Logitech-CEO: „Wir wollen das Adidas des E-Sport werden“
„Hi Jan! Great to see you! How Are you doing?“, ruft Bracken Darrell. Der CEO von Logitech strahlt mich mit seinem breiten, weißen Grinsen an und schüttelt mir so energisch die Hand, als hätten unsere Söhne gerade gemeinsam ein High-School-Football-Match gewonnen. Ich habe Bracken Darrell noch nie zuvor gesehen. Er hat wahrscheinlich gerade erst seinen PR-Berater gefragt, wie der Typ heißt, der ihn jetzt interviewt. Aber wenn amerikanische CEOs eins können, dann verkaufen. Und selbst unter amerikanischen CEOs ist Bracken Darrell ein ganz besonders talentierter Verkäufer.
Wenn man zum Logitech-Stand der Ifa geht, erwartet man nicht viel. Mäuse. Tastaturen. Vielleicht ein paar Lautsprecher. Eigentlich dasselbe Zeug, mit dem man schon in den 90ern Anno 1602 gezockt hat. Wahrscheinlich jetzt ohne Kabel. Logitech eben: nicht besonders aufregend, nicht besonders teuer, aber funktional. Was soll auch groß passieren in einer Branche, die sich „Peripheriegeräte“ nennt. Immerhin ist Peripherie das Gegenteil von Zentrum. Also per Definition der Ort, an dem nix geht.
Während die Microsofts, Ciscos, IBMs und Apples dieser Welt IT-Imperien schufen oder verloren, baute Logitech Mäuse. Ein Kabel, zwei Tasten, vielleicht ein Rad. Seit Jahrzehnten ist Logitech Weltmarktführer mit einem Produkt, das gerne übersehen wird. Es gab Zeiten, da gab es auf der Cebit Mäuse als Werbegeschenke. Das waren auch ungefähr die Zeiten, in denen der Kurs der Logitech-Aktie von 40 CHF auf 10 Franken abgesackt ist, Ende 2007 bis Anfang 2009. Als Bracken Darrell 2013 CEO von Logitech wurde, war eine Aktie sogar nur rund 6 Schweizer Franken wert.
Von dem Logitech von damals, dem Maus-Produzenten, hat Bracken Darrell wenig übrig gelassen. In den letzten fünf Jahren, in ziemlich genau der Zeit, die Darrell als Logitech-CEO verbracht hat, ist die Aktie des Schweizer Konzerns um 602,49 Prozent gestiegen. 602,40 Prozent, meine Damen und Herren.
Man fragt sich also, was ist da passiert in der Welt der Peripheriegerätehersteller? Und die Antwort ist eigentlich recht einfach: Bracken Darrell, der Mann, der vorher für Marken wie Old Spice, Gillette, Braun, Kitchenaid und Whirlpool verkauft hat, hat angefangen bei Logitech zu verkaufen. Aber mehr als beispielsweise in der Deo- oder Rasiererbranche gilt in der IT-Industrie: Das Zeug muss technisch geil sein, sonst interessiert sich niemand dafür. Darrell hat aber nicht nur dafür gesorgt, dass bei Logitech technisch was geht. Er hat in dem Konzern etwas geweckt, was man bei einem Peripheriegerätehersteller nicht erwartet hätte: Begeisterung. Und vor allem Begeisterung für die Szene, die Logitech eigentlich schon immer ganz OK fand – Gamer.
Das Adidas des E-Sport
„Als ich zu Logitech kam, gab es hier vier Leute, die sich mit Gaming beschäftigt haben“, sagt Bracken Darrell in der Enge des kleinen Messebau-Büros. „Jetzt sponsern wir über 100 E-Sport-Teams rund um die Welt“. Im letzten Jahr, so Darrell, sei der Bereich um 70 Prozent gewachsen. „Wir wollen das Adidas des E-Sport werden!“.
Auf dem Tisch vor ihm liegt dabei eine neue Maus, die das Konzept ganz gut veranschaulicht: Sie wiegt nur 80 Gramm, übermittelt Daten innerhalb einer Millisekunde, hat abnehmbare Seitentasten und wurde mit professionellen Gamern entwickelt. Natürlich braucht kein Hobby-Zocker unbedingt eine Maus mit Leichtbau-Chassis. Genauso wenig, wie man als Hobbyfußballer unbedingt einen Fußballschuh mit asymmetrischem Schnürsystem braucht. Aber geiler ist das schon.
