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Angst vor Krieg: Wie gehe ich mit der Furcht im Team um?

Der Invasionskrieg von Putin auf die Ukraine trifft in erster Linie die Ukrainer selbst. Aber auch hierzulande bauen sich Sorgen und Ängste bei den Menschen auf. Wie lässt sich diese Furcht im Team adressieren?

4 Min. Lesezeit
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Angst vor Krieg ist normal, sie kann aber auch irrationale Züge annehmen. (Foto: Shutterstock-Alina Kruk)

In Meetings fließen Tränen, Kolleginnen und Kollegen schlafen schlecht. Der Invasionskrieg von Wladimir Putin gegen die Ukraine hat einen langen Arm. Er greift sich seine Opfer auch hierzulande. Der Konflikt ist eine Zäsur, nicht zuletzt auch für die Psyche der Menschen. Die Furcht vor einem dritten Weltkrieg und der Einsatz von Atomwaffen wird in den Medien an einigen Stellen thematisiert – wie wahrscheinlich so ein Szenario ist, lässt sich nur erahnen. Dass die Sorgen und Ängste der Menschen auch hierzulande nachvollziehbar seien und ernst genommen werden sollten, erklärt Madeleine Leitner im t3n-Gespräch. Die Diplom-Psychologin sagt: „Ein solcher Konflikt birgt ungeheure Gefahren für Leib und Leben, aber auch für unseren Wohlstand, unser Heim – alles, was wir haben.“ Leitner plädiert deshalb für Empathie und Achtsamkeit untereinander. „Ängste sind verbreiteter, als man denkt.“

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Das bestätigt auch eine Forsa-Umfrage im Auftrag von RTL und NTV. Sie ergab, dass 69 Prozent der Menschen die Angst umtreibt, dass auch die Nato in den Krieg von Wladimir Putin hineingezogen wird, weil der russische Präsident gegebenenfalls auch andere Nachbarländer wie die baltischen Staaten Estland, Lettland oder Litauen angreifen könnte. Lediglich 25 Prozent schließen so eine Eskalation gänzlich aus. Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, rät dazu, sich um diese Kriegsangst in der deutschen Bevölkerung zu kümmern. „Wichtig ist, dass man Menschen mit Kriegsangst ernst nimmt und ihre Gefühle nicht kleinredet“, so Montgomery gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Als Weltkrieg wird ein Krieg bezeichnet, der in seinem geografischen Ausmaß über mehrere Länder und Kontinente reicht und eine völlige Neuordnung der internationalen Beziehungen mit sich bringt.

Lasse Rheingans teilt die Sorge. Der Unternehmer berichtet gegenüber t3n, dass viele Kolleginnen und Kollegen die Ereignisse nicht kaltließen. Auch im Kundenkreis ist eine Anspannung spürbar. Rheingans gab dem Thema daraufhin im Team einen Raum: „Wir starten unseren Montag immer mit einem Check-in.“ Dort sei der Krieg in dieser Woche besprochen wurden. „Es flossen einige Tränen“, erklärt er. Die Lage bewege viele Menschen um ihn herum und es sei Rheingans wichtig, allen zu signalisieren, dass sie nicht allein sind mit ihren Gefühlen. Madeleine Leitner hält das für richtig. Viele Menschen würden ihre Besorgnis nicht zugeben, sondern versuchen sie zu verbergen. Ängste lassen sich jedoch nicht wegschließen, sie kämen früher oder später ans Licht: Zittern, Schweißausbrüche, Herzklopfen seien typische stressbedingte Symptome. „Das sollten Führungskräfte im Auge behalten.“

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Angst kann irrationale Züge annehmen

Psychologin Madeleine Leitner. „Problematisch ist es, wenn ganz sinnvolle Ängste anfangen, sich zu verselbständigen.“ (Foto: Privat)

Angst ist eine natürliche Reaktion auf Gefahrensituationen. Sie sei insofern ein wichtiges Signal für uns, aufzupassen und entsprechend zu reagieren. Angst zu haben, ist Madeleine Leitner nach zunächst einmal gut. Wichtig sei es, sich zur Bewältigung mit der Quelle der Angst zu beschäftigen und zu überlegen, ob sie berechtigt ist oder nicht. „Problematisch ist es, wenn ganz sinnvolle Ängste anfangen, sich zu verselbständigen und eine Eigendynamik entwickeln. Wenn ich auf vermeintlich harmlose Dinge übermäßig heftig reagiere oder anfange, ihnen aus dem Weg zu gehen, anstatt sie zu überwinden“, so die Expertin. Furcht tendiere dazu, größer zu werden, wenn man sie lasse. In der Psychologie wird Angst von irrationaler Befürchtung unterschieden: „Es ist verrückt, ohne Fallschirm aus einem Flugzeug zu springen. Es ist aber irrational, in einem Hochhaus nicht in einen Fahrstuhl zu steigen.“

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Über Sorgen und Ängste zu sprechen, kann insofern ein erster Schritt sein, sie zu bewältigen. Trotzdem sollten einige Grenzen nicht überschritten werden. „Führungskräfte sind keine Therapeuten“, erklärt Madeleine Leitner. Wo es beispielsweise zu Panikattacken kommt, sollten die Menschen dringend professionelle Hilfe aufsuchen. Auch Lasse Rheingans erkennt die vielen Facetten von Angst nach der Gesprächsrunde und hat erste Rückschlüsse daraus gezogen. Für sein Team habe er nun ein Seminar zu achtsamer Selbstführung gebucht. „Das mag hoffentlich einigen helfen, auch in so herausfordernden Zeiten mit den ganzen hochkommenden Emotionen besser umzugehen.“ Es ist wichtig als Führungskraft, eine Haltung zu diesen Themen zu haben. „Wenn ich selbst rational und achtsam agiere, wirkt sich das auch beruhigend auf das Team auf“, sagt Madeleine Leitner.

