Huaweis im Halbleitersektor anzukündigen. Der neue Kirin-990-Chipsatz ist wie sein Vorgänger, der Kirin 980, im Sieben-Millimeter-Verfahren produziert, wobei die 5G-Version im EUV-Verfahren hergestellt wird. Damit zieht Huawei mit Samsung gleich, die ihren Exynos 9825 auf diese Weise produzieren. Da steckt das neue SoC im Galaxy Note 10 (Plus). Neben Samsung und Huawei wird erwartet, dass auch Apples A13-Chip für das iPhone 11 im EUV-Verfahren gefertigt wird.
Kirin 990: Neues SoC kommt optional auch ohne 5G
Wie beim Kirin 980 setzt Huawei auch beim neuen Modell auf eine Achtkern-Architektur: Beim 5G-Modell sind zwei performante Cortex-A76-Kerne mit 2,86 Gigahertz getaktet, zwei mittlere A76-Kerne laufen auf 2,35 Gigahertz und vier „Little“-Kerne, basierend auf ARMs Cortex A55, sind mit 1,95 Gigahertz getaktet. Das SoC-Modell mit 4G besitzt zwar auch die zwei Big-Cores, der Middle-Cortex-A76 läuft etwas langsamer mit 2,09 Gigahertz, die vier Cortex-A55 auf 1,86 Gigahertz.
Unterstützt wird der Achtkern-Chip von einer 16-Kern Mali-G76-Grafikeinheit. Beim Vorgänger, dem Kirin 980, hatte Huawei auch eine Mali G76-GPU verbaut, die aber nur zehn Kerne besaß. Die GPU ist Huawei zufolge um 20 Prozent energieeffizienter als Qualcomms Snapdragon 855.
Huawei zufolge ist das SoC mit integriertem 5G-Modem performanter als der Snapdragon 855 mit X50-Modem. Ferner sollen mit dem Kirin 990 5G Downloadgeschwindigkeiten von bis zu 2,3 Gbps im Downlink und bis zu 1,25 Gbps im Uplink erreicht werden. Stolz ist das Unternehmen darauf, dass Netzgeschwindigkeiten auch bei schneller Fahrt, etwa im Auto, erhalten bleiben, was durch einen „Machine Learning Adaptive Receiver“ erreicht werde. Das 5G-Modem unterstützt lediglich Sub-6-Bänder, auf MM-Wave hat Huawei vorerst verzichtet, da diese in erster Linie in den USA zum Einsatz kommen würden.
Kirin 990 mit neuer NPU-Architektur und ISP
Für Machine Learning hat Huawei wie beim Kirin 980 zwei NPU-Kerne integriert, setzt dabei allerdings auf die im Server-Segment von HiSilicon eingesetzt „Da Vinci Architecture“ mit bis zu zwei Big- und einem Tiny-Core. Ersterer werde für rechenlastige KI-Berechnungen verwendet, letzterer für leichtere Aufgaben wie etwa die Gesichtserkennung. In der LTE-Variante des Kirin 990 kommen nur ein Big- und ein Tiny Core zum Einsatz.
Huawei zufolge sei die KI-Rechenleistung die stärkste, die auf einem Mobilchip zu finden sei. Im ETH Benchmark erreiche der Kirin 990 einen Wert von 4,76, der Vorgänger und die Werte der Konkurrenz würden sich weit darunter bewegen.
Neu im Kirin 990 ist zudem der Bildprozessor (ISP). Der Datendurchsatz konnte im Vergleich zum Vorgänger um 15 Prozent erhöht werden, ferner sei er energieeffizienter. Zudem komme die erste BM3D-Rauschunterdrückung (Block-Matchings und der 3D-Filterung) auf DSLR-Level zum Einsatz, so das Unternehmen. Damit sollen Fotos noch rauschärmer werden.
Eine weitere Neuerung ist eine Funktion, die etwa Samsung und Apple schon seit einer Weile an Bord haben: die Unterstützung von Videoaufnahmen mit 4K und 60 Frames per Second (fps). Bisher unterstützten Huawei-Geräte nur 30 fps.
Das erste Gerät, das mit dem Kirin-990-Chip bestückt wird, dürfte das Huawei Mate 30 werden, das am 19. September erscheinen wird. Im November soll das Mate X folgen. Jedoch ist angesichts der US-Sanktionen gegen Huawei nicht klar, ob die Geräte es nach Europa schaffen werden. Denn auch wenn Huawei das quelloffene Android nutzen kann, sieht es bei den diversen Google-Diensten wie dem Play Store, Gmail oder Maps gänzlich anders aus.