Wer dieser Tage durch Linkedin scrollt, der wird von vollmundigen Demutsbekundungen, ergebenen Würdigungen und gewaltigen Meilensteinen förmlich erschlagen. Doch nicht alles, was Nutzerinnen und Nutzer so teilen, wirkt auf den ersten Blick wirklich groß: Jobwechsel schon nach kurzer Zeit werden von „Honored and Humble“-Ansprachen begleitet, Pflichtpraktika werden zur „life-changing Challenge“ und jedes noch so kleine erreichte Ziel im Beruf zur „thrilling personal Journey“. Schnell wächst der Eindruck, dass Schauspielerin Meryl Streep sich den Oscar für ihr Lebenswerk oder Ex-Präsident Barack Obama einen Friedensnobelpreis abholt, dabei geht es um ganz Alltägliches im Job: neue Arbeitgeber, neue Kunden, neue Projekte. Einzig und allein: Alltägliches bringt keine Likes und so wird jedes Posting zum ausladenden Selbstlob.
Linkedin Flex: Internet-Trend parodiert Nutzende
Wie immer im Internet lässt Hohn und Spott nicht lange auf sich warten – und das vor allem bei jüngeren Nutzerinnen und Nutzern. Auf dem Karrierenetzwerk selbst, aber auch auf anderen Plattformen wie Tiktok, Reddit, Twitter und Instagram, amüsieren sich vorwiegend Vertreter der Gen Z was das Zeug hält. „Ich bin nur auf Linkedin, weil es uns im Studium ans Herz gelegt wurde, bin dann aber geblieben, um etwas auf dem Laufenden zu bleiben, was meine Kommilitonen so machen“, sagt Teresa Rübel im t3n-Gespräch. „Eine Zeit lang habe ich auch Shitposts auf dem Account veröffentlicht, also satirische Urlaubsbilder und parodierende Memes, weil ich es nicht eingesehen habe, auf diese Angeberschiene der ganzen Leute dort aufzuspringen.“ Rübel schmunzelt darüber, dass so viele Menschen sich so „try hard“ positionieren.
Wie so ein Posting aussehen kann, zeigt ein populäres Beispiel. Shiv Sharma hat laut Linkedin letztes Jahr seinen Abschluss an der University of Southern California gemacht. Vor ein paar Monaten hat er sein Profil aktualisiert und sich selbst als stellvertretenden Koch im fiktiven Restaurant von Spongebob Schwammkopf gelistet. „Ich habe ein Angebot angenommen, um für die Krusty Krab im Rahmen ihres Einstiegskochprogramms in Bikini Bottom zu arbeiten“, schrieb er. Der Beitrag sammelt über 5.000 Likes und Kommentare – fast so viele Interaktionen, wie manch ein ernstgemeintes Vorbild bekommt, jedoch mit dem Unterschied, dass Lesende die Parodie feiern: „Das ist das absolut Beste, was ich jemals auf Linkedin gesehen habe“, schreibt eine Nutzerin. „Die Welt braucht diesen Humor.“ Was sie meint: Linkedin braucht ihn.
Dina Brandt verdient ihren Lebensunterhalt mit Personal Branding. Sie findet, dass Menschen ihre beruflichen Erfolge durchaus auch in sozialen Medien feiern dürfen. „Wenn ich aber als Leserin das Gefühl habe, die Leute beweihräuchern sich selbst, weil sie anderweitig zu wenig Anerkennung bekommen, verliere ich schnell den Respekt vor der abgelieferten Leistung an sich“, gibt die Expertin im t3n-Gespräch zu verstehen. Die Parodien der Subkultur liest sie selbst gerne. Und auch wenn sie sich dagegen ausspricht, konkret einzelne Menschen anzusprechen, so sagt sie, sollten gemeinte Linkedin-Nutzerinnen und -Nutzer sich damit auseinandersetzen und selbst überprüfen, wie viel Wahrheit in der verdrehten Kritik steckt. Nicht die Parodie sei das Problem, sondern, dass man sie wahrscheinlich doch für sehr treffend halten dürfte.
Linkedin: Flex den Soft Skill was das Zeug hält
Im Netz hat sich für das Phänomen längst ein eigener Begriff etabliert: „Linkedin Flex“ bedeutet so viel wie, sich selbst unironisch, aber mehr oder weniger lächerlich zu präsentieren. Gemeint ist damit jedoch nicht etwa ein Wortspiel aus „Linkedin“ und „Reflex“, was naheliegen könnte, sondern vielmehr ist das Flexing von Muskeln gemeint, das Bodybuilderinnen und Bodybuilder selbstverliebt vor Spiegeln betreiben. Der Instagram-Account „Linkedin Flexes“ spielt mit dieser Darstellung sogar im Profilbild. In der Bio steht zudem treffenderweise: „Wahrer Erfolg wird an der Größe des (Linkedin-)Flex gemessen.“ Ebenfalls ein Witz, der – laut Dina Brandt – womöglich für viele Menschen dann doch ein wenig Wahrheit enthält. Angefangen beim Soft Skill über den Titel und die Weiterbildung bis hin zum Afterwork-Yoga wird geflext was das Zeug hält.
Auch wenn Linkedin derzeit zur Zielscheibe von Hohn und Spott wird, so sollte dieser satirische Fingerzeig jedoch keinesfalls die Daseinsberechtigung des Karrierenetzwerks absprechen, meint Teresa Rübel im t3n-Gespräch. Durch eine Stellenausschreibung in der App sei sie immerhin auf einen Nebenjob aufmerksam geworden, den sie am Ende sogar bekommen hat. Die Studentin für Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation verstehe den Mehrwert der Plattform schon, auch wenn so manche Nutzerinnen und Nutzer sie „viel zu cringe nutzen“. Dina Brandt fügt hinzu, dass Nutzerinnen und Nutzer trotz des Trends nicht allzu selbstkritisch sein sollten, denn ohne derartige Fehler würden sie aus Sicht des Personal Brandings ja auch nichts dazulernen. Mit Selbstironie lässt sich Spaß auf die eigenen Kosten am besten begegnen.
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Linkedin ist definitiv eine tolle Sache … das sind im Kern alle sozialen Netzwerke. Aber wie so oft hängt es an den Nutzern wie es genutzt wird und was dann daraus wird. Deshalb ist der Hang zur Übertreibung auch hier nichts neues.
Stichwort „Engagement Based Ranking“ sagt im Grunde ALLES. Jede Extremposition provoziert Reaktionen und das EBR findet sowas toller als einfach nur brauchbare Information. EBR ist das eigentliche Problem und jedes soziale Netzwerk was stark auf EBR setzt wird sehr schnell asozial oder fühlt sich merkwürdig an.
Facebook ist sicher EBR King und bei LinkedIn ist es definitiv nicht so viel schlechter umgesetzt.