Bracken Darrell hat verstanden, dass eine Marke ganz vorne mitspielen muss, in der ersten Liga, um für Feierabend-Sportler sexy zu sein. „Die Füße der Maus sind getestet worden und überstehen 250 km Strecke. Die linke und rechte Maustaste stehen über 50 Millionen Klicks durch, das Äquivalent zu 10 Stunden Training pro Tag für fünf Jahre“, heißt es in der Produktbeschreibung der Maus online. „We love Gaming“, sagt Bracken mit seinem breiten Grinsen.
Natürlich trainiert der durchschnittliche Logitech-Kunde nicht zehn Stunden am Tag Counter-Strike. Genau wie bei abgefahrener Funktionskleidung von Mammut oder Patagonia ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Produkte irgendwo im Alltag benutzt werden, im Büro oder zu Hause. „Wir versuchen unsere Designs nicht so extrem zu machen, dass sie einem im Büro peinlich wären“, sagt Bracken Darrell und lächelt.
Wenn man aus dem kleinen Büro auf den Ifa-Messestand von Logitech herausgeht, stehen da vier voll ausgestattete Gaming-PCs. Daneben wartet ein Mann namens Bruno. Und wenn man ihn fragt, was an den Tastaturen und Mäusen jetzt so geil sein soll, fangen Brunos Augen an zu leuchten. Das Gewicht der Mäuse, die Übertragungsgeschwindigkeit, dass dieser oder jener Spieler damit auf der Bühne zockt, dass die Tastaturen natürlich mechanisch sind und sofort reagieren, nicht wie die Rubber-Dome-Tastaturen, erst wenn sie ganz runter gedrückt werden. Dass die Prozessoren schneller sind, sodass man eigentlich alle Tasten auf einmal drücken kann und trotzdem kein Befehl verloren geht … Bruno macht eine Pause, guckt mich ernst an und sagt: „Du weißt, manche Starcraft-Spieler schaffen bis zu 500 Aktionen in der Minute“. Natürlich hat er auch mal sportlich gezockt.
Eine Tastatur für VR?
Aber es ist nicht nur Gaming. „Was macht ihr eigentlich, wenn in ein paar Jahren alles auf VR und AR läuft“, frage ich Bracken Darrell. „Well, auch da muss man programmieren und wir haben ein Keyboard in die Virtual Reality gebracht“, sagt er. Eine kleine Kamera am Rand filmt dabei die Finger und bildet sie in VR ab. Bis jetzt gibt es die VR-Tastatur aber nur für Entwickler.
Auch draußen auf dem Stand merkt man, dass Logitech versucht, mit seinen Peripheriegeräten ins Zentrum der technischen Entwicklung vorzudringen. Statt klapprigen Kameras für Skype gibt es dort jetzt Video-Konferenz-Systeme mit riesigen Objektiven, 4K-Sensoren und eingebauter KI, die das Bild und den Klang optimiert und an die Konferenzteilnehmer anpasst. Etwas weiter steht ein Stift, der zusammen mit iPads im Bereich Bildung verkauft wird. „We love Education“, sagt Bracken Darrell dazu.
Die Smart-Home-Ecke (ja, Logitech macht jetzt auch in Smart Home) ist randvoll mit kleinen runden Kameras und mittendrin steht ein Mann namens Pike, der begeistert ein Amazon Alexa und einen Google Assistant antreibt: „Alexa, zeig mir … Hey Google, zeig mir … Alexa! …“. Alexa und Google zeigen ihm dann abwechselnd Kamerabilder auf einem Fernseher. Zwischendurch ruft er noch selbst die Kameras auf iPads oder seiner Apple Watch auf und spult sie vor oder zurück.
Und wenn man mit Pike so in das iPad starrt und er sich begeistert die Aufnahmen der letzten Nacht auf dem Logitech-Stand zeigen lässt, dann hat man das Gefühl, der einzige, der hier mal stillsteht, ist der Nachtwächter. Gemütlich schlendert er über den Stand, zwischen all den Smart-Home- und High-Precision-Sachen, passt ein bisschen auf und wundert sich vielleicht, was aus den guten alten Logitech-Mäusen geworden ist.