Führungskräfte sollten das Thema aufgreifen, sich über den Sachverhalt informieren und vor allem auch Verständnis für den berechtigten Anteil der Angst im Team haben. Aber auch Verständnis zeigen für diejenigen, bei denen in solchen Situationen irrationale Anteile dazukommen. Viele Menschen fürchten beispielsweise auch Szenarien, die auf Erzählungen ihrer Großeltern beruhen. Der Krieg und seine unmenschlichen Folgen sind tief im Gedächtnis der Europäer verankert. Auch Madeleine Leitner macht bis heute noch oft die Erfahrung bei ihren Patientinnen und Patienten, dass deren berufliche und private Situationen ohne das Verständnis von Krieg, Flucht und Vertreibung meist gar nicht komplett zu verstehen sind. „Wenn man sich über die Ängste lustig macht oder damit ironisch umgeht, führt das nur dazu, dass sie im Verborgenen weiter vorhanden sind, aber tabuisiert werden.“

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Bill

@t3n, @Andreas Weck:
Mich würde interessieren, wie ein Team damit umgehen soll, wenn sie Mitarbeiter aus beiden betroffenen Ländern haben und diese unterschiedlicher Meinung sind? Ich finde das äußerst schwer. Wir haben auch Schweden und Balten im Team, die sich bedroht fühlen.
Aber auch Russen, die der Meinung sind, der Westen würde das alles falsch verstehen. Wie soll man über so was in so einem Team sprechen, so etwas sorgt doch nur für Ärger. Ich persönlich denke immer, ich werde bezahlt, einen Job zu mache, für die Politik sind andre zuständig, auch wenn ich im Privaten eine klare Meinung zu diesem Thema habe und finde, es müsste mehr getan werden, aber Arbeit ist nun mal Arbeit. Ich will aber natürlich auch nicht meine Kollegen vor den Kopf stoßen, die Ängste haben und darüber reden wollen. Aber noch mal in einer großen Runde wie dem hier genannten Check-in würde ich das doch vermeiden.

Antworten
Andreas Weck

Hallo Bill, danke für deine Frage. Ich versuche sie nach bestem Wissen und Gewissen zu beantworten: Zunächst einmal würde ich einen Bogen drum machen, die Meinungen zu bewerten. Ich würde auch nicht darauf eingehen, wer wie den Konflikt wie auch immer zu verstehen oder zu verantworten hat. Das sind dann tatsächlich politische Dialoge – um die sollte es nicht gehen. Ich würde auf die Gefühle der Leute eingehen. Was fühlst du bei dem Konflikt? Angst, Sorgen, Trauer? Die sollen in erster Linie erstmal erzählen ohne einander zu bewerten. Zumal denke ich, dass wir alle einen gemeinsamen Nenner finden in Angst, Sorgen und Trauer. Es ist ja völlig egal, ob man Ukrainer, Russe, Lette, Pole oder Deutscher ist. Niemand findet Krieg toll. Und diese damit im Zusammenhang hängende Ängste zu teilen, darum sollte es gehen. Also die Einigkeit finden anstatt die Unterschiede.

Antworten
Kantenhuber

Man muss sich einfach die wirklichen Verhältnisse vor Augen halten:

Wirtschaftskraft in Form von BIP

Union of the West: ca. 40 Bill USD (2020, davon allein die USA mit ca. 20 Bill)
China/Russische Förderation: ca. 17 Bill USD (2020, davon ca. 1,7 Bill RF)

Das ist grob überschlägig recht einfach zu errechnen. Nicht enthalten sind die Mittel- und Südamerikanischen Länder und Indien, sowie Afrika.

Das Verhältnis steht also in etwa bei 40 : 17 = westliche Demokratien gegenüber autoritäre Staaten.
Russland ist da praktisch nicht vorhanden. Selbst wenn China in den nächsten Jahren die größte Volkswirtschaft werden sollte, steht es international immer noch isoliert da und es wird nicht ausreichen, „den Westen“ zu dominieren, selbst mit hoher Anstrengung. Auf der anderen Seite hat dieser Ausraster Russlands dazu geführt, dass der Westen über seine Zusammengehörigkeit nachgedacht hat und jetzt seinen Standort neu bestimmt, hin zu gemeinsamer Koordination.

Die Autokratien haben sich dazu verstiegen, zu glauben, dass man den Weg der partnerschaftlichen Wirtschaft verlassen kann, um dem Westen seinen Willen ungefragt aufzwingen zu können, obwohl das deren Hauptabnehmerländer sind. Das wird nicht funktionieren. Eher genau anders herum.

Russland wird vielleicht die Kampagne in der Ukraine gewinnen. Die Russische Nation wird in jedem Fall vor allem wirtschaftlich verlieren und wie schon zu Gorbatschow-Zeiten in die Marginalität abrutschen.

(Union of the West = EU gesamt, GB, USA, Kanada, Australien, Neuseeland, Ozeanien)

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